Widerspruch

E-Mail gegen Offenheit

06.12.1996

Offenheit bedeutet für mich kommunistische Gleichmacherei, schlechtes Design, kleinster gemeinsamer Nenner, kaum Innovation." Mit dieser E-Mail erschreckte ein Leser der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" die Redaktion, die sich wie die COMPUTERWOCHE immer für offene Systeme engagiert hat. Den Begriff "proprietär", so fuhr er fort, assoziiere er mit "freiem Markt, Wettbewerbsfähigkeit, guten Produkten, Innovation und Leistung". Paradoxerweise kam die Mail via Internet, einem Medium, das dem Leser - und Millionen anderen - durch seine ungewöhnliche Offenheit erst ermöglichte, mit seiner Fachzeitschrift auf einfache Weise schriftlich zu kommunizieren. Die "Computerworld" antwortete mit einer Liste von Beispielen, in der wie bei der PC-Architektur oder TCP/IP, gerade Offenheit den Markt gegen monopolistische Bestrebungen (hier etwa von IBM und Novell) geschützt und zudem Innovationen wie das Web gefördert hat.

Der Leser hat recht, wenn er bemängelt, daß Standardisierungsprozesse zäh sind und die Produkte einzelner Hersteller oft viel mehr zu bieten haben. Solange man sich aber nicht auf einen einzigen Anbieter verlassen will, braucht es Standards, um die Vielfalt zueinanderfinden zu lassen. Und: Ein Anbieter, der uns alles gibt, was wir wollen, ist auch mächtig genug, uns das alles wieder zu nehmen.