Optische Kabeltechnik in den Kinderschuhen oder in den Startlöchern?

Eiertanz der Glasfaser Produzenten geht weiter

01.06.1984

MÜNCHEN- Nachdem nun die fünf Aspiranten auf eine gemeinsame Glasfaserfertigung in Berlin vom Bundeskartellamt mit einer "Abmahnung", also einem Nein, beschieden worden sind, wird zur Zeit in und zwischen den Unternehmen über den nächsten Schritt diskutiert, der nicht notwendigerweise mehr ein gemeinsamer sein muß. Es scheint fraglich, ob ein förmlicher Antrag der Fünf (AEG, Kabelmetal, SEL, Philips, Siemens) auf eine Ministererlaubnis überhaupt noch gestellt werden wird.

Als Alternative zum Fünfer-Kartell wird derzeit an erster Stelle die Gruppierung Philips/Siemens gehandelt. Die Berliner Wettbewerbshüter hatten schon vor einiger Zeit entsprechende Möglichkeiten signalisiert, mit ihrem Hinweis auf ein abgemagertes Kartell aber Rauf Granit gebissen. Jetzt konzedieren die ursprünglichen Antragsteller teilweise offiziell, teilweise informell, daß "aus zeitlichen Gründen - eine Ministererlaubnis zu erlangen, dauert in der Regel mindestens vier Monate - und weiteren wettbewerbsrechtlichen Gründen, die im EG-Recht zu finden sein dürften, nicht mehr viel Hoffnung auf diesen Bonner Verwaltungsakt gesetzt wird. Auch ein "Deus-ex-machina-Effekt" auf den anstehenden Berliner Industrietagen im Juni sei höchst unwahrscheinlich. Zu dieser Wirtschaftstagung wird nämlich der Bundeskanzler erwartet. Helmut Kohl hatte sich Ende 1982 auf dem Berliner Wirtschaftsgipfel für das Glasfaserprojekt der Fünf starkgemacht. Auch mit seinem Machtwort sei bestehendes Recht nicht zu brechen.

Neben dem Antrag auf Minister-Erlaubnis steht den Fünfen noch der Schritt zum Berliner Kammergericht offen. Welche der Möglichkeiten oder auch, ob beide Wege gleichzeitig beschritten werden, ist bislang auch im Bundeswirtschaftsministerium nach Auskunft eines BMWi-Sprechers noch nicht bekannt.

Parallel zu dem abschlägigen Bescheid aus Berlin bekundete die Glasfaserkabel-produzierende Industrie eine rege Public-Relation-Tätigkeit: So verwies die ITT-Tochter SEL in Stuttgart kürzlich vor einem größeren Fachpublikum auf ihre Pilotfertigung von optischen Kabeln und abgeschlossene Installationen, aber auch Glasfaser-Multiplexer und andere opto-elektronische Komponenten aus eigener Entwicklung. Die Siemens AG, im Besitz der wichtigen amerikanischen Lizenz der Corning Glass Works und dort deren Koproduzert, wußte auf einer ähnlichen Veranstaltung die Fachwelt ebenfalls zu beeindrucken. Die relativ hohe Zahl von 30 000 Kilometern als mögliche Jahresproduktion ihrer vorerst zu Versuchszwecken errichteten Produktionsanlage in München nannten die Nachrichtentechniker des Unternehmens. Dritter Akteur dieser Glasfaser-PR-Szene war die schwedische Ericsson, die gleichfalls Produktions-Know-how und -Kapazität demonstrierte. Die Schweden - im Weltmarkt die Konkurrenten von Siemens - verfügen über englische Patente. Ihre Beweisstücke für spezielleres opto-elektronisches Können im Bauelemente- und Installationssektor fehlten nicht. Beachtlich schienen hier insbesondere Glasfaser-LANs (token ring) mit den passenden Schaltern, Installationswerkzeugen etc. Von Philips kam der Hinweis auf eine eigene Fertigung, die in den Niederlanden entstehen soll. Der Konzern ist von fremden Lizenzen unabhängig, da er über ein eigenes Produktionsverfahren verfügt.

Ericsson und Philips haben als potentielle Glasfaserlieferanten der Deutschen Bundespost, die ja zunächst wohl als ausschließlicher Abnehmer auftreten dürfte, den Nachteil, vorläufig nur über Produktionsstätten im Ausland zu verfügen. Im "Kernbereich" ihrer Investitionstätigkeit ist die deutsche Post nämlich gehalten, die Aufträge an Unternehmen mit Fertigungen in Deutschland zu vergeben.

Im Hintergrund hält sich zur Zeit noch die Wacker-Chemietronic in Burghausen mit ihrem Partrner AT&T. Erst wenn die Weichen für eine dortige Produktion von 100 000 Kilometern optischer Kabel pro Jahr gestellt sein werden - also ein entsprechender Bedarf und Absatz von der Wacker-Tochter den AT&T-Gewaltigen plausibel gemacht werden kann -, wird das Unternehmen, so sollen jedenfalls die Zusagen der Amerikaner lauten, auch die entsprechenden US-Lizenzen erhalten. In den nächsten Tagen schon wollen die "Außenseiter" aus Niederbayern an die Öffentlichkeit gehen.