Erster Amdahl 470 V6-Großcomputer ausgeliefert, Gene Amdahl besucht BMFT

Ein Superstar in Bonn

13.06.1975

SUNNYVALE/BONN - Wenn auch weiterhin Rechner-Generationen danach gezählt werden, welche Schaltkreis-Technologie eingesetzt wird, dann wurde am 2. Juni in New York der erste Computer der Vierten Generation beim Anwender in Betrieb genommen.

Das neue Großrechner-System Amdahl 470 V/6 des NASA-Institute for Space Studies an der Columbia University New York ist der erste Computer in Taschenrechner-Technologie (Large Scale Integration). Die ausschließliche Verwendung von LSI-Bausteinen gibt der Amdahl-Maschine verblüffende Eigenschaften: die gesamte CPU mit 16 Kanälen besteht aus nur 51 leicht auswechselbaren Multi-Chip-Carriers, die je 40 winzige LSI-Chips und ihre Träger halten, auf denen durchschnittlich je 75 Circuits realisiert sind, - insgesamt 150 000 Schaltkreise.

Die Taktzeit beträgt 600 Pico-Sekunden, die Zykluszeit des Systems nur noch 30 Nano-Sekunden. Durch die LSI-Technik konnte die Zahl der Komponenten und Verbindungen um eine Zehner-Potenz vermindert werden (entsprechend geringer ist die Störanfälligkeit). Der Platzbedarf reduzierte sich auf ein Drittel, ebenso entfällt die Wasserkühlung.

Preis der 370/168 aber doppelte Leistung

Die Amdahl 470 V/6 kostet rund 4 Millionen Dollar, - und ist damit gleich teuer als die IBM 370/168, bringt aber in der Regel doppelt so viel Leistung. Die gesamte Computer-Industrie, insbesondere aber über zwei Dutzend amerikanische Großfirmen, die Kaufoptionen für die 470 V/6 haben, erwarten mit Spannung die ersten Ergebnisse im Praxiseinsatz.

Beim NASA-InstItute in New York ersetzt die Amdahl 470 V/6 eine 370/165, die die zunehmenden Aufgaben bei der Verarbeitung von Satelliten-Daten nicht mehr bewältigen konnte. Die neue Maschine ist zweieinhalb Mal so schnell. Sämtliche Programme des Systems 370 können unverändert übernommen werden.

Gespräche mit Siemens und Nixdorf

Wenige Tage nach diesem Meilenstein hatte am 6. Juni Dr. Gene M. Amdahl (52), Namensgeber und Schöpfer der neuen, epochemachenden Maschine und Aufsichtsratsvorsitzender der Amdahl Corporation einen Termin in Bonn. Dr. Volker Hauff, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung und Technologie hatte zu einem Gespräch mit dem Konstruktions-Genie und hochbelobigtem "Superstar" (Newsweek) auch Helmut Rausch, Vorstandsmitglied der Nixdorf Computer AG und Dr. A. Veelken, DV-Entwicklungschef der Siemens AG, geladen. Amdahl brachte als Repräsentanten seines Hauptaktionärs, der 41 Prozent des Aktienkapitals haltenden japanischen Fujitsu Company den Entwicklungschef Naoya Ukai mit, der einer 25 Mann starken japanischen Ingenieurs-Mannschaft vorsteht, die die 350 Amdahl-Mitarbeiter im kalifornischen Sunnyvale bei San Francisco unterstützen.

Alles noch offen

Das Gespräch kam offenbar auf Initiative der Nixdorf Computer AG zustande, die für sechs Millionen Dollar Aktien (von insgesamt 45 Millionen Dollar) der Amdahl Corporation hält.

Auf die Frage, ob bei dem Spitzengespräch Möglichkeiten einer Kooperation Amdahls mit deutschen und europäischen Computer-Firmen oder einer Übernahme Amdahl'schen Know-hows verhandelt wurde, erklärte Staatssekretär Hauff der Computerwoche: "Man hat über vieles gesprochen und nichts beschlossen." Die Gespräche sollen fortgeführt werden.

Mittlerweise verlautet aus Tokio, daß die Fujitsu Company und die Amdahl Corporation in der Bundesrepublik eine gemeinsame Computer- Marketing- Gesellschaft gründen wollen. Die Fujitsu Company wird an dem neuen Unternehmen zu einem Viertel beteiligt sein.