Zusätzliche Konvertierung macht Austausch von Handelsdaten kostspielig

EDI: Anwender streiten weiter um den einzig wahren Standard

31.08.1990

SAN FRANZISKO (CW) - Die Kluft zwischen den Edifact und ANSI-X.12-Jüngern scheint sich zu einem Glaubenskrieg auszuweiten. Jedenfalls brachte der "Zweite Internationale EDI-Anwenderkongreß" in San Franzisko keine Annäherung zwischen den Fronten.

Die Differenzen der beiden EDI-Lager drohen auf einen Machtkampf zwischen der Alten und der Neuen Welt hinauszulaufen. Grund: Auch auf dieser Tagung gelang es nicht, die Kontrahenten von der Philosophie des jeweils anderen De-facto-Standards zu überzeugen.

Die Folge wird sein, so die Aussage vieler Teilnehmer, daß zahlreiche amerikanische und europäische Anwender gezwungen sind, beide EDI-Welten zu unterstützen.

Sollte es in absehbarer Zeit zu keiner Einigung kommen, müssen X.12- oder Edifact-User in den sauren Apfel beißen und Konvertierungsprogramme kaufen, um mit Kunden oder Lieferanten jenseits des großen Teichs zu kommunizieren. Allein die Grundausstattung kostet zwischen 5000 und 45 000 Dollar pro Paket, die Extrakosten für zusätzliche EDI-Transaction-Sets noch nicht gerechnet. Bei diesen Summen, klagt ein Kongreßteilnehmer, werde EDI schnell zu einem teuren Vergnügen.

Nachdem keine Einigung in Sicht ist, geben sich viele Anwender fatalistisch: Sie wollen es dem Markt überlassen, welche der beiden EDI-Methoden sich als Industrie-Standard durchsetzen wird. Allerdings sehen nicht alle Anwender schwarz: "Standards sind zwar wichtig", meint Jerome Dreyer, Präsident der Electronic Data Interchange Association, "aber das wesentliche Ziel muß sein, EDI zu implementieren, gleich auf welchem Standard basierend."

Torrey Byles, Berater bei dem kalifornischen Marktforschungs-Unternehmen Input, schließt das Nebeneinander beider EDI-Philosophien nicht aus. Er glaubt, daß sich Edifact im internationalen Handel durchsetzt während Länder wie Australien, Kanada, Japan, Neuseeland und die USA für den innerstaatlichen Austausch von Handelsdaten weiterhin ANSI X.12 nutzen werden. Dies sei, so Byles, machbare wenn eben jene besagten Konvertierungsprogramme gefahren würden.

Für die Anwender sieht der Berater kaum Probleme, weil sie es ohnedies -gewohnt seien, innerhalb des ANSI-X.12-Standards mit verschiedenen Variationen zu arbeiten, zum Beispiel bei der Umwandlung von Rechnungen. Wer ANSI X.12 transformiere, meint Byles, der könne auch zwei EDl-Techniken handhaben.

Allerdings sieht der Marktforscher in der jüngsten Entscheidung der Automotive Industry Action Group zugunsten der amerikanischen Norm ein mögliches Hemmnis für die Ausbreitung von Edifact in den USA.

Eines jener Unternehmen, die im Amerika X.12 und international Edifact einsetzen, ist Ciba-Geigy. Der Pharma-Konzern sei sich derzeit aber noch nicht sicher so Ken Wainscott, Berater des Unternehmens, ob er die voneinander unabhängigen Systeme durch Konvertierungsprodukte verbinden soll.

Entscheidend für die EDI-Zukunft in den Unternehmen könnte tatsächlich sein, ob die jeweilige Mutter ihren Sitz in Europa oder Übersee hat. Die ICI Kanada, führt Teoman Oruc, Systemanalytiker des Bioprodukte-Herstellers aus, setz die Edifact-Syntax ein, weil der Firmensitz in Europa liegt. Oruc stellt sich allerdings die Frage, warum sich die User nicht auf einen Standard einigen. Seine Vermutung: "Durch das Übersetzen von Informationen bleibt so mancher Arbeitsplatz erhalten. Das ist aber nicht der richtige Weg, um EDI vorwärts zu bringen."