EDV des Freistaats Bayern ohne Gesamtkonzept

22.02.1980

Das "Gesetz über die Organisation der elektronischen Datenverarbeitung im Freistaat Beyern" (EDVG) vom 12. Oktober 1970 sieht eine zentrale Organisation der staatlichen Datenverarbeitung über die Ressortgrenzen hinweg vor. Dabei fallen der Staatskanzlei und dem ihr nachgeordneten Landesamt für Datenverarbeitung nach diesem Gesetz entscheidende Koordinierungsaufgaben zu. Das gilt insbesondere für ein anzustrebendes Netz von Gebietsrechenstellen.

"Die vom Gesetz verlangte Kooperation unterblieb mit dem Ergebnis personeller und maschineller Überkapazitäten."

Eine Vielzahl von Planstellen wurde eingerichtet. 1977 standen 314 Beamte und Angestellte von insgesamt 533 im Geschäftsbereich der Staatskanzlei für Aufgaben der EDV zur Verfügung. Trotz dieses zentral vorhandenen Personals setzte sich jedoch der Egoismus der einzelnen Ressorts durch. Die vom Gesetz vorgesehene zentrale Personalund Maschinenkapazität wurde in zu geringem Umfang genutzt. Die vom Gesetz verlangte Kooperation unterblieb mit dem Ergebnis personeller und maschineller Überkapazitäten.

Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat sich mit diesen Mängeln wiederholt beschäftigt. Die Entwicklung auf dem Gebiet der staatlichen Datenverarbeitung wurde vom Obersten Rechnungshof folgendermaßen umrissen:

"1. Auf der Seite der Ressorts: Erweiterung und verstärkte Zentralisierung des Vollzugs von Verwaltungsaufgaben bei den Fachrechenzentren, Auf- und weiterer Ausbau ressorteigener Übertragungsnetze für Datenfernverarbeitung, ressortspezifische Übertragungsnetze für Datenfernverarbeitung, ressortspezifische Fachdatenbanken, weitgehend nur vertikale ressortinterne Integration."

Alles in allem also ein starker und erheblicher Ausbau der ressortspezifischen Datenverarbeitung.

"2. Auf der Seite der Staatskanzlei und des Landesamts für Datenverarbeitung: Verstärkte Bemühung um einen möglichst raschen Ausbau des erst in Ansätzen verwirklichten Netzes von Gebietsrechenstellen."

Und 3. in der Gegenüberstellung:

"Diese Entwicklungen verliefen in der Praxis in wesentlichen Teilbereichen auseinander, behinderten sich gegenseitig und haben zu schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Verwaltung geführt."

Dazu sagte der ORH weiter:

"Die im EDV-Gesetz zum Ausdruck gebrachte Erwartung des Gesetzgebers, die Ressorts würden das außerhalb der Geschäftsbereiche angesiedelte Landesamt als eine neutrale und unabhängige Einrichtung anerkennen und für die maschinelle Bearbeitung ihrer Aufgaben in Anspruch nehmen, hat sich nur zu einem geringen Teil erfüllt. Es stieß zwangsläufig auf den von Eigeninteressen bestimmten Widerstand der Ressorts. Diesen Widerstreit ressortübergreifender und ressortspezifischer Interessen vermochte auch der Koordinierungsausschuß "Datenverarbeitung" trotz mehrfacher Bemühungen nicht zu lösen."

Der Rechnungshof faßte sein Urteil schließlich so zusammen:

"Eine sinnvolle Weiterentwicklung der Datenverarbeitung in der staatlichen Verwaltung schien kaum mehr möglich."

Der zitierte Bericht des ORH beschreibt zwar nur die Entwicklung bis zum Herbst 1974, jedoch hat sich seitdem wenig geändert, wie noch im folgenden zu zeigen ist.

