E-Procurement/Transaktionsvolumen steigt kräftig

E-Procurement: Wachstumsbastion der IT-Branche?

09.08.2002
Trotz IT-Krise boomt der Markt für Lösungen zur elektronischen Beschaffung. IDC-Untersuchungen zufolge wird das Transaktionsvolumen in Deutschland von 3,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf 194,2 Milliarden Euro im Jahr 2006 wachsen. Von Martin Haas*

Während prosperierende Unternehmen mit IT-Projekten schwerpunktmäßig ihre Marktanteile ausbauen, den Umsatz steigern und die Kundenbeziehungen verbessern wollen, sind sie in schwierigen Zeiten gezwungen, Ziele wie zum Beispiel Kosteneinsparungen, Verbesserung von Geschäftsprozessen und Effektivitätssteigerung in den Vordergrund zu stellen. Lösungen und Services rund um das E-Procurement, das, richtig betrieben, immer auch zu einer Verbesserung der internen Abläufe führt, weisen daher auch in Krisenzeiten gute Wachstumsraten auf.

Generell ist das E-Procurement ein Teilbereich des B-to-B-Internet-Commerce, also der Abwicklung von Geschäftstransaktionen zwischen Unternehmen über das Internet.

Wichtigste E-Commerce-Teildisziplin

Die Marktforscher von IDC unterscheiden dabei je nach dem Einfluss der an der Transaktion beteiligten Parteien drei Segmente:

"E-Distribution" ist die Variante des E-Commerce zwischen Unternehmen, in der der Verkäufer beziehungsweise eine Gruppe von Verkäufern den größten Einfluss auf die Form der Transaktionsabwicklung hat. Der Verkäufer (als Betreiber einer Verkaufslösung) gibt die Rahmenbedingungen einer Transaktion vor. Hierzu gehören beispielsweise die allgemeinen Geschäftsbedingungen, Zahlungsmöglichkeiten, Rabatte, Mindestabnahmemengen und nicht zuletzt die Definition der berechtigten Nutzergruppen.

"Elektronische Marktplätze" führen Käufer und Verkäufer gleichberechtigt auf einem virtuellen Marktplatz zusammen. "Private Exchanges" - also Marktplätze, die in der Regel von einer Käuferorganisation betrieben werden - berücksichtigen die Interessen von Käufer und Verkäufer nicht gleichberechtigt und zählen insofern nicht zu den "E-Marketplaces".

"E-Procurement" meint Transaktionen, die von einer oder mehreren Käuferorganisationen ausgehen. Hierzu zählen auch die Private Exchanges.

IDC erwartet für E-Procurement in den nächsten Jahren die größten Wachstumspotenziale im gesamten B-to-B-Internet-Handel. Dabei lassen sich verschiedene Entwicklungen und Trends beobachten. Zunächst einmal geht es bei E-Procurement weniger um die Nutzung des Internets als Vertriebskanal, sondern eher um die strategische Einbindung des Web in den gesamten Beschaffungsprozess des Unternehmens. Ein wesentlicher Vorteil für potenzielle Verkäufer oder Zulieferer besteht in der Tatsache, dass der Aufbau und der Betrieb einer E-Procurement-Lösung durch eine Käuferorganisation erfolgt. Dadurch haben Verkäuferorganisationen eine weitgehende Sicherheit, dass das Unternehmen auf diesem Weg tatsächlich Geld ausgeben möchte.

Allerdings existieren für eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung innerhalb einer E-Procurement-Lösung gewisse Voraussetzungen. Im Hinblick auf verschiedene Aspekte muss zumindest ein kleinster gemeinsamer Nenner erzielt werden. Hierzu gehört einerseits die erforderliche Infrastruktur. Sinnvoll sein kann es, wenn die Käuferorganisationen den Verkäufer mit der entsprechenden Technik ausstatten. Denn nur wenn eine kritische Masse an Verkäuferorganisationen eine E-Procurement-Lösung nutzt, kann die Beschaffung billiger werden. Andererseits müssen sich die an der Transaktion beteiligten Parteien vertrauen. Dazu kann man sich auf Verkäufer konzentrieren, zu denen bereits eine außerelektronische Geschäftsbeziehung besteht, oder sich auf Partner beschränken, die von einer unabhängigen Instanz zertifiziert worden sind. Schließlich sollten auch die Konditionen für die Abwicklung der Geschäftstransaktionen klar definiert sein.

Zahl E-Procurement-fähiger Zulieferer steigt

Über E-Procurement-Lösungen abgewickelte Geschäftstransaktionen weisen im Vergleich zu den anderen Segmenten des B-to-B-Internet-Handels das höchste Wachstum auf. Das Transaktionsvolumen betrug 2001 weltweit zirka 3,1 Milliarden Euro und dürfte bis 2006 auf über 194 Milliarden Euro steigen. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 128 Prozent.

Dieser Marktentwicklung liegen laut IDC mehrere Trends zugrunde: In den Anfängen wurde E-Commerce durch innovative Verkäuferorganisationen vorangetrieben, um das Internet als alternativen Vertriebskanal zu nutzen. Zukünftig werden aber verstärkt Käuferorganisationen die Entwicklung des E-Commerce bestimmen. Außerdem wird die Zahl der Zulieferer, die sich an E-Procurement-Systeme anbinden, in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Da der Käufer die Lösung aufbaut und betreibt, ist das für kleinere Zulieferer oft billiger als eine eigene E-Distribution-Lösung. Vor allem Unternehmen der Fertigungsbranche, die in der Regel Bestandteil von umfassenden Zulieferketten sind, können von E-Procurement profitieren. Auch in anderen Branchen wird eine erhöhte Akzeptanz von E-Commerce-Lösungen zu beobachten sein.

In wirtschaftlich angespannten Phasen legen Unternehmen gesteigerten Wert auf messbare Projektergebnisse. Dies ist auch bei E-Commerce-Vorhaben nicht anders. Für IT-Anbieter verlängern sich die Vertriebszyklen derartiger Lösungen, da die Anwenderunternehmen sich mehr Zeit für die Bewertung und Auswahl nehmen. Außerdem werden Projekte häufig in kleinere Teilvorhaben zerlegt, damit der Return on Investment besser kontrolliert und genauer analysiert werden kann.

Teilprojekte nur in einem Gesamtplan

Mit zunehmender Erfahrung werden Unternehmen mehr Produkte und von den einzelnen Produkten mehr Stück über E-Procurement kaufen. IT-Anbieter können also an entsprechenden Lösungen und Dienstleistungen gut verdienen. Den potenziellen Abnehmern werden sie allerdings Branchenkenntnis nachweisen und rasche Einarbeitung in die relevanten Geschäftsprozesse glaubwürdig versprechen müssen. Anwender sollten bei der Anbieterauswahl auf einschlägige Erfahrungen achten - und vorher selbst ihre Hausaufgaben machen: Schon zu Beginn des Projekts müssen sie wissen, welche ihrer Geschäftsprozesse betroffen sein werden. Eine Zerlegung in kleinere Teilprojekte kann sinnvoll sein, wenn sie auf einer abgeschlossenen Gesamtplanung beruht. (rg)

*Martin Haas ist Project Manager Consulting bei der IDC Central Europe GmbH.

Angeklickt

In den Anfängen wurde E-Commerce vor allem von Verkäuferorganisationen vorangetrieben. Künftig wird jedoch die Nachfrageseite das B-to-B-Geschäft bestimmen, zumal sich immer mehr Zulieferer an die E-Procurement-Systeme ihrer Kunden anbinden.