EDI-Dienstleister Teleport balanciert auf schmalem Grat

28.06.1991

Elektronischer Datenaustausch (EDI) wird entweder durch Standards realisiert, auf deren Basis Kommunikation Transparenz erhält, oder - technisch weit anspruchsvoller - über einen aller Protokolle und Formate mächtigen "Dolmetscher". In Duisburg will die Teleport GmbH, eine Tochter der Hafen AG, Dokumententransfer zwischen allen DV-Welten abwickeln, ohne einen Standard vorzugeben. Inzwischen gibt es Zweifel an der Machbarkeit.

Teleport verfügt über folgende zentrale Installation: Auf einer Stratus-Maschine, die Fehlertoleranz herstellt durch Bit-muster-Vergleiche zwischen den synchronen Komponenten der doppelt ausgelegten Hardware, läuft als Kommunikationssoftware das Produkt "Network Express" des amerikanischen Anbieters Scientific Software Inc. (SSI). Network Express ist Routing-fähig, kann also von unterschiedlichen Hard- und Software-abhängigen Kommunikationsparametern abstrahieren. Die Software stellt dadurch, wie Teleport-Geschäftsführer Gert W. Werzinger erläutert, eine Standard-Schnittstelle zur Verfügung, auf der sich heterogene Applikationen aufbauen lassen. Als Übertragungsmedien werden sämtliche datentauglichen Postdienste zur Verfügung stehen, so auch eine ISDN-Schnittstelle.

Die erste Zielsetzung von Teleport - das Projekt wird zeitlich begrenzt mit Mitteln der EG und des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert - ist die Entwicklung des Basis-Kommunikationssystems, eines Tag und Nacht zur Verfügung stehenden elektronischen Dolmetschers, der darüber hinaus Wünschen nach Zwischenspeicherung und zeitversetzter oder geblockter Übertragung von Informationseinheiten entgegenkommt. Der Anspruch der Anbieter, wie ihn Werzinger darstellt: "Jedes Unternehmen muß in seiner organisatorischen Welt weiterleben können, darf also nicht durch die Entscheidung, an EDI teilzunehmen, eine Overhead-Organisation aufgezwungen bekommen."

Ergänzend sollen bei Teleport dann Informationen über Transportwege und spezifische Transportgüter vorgehalten und online angeboten werden. Ein dritter Schritt schließlich- hierfür gibt es noch keine Pläne -soll es sein, "auf der Maschine für die Unternehmen sinnvolle Applikationen laufen zu lassen".

"Entweder EDI, oder Du bist Lieferant gewesen."

Beispiele wären eine Gefahrgut-Datenbank oder etwa eine ressourcen- und kostenintensive Optimierungssoftware für Logistik-Probleme, deren Lizenzierung und Einsatz sich in kleinen und mittleren Unternehmen nicht rentieren würden. Dies ist noch Zukunftsmusik, aber, so Werzinger: "Die (Dienste, Red.) könnte man einsetzen, wenn sich herausstellt, daß eine Reihe von Unternehmen hier am Ort sie braucht."

Volkswirtschaftlicher Zweck des Ganzen und gleichzeitig Voraussetzung für die Förderung durch die EG und das Land NRW ist die Kräftigung der Infrastruktur im Duisburger Hafen und den angrenzenden Industrie-, Speditions- und Handelsstandorten.

Klassisches Negativbeispiel für durch EDI-Applikationen auf kleinere Unternehmen ausgeübte Zwänge ist in Werzingers Sicht die Verfahrensweise in der Automobilindustrie, "wo der Hersteller aufgrund seiner Macht den Zulieferern sagt, entweder setzt du morgen unser System ein, oder du bist übermorgen unser Lieferant gewesen. Das ist keine Partnerschaft, und die Zulieferer haben auch schwer darunter gestöhnt!" Unternehmen wie Teleport - der Geschäftsführer erwartet weitere vergleichbare Anbieter - werden nach seiner Überzeugung auf lange Sicht gesehen keine Probleme haben, als Clearingcenter ihren Markt zu finden.

Auch in anderen Industrien, in denen die Beziehungen zwischen den Fertigwaren herstellenden Giganten und ihren Zulieferern nicht so repressiv organisiert sind wie im Automobilbereich, sieht Werzinger ein Kundenpotential. In der chemischen oder der Elektronikindustrie etwa gebe es Konzepte, die den Aufbau von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen vorsehen zwischen großen Konzernen und denjenigen 20 Prozent ihrer Partner, mit denen sie den Löwenanteil - angenommen 70 Prozent- ihres Kommunikationsaufkommens betreiben.

Die verbleibenden 30 Prozent der EDI-Aktivitäten spielen sich dann mit 80 Prozent der Zulieferer beziehungsweise Kunden ab, so der Teleport-Chef. Seine Empfehlung an die Akteure einer solchen heterogenen Szene mündet in einer hoffnungsvollen Perspektive für sein Unternehmen: "Da gehe ich doch lieber über einen Dienstleister!"