Bevor ich den weiteren zeitlichen Verlauf der Entwicklung beschreibe, möchte ich versuchen, die Größenordnung des Schadens abzuschätzen, der durch diesen Mangel an Koordination jährlich entsteht. Der jährliche Etat des Landesamts für Datenverarbeitung und der Abteilung D der Staatskanzlei umfaßt über 25 Millionen Mark. Der Schaden besteht

nun einerseits aus einer lediglich teilweisen Ausnutzung des Instruments "Landesamt für Datenverarbeitung" plus Abteilung D der Staatskanzlei sowie aus maschinell und personell zu groß ausgebauten Kapazitäten der einzelnen Ressorts. Dazu kommen Kosten für

Doppel- und Mehrfacharbeiten sowie mangelnde Abstimmung von Einzelmaßnahmen. Aus diesen Feststellungen kann abgeleitet werden, daß der finanzielle Schaden jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag erreichen muß!

Nun zur weiteren Behandlung des Problems: Es bot sich in einer derart verfahrenen Situation an, Hilfe von Gutachten zu erwarten. Es wurden dann auch gleich zwei erstellt. Das erste wurde vom RKW Bayern, das zweite vom Obersten Rechnungshof erarbeitet. Sie wurden 1976 beziehungsweise 1977 vorgelegt.

Beide Gutachten empfehlen, das ressortübergreifende Konzept aufzugeben. Dabei hat insbesondere die Argumentation des Rechnungshofs Gewicht, der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Ressorts habe weniger Bedeutung als ursprünglich angenommen wurde und die Datenfernverarbeitung ermögliche es nunmehr, fachlich zusammengehörige Probleme, die an örtlich verschiedenen Stellen auftauchen, im selben Rechner zu verarbeiten. Dafür sprechen auch Gesichtspunkte des Datenschutzes.

Dagegen kann jedoch vorgebracht werden, daß die Möglichkeiten der Daten-fernverarbeitung bereits 1970, als das Bayerische EDV-Gesetz verabschiedet wurde, abzuschätzen waren. In Hardware und Software sind künftige Verbundsysteme aus Groß- und Kleinrechnern sicherlich komplizierter als frühere Systeme. Dies spricht für eine Beibehaltung des ressortübergreifenden Konzepts zur koordinierten Behandlung von Software- und Hardware-Problemen.

Auf jeden Fall erschien es logisch, daß endlich eines der beiden Konzepte verbindlich festgelegt werden müßte. Der Landtag beschloß daher auch im Sommer 1977 einstimmig einen von mir vorgelegten Antrag, daß die Staatsregierung binnen Jahresfrist ihr Konzept zur Neuordnung der staatlichen EDV vorzulegen habe.

"Man hätte meinen können, der neue Ministerpräsident Strauß werde das Problem mit mehr Entschlußkraft und Durchsetzungsvermögen rasch lösen. Doch dem war nicht so."

Ministerpräsident Goppel erstattete jedoch kurz vor Ablauf seiner Amtszeit nur einen kurzen Bericht auf einer Schreibmaschinenseite, der im Kern darauf hinaus lief, daß er seinem Nachfolger nicht vorgreifen wolle.

Nun hätte man meinen können, der neue Ministerpräsident Strauß werde das Problem mit mehr Entschlußkraft und Durchsetzungsvermögen rasch lösen. Doch dem war nicht so. Weder einstimmige Aufforderungen des Haushaltsausschusses noch die Beratungen meines zu Beginn der neuen Landtagsperiode wieder eingebrachten Antrags konnten Ministerpräsident Strauß bislang zum Handeln veranlassen. Dabei geht es - daran sei nochmal erinnert - um mehr als die Hälfte des dem Ministerpräsidenten unmittelbar unterstellten Personals. Der auf meinen Antrag erneut einstimmig ergangene Land-tagsbeschluß fordert den Ministerpräsidenten auf, über seine Vorstellungen zur künftigen Organisation der staatlichen EDV bis 1. März 1980 zu berichten.

Skepsis erscheint leider angebracht, ob damit das bereits seit 1974 vom Rechnungshof kritisierte Problem wirklich zufriedenstellend bereinigt wird oder ob die Steuerzahler weiterhin für die Folgen behördlichen Kompetenzgerangels und fehlender politischer Koordinierung aufkommen müssen.