Learntec 2001 mit verdoppelter Ausstellungsfläche

E-Learning beflügelt die Phantasie der Branche

09.02.2001
Anfangs belächelt, inzwischen ein Erfolg: In diesem Jahr präsentierten auf der Bildungsmesse Learntec in Karlsruhe fast doppelt so viele Aussteller wie im letzten Jahr ihre Produkte und Dienstleistungen. Mit "E-Learning" könnten die Anbieter bald viel Geld verdienen. Von CW-Mitarbeiterin Ingrid Weidner

Die Fachmesse profitiert von den Wachstumsprognosen der Branche. Stolz präsentierten die Begründer Winfried Sommer und Uwe Beck, beide Professoren an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe und Spezialisten neuer Lernformen, die Erfolgszahlen der neunten Learntec. Waren es 2000 noch 143 Anbieter, wollten in diesem Jahr 227 Aussteller ihre Produkte und Dienstleistungen aus der Bildungs- und Informationstechnologie dem interessierten Publikum präsentieren.

Gegenüber dem Vorjahr verdoppelte sich die Ausstellungsfläche auf 5000 Quadratmeter. Die Kapazitäten in Karlsruhe stoßen damit an ihre Grenzen.

Aber solche Rahmenbedingungen hindern die Professoren nicht an weiteren Plänen. Die Veranstalter rechnen in diesem Jahr mit über 8000 Besuchern für die Fachmesse und den gleichzeitig stattfindenden Kongress. "Wir sehen uns als führenden Branchentreff in Mitteleuropa", so Sommer selbstbewusst. Die Anbieter teilen diese Ansicht, denn sie nutzen die Messe als Treffpunkt, um ihre neuen Produkte einem Fachpublikum zu präsentieren und endlich die prognostizierten Umsatzzahlen in unterschriebene Aufträge zu verwandeln.

Auch der internationalen Ausrichtung ist man in diesem Jahr einen Schritt näher gekommen; Neben den Teilnehmern aus 49 Staaten trat in diesem Jahr erstmals die Unesco (United Nations Educational, Scientifc and Cultural Organisation) als Kooperationspartner auf. In Workshops und einer Expertenkonferenz diskutierte die 30-köpfige Delegation der Weltorganisation über ausgewählte Fernunterrichtsprojekte und Kooperationen.

Besonders interessant für die Unesco-Vertreter sind die ersten Forschungsergebnisse zum "L3"-Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter der Leitung der SAP-Forschungseinrichtung CEC in Karlsruhe und einem Konsortium von rund 20 weiteren Firmen.

Steigende Besucherzahlen und größeres Interesse von Firmenseite zeigt, dass die Ängste und Vorbehalte gegenüber den elektronischen Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten abnehmen. Das verleiht der Branche neuen Elan und lässt auf wachsende Umsätze hoffen.

Die Marktforscher von IDC prognostizieren für den europäischen E-Learning-Markt ein jährliches Wachstum von 96 Prozent in den kommenden vier Jahren. 2000 gaben die Unternehmen in Europa zirka 320 Millionen Dollar für die elektronischen Lernmöglichkeiten aus. Bis 2004 sollen es bereits knapp vier Milliarden Dollar sein. Die IDC-Experten gliedern den Markt in drei Segmente: Technologie, Serviceangebote und Lerninhalte (Content) bilden die Säulen des E-Learning-Gesamtmarktes.

Das meiste lässt sich dabei mit den Inhalten verdienen. In diesem Jahr sollen es 409 Millionen Dollar sein, im kommenden Jahr bereits 737 Millionen. Die Marktforscher gehen davon aus, dass sich im Bereich Content die Umsatzchancen in den darauf folgenden Jahren nochmals verdoppeln. Viel versprechende Zuwachsraten bietet laut IDC auch der wachsende Bedarf an Serviceangeboten. In diesem Segment wachsen die Umsätze prozentual am schnellsten.

Ein Blick auf die Geschäftsmodelle der großen Content- und Technologieanbieter bestätigt die Prognosen. Viele Unternehmen versuchen, auf mehreren Gebieten ihre Dienstleistungen anzubieten. Ihr Serviceangebot reicht von der technischen Beratung über eine Hilfestellung bei der Kursauswahl bis zum Hosting auf dem eigenen Server. Das ASP-Modell (ASP = Application-Service-Providing) für das virtuelle Kursangebot sehen viele Anbieter als interessante Lösung für Großkunden und den Mittelstand. Für die Unternehmen liegen die Vorteile auf der Hand. Der Support im eigenen Haus entfällt, und die Kursbibliothek lässt sich schneller aktualisieren.

