Universalrechner IBM 4300 der "neuen Mittelklasse":

Ein Kompromiß zugunsten der Anwender-Software

16.02.1979

STUTTGART (pi) - Zu einem Kompromiß entschloß sich der IBM-Geschäftszweig "Datenverarbeitung": Seine neuen Modelle der unteren und mittleren Größenklasse sind mit modernsten Speicher-Moduln bestückt (64-K-Bit-Packungsdichte) -auf der Betriebssystem-Seite blieb die 370-Kontinuität erhalten. Zum Vorschein kamen ein "System IBM 4331", der "universelle Rechner für kleinere und mittlere Unternehmen" (IBM-Werbung) sowie das "System 4341", ein "leistungsstarker Rechner für (IBM-)Wachstumskunden". Hier in gestraffter Form die originalen IBM-Produkt-Informationen:

Der Rechner 4331 verfügt über Einrichtungen, die sowohl eine Integration im IBM-Großkundennetzwerk als auch eine Verknüpfung mit mehreren DV-Systemen ermöglichen. Mit seinem DFV-Anschluß und den integrierten SDLC-Voraussetzungen sowie seinen peripheren Einheiten kann er entweder als dezentraler oder als zentraler Rechner in Verbindung mit anderen SNA-Terminals operieren.

An den Rechner 4331 sind neben der Bildschirmkonsole und den verschiedenen

Ein-/Ausgabeeinrichtungen eine Disketten-Ein-/Ausgabe, eine 96spaltige Mehrfunktions-Karteneinheit (MFKE) und Datenstationen anschließbar (Abildung 1).

Das den Rechner steuernde Mikroprogramm arbeitet in Tabellenform mit einer größeren Zahl von Variablen, die aus Architekturgründen im Mikroprogrammspeicher und im Hauptspeicher untergebracht werden. Einrichtungen wie Emulatoren oder der Anschluß für Magnetplatteneinheiten IBM 3340 beanspruchen zusätzlichen Mikrocode, der teils im Mikroprogrammspeicher und teils im Hauptspeicher gespeichert ist.

Die Prozessor-Einheit enthält verschiedenartige komplexe Schaltkreise für Befehlsausführung und Datenübertragung. Die gesamte Datenübertragung zwischen dem Hauptspeicher und dem internen Kanal erfolgt über die Prozessor-Einheit. Der Datenfluß in der Prozessor-Einheit hat ein Format von vier Bytes.

Der interne Kanal ist für Ausführung aller Ein-/Ausgabe-Instruktionen zuständig. Die Ausführung schließt eine Anzahl von Funktionen wie Adreß-Aufschlüsselung, Einheiten-Auswahl, Daten-Adresse und Zähler-Update wie auch die tatsächliche Datenübertragung zwischen E/A-Einheiten und Hauptspeieher ein.

Die verschiedenen Funktionen befinden sich in unterschiedlichen Teilen des Prozessors, sie sind jedoch zu einem Komplex vereinigt: dem internen Kanal.

Er enthält auch einen Serviceprozessor.

Die Architektur erweitert das /370-Design durch Einfügen eines neuen, mikroprogrammgesteuerten Umsetzungsmechanismus. Er sieht einen 16-MB-Adreßraum vor, unabhängig vom physisch in der Maschine installierten Speicher. Bei der Umsetzung der virtuellen in reale Adressen arbeitet das Mikroprogramm mit zwei Hauptspeichertabellen gleichen Aufbaus. Die eine Tabelle enthält die Adressen für den Hauptspeicher, die andere die Adressen für I/O-Einheiten. In jeder Tabelle stehen neben den virtuellen die realen Adressen. Die Verwaltung dieser zwei Tabellen im Hauptspeicher erfolgt durch den Supervisor, der dafür sieben privilegierte Instruktionen verwendet, die für die Rechner IBM 4300 neu geschaffen worden sind.

Der Rechner IBM 4331 kann jedoch auch mit VS-(virtueller Speicher)Konzept des IBM System /370 arbeiten. Dabei wird die nicht vorhandene Hardware-Einrichtung "dynamische Adreßumsetzung" durch Mikroprogramm emuliert, und der Supervisor übernimmt die Übersetzung der virtuellen I/O-Adressen.

Beim Initialisieren des Rechners - auch "lnitial Microprogramm Load"

= IML genannt - kann der Operator an der Bildschirmkonsole eine der zwei Betriebsarten auswählen, wodurch der Mikroprogrammspeicher mit dem für diese Betriebsart spezifischen Satz von Mikroprogrammen von der System-Diskette geladen wird.

Betriebsarten und Betriebssysteme

Die Rechner IBM 4300 können jeweils entweder mit dem neuen VS-Konzept oder dem des System /370 arbeiten. Dazu wird der Mikroprogrammspeicher beim Initialisieren des Rechners mit dem einen oder anderen Satz von Mikroprogrammen geladen. Man spricht von zwei Betriebsarten, in denen die Rechner IBM 4300 arbeiten können. Sie werden mit: DOS/VSE-Modus beziehungsweise System /370-Modus bezeichnet. Abbildung 2 zeigt die mit den zwei Betriebsarten, möglichen Betriebssysteme. Es gilt in dieser Form nur für den Rechner IBM 4341. Die Leistungssteigerung durch das Mikroprogramm wird mit ESCP abgekürzt und heißt Erweiterte SCP-Unterstützung. Im System /370-Modus ist DOS/VSE ohne ESCP gezeigt, weil es so als Virtuelle Maschine unter VM/370 benutzt wird. Hier wäre die Erweiterte SCP-Unterstützung für DOS/VSE ohnehin nicht wirksam, da der virtuelle Speicher durch den Supervisor von VM/370 verwaltet wird. Um Funktionen des DOS/VSE, die den virtuellen Speicher betreffen, im Rechner IBM 4341 nicht doppelt auszuführen, werden Teile des Lizenzprogramms "VSE/Advanced Functions" benutzt. Entsprechendes gilt für OS/VS1 unter VM/370 mit den Handshaking-Funktionen des OS/VS1.

Denn auch die Erweiterte SCP-Unterstützung des OS/VS1 ist unter VM/370 nicht möglich.

Im System /370-Modus des Rechners 4341 können auch die Betriebssysteme DOS/VS Release 34, DOS Rel. 26, OS MFT Rel. 20.6 und OS MVT Rel. 21.6 arbeiten.

Die Wirkung des Mikroprogramms zur Leistungssteigerung der Betriebssysteme DOS/VSE, VM /370 und OS/VS1 ist eine Reduktion der Prozessor-Zeit für den Supervisor.

Betriebssystem Reduktion der Prozessor-Zeit

DOS/VSE 7 - 20%

VM /370 ca. 75%

OS/VS1 bis 7%

Die Reduktion der Prozessor-Zeit für DOS/VSE gilt gegenüber dem Betrieb im System /370-Modus