Interview

"Ein langsames Geschäft ist ein schlechtes Geschäft"

24.11.2000
Mit dem EDS-Chef Dick Brown sprach "Infoworld"-Chefredakteur Michael Vizard

CW: Welche Bedeutung hat für Sie E-Business?

Brown: Unternehmen und Regierungsstellen müssen sich auf die aktuellen Techniken einstellen. Das reicht von Prozess- und Zulieferketten bis zu den Beratungsleistungen, die man braucht, um sich auf das E-Business einzustellen. All das muss im laufenden Betrieb geschehen. Diesen Prozess bezeichnen wir als Transformation zur digitalen Wirtschaft.

CW: Vollzieht sich dieser Wandel weltweit?

Brown: Europa folgt hier den USA. Ich habe mit Tony Blair, dem britischen Premierminister, gesprochen, der mir versicherte, dass er alles tue, um die digitale Wirtschaft in Gang zu bringen. Aber auch die Südamerikaner haben begriffen, was die Uhr geschlagen hat.

CW: Müssen sich die US-Firmen vor einem weltweiten Wettbewerb fürchten?

Brown: Entscheidend ist das Tempo, in dem die Veränderungen stattfinden. Ein langsames Geschäft ist ein schlechtes Geschäft. Die Unternehmen wissen das zwar, sind aber noch nicht vorbereitet. Sie holen sich einen Berater, der für sie in die Zukunft schaut und die Ziele definiert, einen zweiten für die konkrete Planung und einen dritten für Implementierung und Betrieb. Sie bräuchten aber einen Partner, der sie von Anfang bis Ende unterstützt.

CW: Führt die Zeitknappheit dazu, dass immer mehr IT-Projekte an Dienstleister vergeben werden, insbesondere der Aufbau komplexer Business-to-Business-Anwendungen?

Brown: Genau. Das ist es, was derzeit überall in der Welt geschieht.

CW: Wandelt sich der Dienstleister EDS dabei zum Application-Service-Provider (ASP)?

Brown: Für uns ist das nichts Neues. Das machen wir seit 40 Jahren. Wir waren eher damit konfrontiert, die vielen Dienste, die wir bislang individuell erbracht haben, zu vereinfachen und zu wiederverwertbaren Paketen zu schnüren. Heute können wir jede gewünschte Dienstleistungsvariante via Web anbieten. Wir haben 750 ASP-Kunden, die von 46000 Servern aus betreut werden. Darin liegt unsere Zukunft.

CW: Wie verändert sich dadurch Ihre Arbeit?

Brown: Wir bemühen uns erstmals um indirekte Kanäle. Ein Fünftel unserer Einkünfte soll künftig von Partnern generiert werden. Das kann nur gelingen, wenn wir ihnen für ihre Arbeit vorgefertigte Pakete anbieten können. In der digitalen Wirtschaft erwachsen uns gefährliche Konkurrenten, gleichzeitig sind unsere Wettbewerber aber auch unsere besten Freunde. Die Welt ist zu klein und zu komplex, um jemanden zu missachten, nur weil es Überlappungen mit seinem Angebot gibt.

CW: Inwieweit unterscheidet sich Ihr Ansatz von denen Ihrer Mitbewerber?

Brown: Anders als bei IBM oder HP braucht bei uns niemand Zweifel über unsere Unabhängigkeit bezüglich der empfohlenen Produkte zu haben. Wir verfolgen keine Interessen neben IT-Services.

CW: Wie hat das Outsourcing-Geschäft Ihr Verhältnis zu den IT-Fachleuten in den Unternehmen verändert?

Brown: Nach wie vor gibt es weltweit kein Unternehmen, das ernsthaft behaupten kann, sich durch seine Dienstleistung vom Mitbewerb abheben zu können. Wir versuchen das. Wir leisten viele Überstunden, um uns einen exzellenten Ruf zu erarbeiten. Sobald wir uns mit den Kunden auf ihre strategischen Ziele verständigt haben, lassen wir uns an deren Erreichung messen. Außerdem müssen wir bei unseren Partnerschaften so flexibel sein, dass wir alles oder auch nur Teile dessen selbst machen, was der Kunde wünscht.

CW: Inzwischen fangen auch klassische PC-Spezialisten wie Dell oder Intel an, Hosting-Services anzubieten. Ist das ernsthafte Konkurrenz?

Brown: Das enorme Potenzial des Web-Hosting erzeugt natürlich einen Goldrausch. Für die meisten Anbieter wird es sich jedoch als ungeeignetes Geschäftsmodell herausstellen. Wir haben über die Welt verstreut zwölf Service-Center und 50000 Server, von denen aus wir 1000 Kunden betreuen. Unsere Rechenleistung ist tausendmal größer als die der Nasa, als sie Armstrong auf den Mond geschossen haben. Kurz: Wir können die doppelte Leistung halb so teuer wie jedes Unternehmen anbieten, das dafür neue Kapazitäten aufbauen muss.

CW: Sollten Anwenderunternehmen noch selbst Rechenzentren betreiben?

Brown: Solange es Firmen wie uns gibt, nein.