Gerade die Anbieter von Plattformlösungen scheinen die IDC-Studie bestens zu kennen. Sie wissen genau, dass sie zusätzliche Leistungen anbieten müssen, um ihre Entwicklungskosten wieder hereinzuholen. Da einige Anbieter auf finanziell wackligen Beinen stehen, nutzen sie die Messe, um nach Partnerschaften Ausschau zu halten. Gerade die zahlreich auf der Messe vertretenen Startups dürften es schwer haben, sich ohne großen finanziellen Rückhalt von Kapitalgebern am Markt zu halten. Namhafte Unternehmen erleichtern es den Nischenanbietern, einen Fuß in die Türen der weiterbildungswilligen Firmen zu bekommen.

Momentan bietet der E-Learning-Markt ein stark fragmentiertes Bild. Weitere Fusionen und Akquisitionen sind auch nach Ansicht der IDC-Experten wahrscheinlich. Die etablierten Unternehmen sehen sich deshalb ganz gelassen nach möglichen Neuakquisitionen um. "In der augenblicklich angespannten Situation ist es nicht schwierig, eine gute Idee günstig einzukaufen", berichten Insider in Karlsruhe. Ein internationales und breit gefächertes Kursangebot gehört zum erfolgversprechenden Zukunftskonzept.

Zu den neuen Serviceangeboten zählt neben dem technischen Support Unterstützung bei den Kursen durch Teletutoren. Die Frage, ob neue Lernformen das Präsenzseminar überflüssig machen, stand nicht mehr im Mittelpunkt. Vielmehr interessieren sich die weiterbildungswilligen Unternehmen dafür, wie das Selbstlernen attraktiver und effektiver für den Lernenden wird. Das Angebot reicht vom Support per Mail, Chat und virtuellen Klassenzimmern bis zur altbekannten telefonischen Hotline.

IT-Trainings gehörten als CBTs (computerbasiertes Training) und WBTs (Web-basiertes Training) zu den klassischen Kursangeboten. Die IDC-Forscher gehen davon aus, dass Kurse zu Softskills besonders stark wachsen (127 Prozent), während das traditionelle technische Training um 83 Prozent expandiert.

Momentan gibt es bei den Lernplattformen noch keine einheitlichen internationalen Standards. Allerdings rechnet IDC damit, dass sich nur einige wenige Marken am Markt etablieren können. Die Content-Anbieter müssen ihrerseits sicherstellen, dass ihre Produkte auf allen gängigen Systemen einsetzbar sind. "Bei den Plattformen reguliert der Markt das Angebot", war in Karlsruhe zu hören. Wichtiger sind dagegen Qualitätsstandards bei den Lerninhalten und der didaktischen Aufbereitung. Die Forschungsgruppe des "L3-Projekts" geht davon aus, dass die erarbeiteten Konzepte nach der Evaluierungsphase gute Chancen haben, sich zum Standard zu entwickeln.

Pilgerten in den letzten Jahren die Interessenten nach Karlsruhe, um sich zu informieren, rechneten die Anbieter in diesem Jahr mit vielen Geschäftsabschlüssen. "Die Technik ist da, die Unternehmen müssen sich endlich mit der Umsetzung auseinander setzen", rät Clemens Siegfanz vom Unternehmensbereich Knowledge-Management der SAP AG. Mit einem kleineren Pilotprojekt können Firmen wertvolle Erfahrungen sammeln, um dann die neuen Bildungskonzepte in größerem Stil einzusetzen. Das Hauptargument aus Unternehmersicht für den E-Learning-Einsatz war bisher immer die Kosten- und Zeitersparnis. In diesem Jahr stand ein anderes Argument im Mittelpunkt: "Human Capital". Hoch qualifizierte Mitarbeiter möchte jedes Unternehmen langfristig an sich binden. Umfassendes und permanent aktualisiertes Wissen gehört sowohl zum beruflichen Erfolg als auch zu einem attraktiven Arbeitsplatz. Gerade die flexiblen Lernmöglichkeiten bieten Unternehmen Chancen, den Wünschen der Mitarbeiter besser nachzukommen. Ob mit firmeneigenen Bildungsportalen oder individuell buchbaren Kursen versuchen immer mehr Betriebe, die eigene Attraktivität für die Mitarbeiter zu erhöhen.

Das Beratungshaus Accenture befragte Manager nach den größten Herausforderungen im kommenden Jahr. An erster Stelle steht der Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter.

Abb: In den nächsten Jahren soll E-Learning das Millionengeschäft werden, so IDC. Quelle: IDC