Die Infrastruktur der ersten Teleport-Generation muß, technisch betrachtet, einerseits

- Protokollkonvertierung, also die Verbindung unterschiedlicher Hardwarewelten, und andererseits

- Formatkonvertierung, also den wechselseitigen Zugriff auf Daten unterschiedlicher Applikationen ermöglichen. Rund 30 unterschiedliche Kombinationen von Übertragungsparametern will Teleport konvertieren können, ein nicht unproblematisches Vorhaben, wie sich kürzlich erwies:

Der ursprüngliche Auftragnehmer für die Realisierung des Systems zog sich zurück, weil nach Werzingers Darstellung das Unternehmen technisch überfordert gewesen sei. Der Projektleiter der Berliner Planungs- und Entwicklungsfirma dagegen spricht von einer Ausrichtung der Teleport-Betreiber an unrealistischen Vorstellungen, die in Kongreßzirkeln statt in konkreten Ergebnissen von Marktuntersuchungen wurzelten. Sein Kernargument: Ohne die grundsätzliche Bereitschaft der Kunden, ihre DV und ihre Organisation an den Erfordernissen von EDI-Standards auszurichten, sei ein Projekt wie Teleport wirtschaftlich nicht realisierbar. Den Kunden keinerlei Vorleistungen abzuverlangen, wie es Teleport vorhabe, bezeichnet der Projekt-Manager als einen nicht gangbaren Weg.

Zehn, vielleicht noch zwölf Übertragungsformate und -protokolle lägen im Bereich des Machbaren; für jede weitere Spezifikation, die man auf dem Stratus-Rechner habe lauffähig machen wollen, wäre der Aufwand jedoch exponentiell gestiegen, erläutert der Entwicklungschef. Solche Leistungen seines Unternehmens seien durch den vereinbarten Kontraktpreis nicht annähernd gedeckt gewesen. Entweder akzeptiere der Auftraggeber Einschnitte in den Leistungsumfang, oder er müsse von seinen Geldgebern Mittel nachfordern.

Zumindest ersteres wird Werzinger zufolge nicht notwendig sein. Der neue Kontraktnehmer, mit dem man sich bereits "zu 99 Prozent einig" sei, werde das vom Vorgängerunternehmen erstellte Pflichtenheft überarbeiten, um dann, da ist der Teleport-Chef sicher, die urprünglichen Vorgaben umzusetzen. Einen Zeitverzug von etwa einem halben Jahr gegenüber der ursprünglichen Planung müsse man jedoch infolge der Auseinandersetzung hinnehmen, so daß erst Mitte statt Anfang 1992 mit der Marktreife von Teleport zu rechnen sei. Ein Vertreter des neuen Vertragspartners der Duisburger war leider bis Redaktionsschluß nicht für eine Stellungnahme verfügbar.

In jedem Fall, ist Werzinger überzeugt, benötigen kleine und mittelgroße Unternehmen Unterstützung in Sachen EDI. Zwar gesteht er zu, daß mit den Fortschritten der Standardisierung der Bedarf an Dolmetschersystemen irgendwann tendenziell abnehmen wird, aber er setzt für Dienstleister wie Teleport auf zwei Tatsachen: daß nämlich erstens standardisierte Informationstechnik teuer und in der Anfangsphase der Implementation komplex ist, und zweitens darauf, daß durch das Just-in-time-Konzept und die resultierenden logistischen Anforderungen das absolute EDI-Aufkommen und deshalb auch der Bedarf an Datenkommunikations-Diensten, besonders von seiten des Mittelstandes, zunehmen wird.

Seine Überlegung: "Ein Großunternehmen mit einer entsprechend großen betrieblichen DV-Abteilung mag es sich ja noch erlauben können, mit allen Partnern kommunizieren zu können. Die anderen jedoch können sich das notwendige Know-how nicht immer leisten, und wenn doch, dann wäre es (die Implementation, Red.) nicht ausgelastet."

Karte oder Modem schaffen Kommunikation

Der finanzielle Aufwand für Teleport-Kunden hingegen wird sich in Grenzen halten, läuft alles wie geplant. Eine Einsteckkarte im PC oder ein Modem schaffen die Kommunikationsfähigkeit der Hardware, Kosten für eine entsprechende Software und ein Filetransfer-Protokoll fallen außerdem an. Diese Anschaffungen werden mit 2000 bis 3000 Mark zu Buche schlagen. Zusätzliche Kosten können allerdings entstehen, wenn das Warenwirtschafts- oder Logistikpaket des Kunden keine Schnittstelle zu einem der gängigen Übertragungsprotokolle enthält. In den meisten Fällen sind entsprechende Module verfügbar oder lassen sich mit vertretbarem Aufwand realisieren. Schlimmstenfalls jedoch, etwa bei sehr alten Anwendungen, gibt es keine Möglichkeit der Datenkommunikation; dann muß auf eine andere Software umgestellt werden.

Noch ist nicht klar, wie die Vertrags- und Gebührenpolitik von Teleport aussehen wird. Wahrscheinlich dürfte ein pauschaler Grundbetrag für den Anschluß plus nutzungsabhängiger Gebühren, gestaffelt nach den beanspruchten Diensten, fällig werden.

Eine Größenordnung der Beträge will Werzinger bisher nicht festlegen. Er betont jedoch, keinen Wert darauf zu legen, die Kunden langfristig an sich zu binden; die Verträge, verspricht er, werden so flexibel gestaltet sein, daß unzufriedene Nutzer aussteigen können.

Teleport benötigt nach eigener Kalkulation zirka 40 Kunden, um kostendeckend arbeiten zu können.

Der Etat sieht für einen Zeitraum von fünf Jahren, gerechnet ab Projektbeginn Mitte 1990, Investitionen des Eigners Hafen AG in Höhe von 15 Millionen Mark vor. Dann muß Werzinger die Gesellschaft über den Break-even-Point gehievt haben.