Interview

"E-Commerce lockt mit einer Billion Dollar"

18.06.1999
Mit Craig Barrett, CEO bei Intel Corp., sprach Jason Krause von der CW-Schwesterzeitschrift "Industry Standard"

CW: Warum hat sich Intel entschieden, den Sprung von der Hardware zur Software und zum E-Commerce zu wagen?

Barrett: Wenn Sie sich das E-Commerce-Geschäft heute ansehen, so ist die Bilanz noch relativ bescheiden. Bis zum Jahr 2002 sagen die Marktforscher jedoch ein Volumen von einer Billion Dollar voraus. Da hat es durchaus Sinn, sich auf verschiedene Weisen mit dem Thema zu beschäftigen. Wir haben Joint-venture-Vereinbarungen unter anderem mit der Firma SAP. Unsere gemeinsame Tochter Pandesic bietet E-Commerce Lösungen für die Back-end-Seite an. Außerdem kooperieren wir mit iCat, das eine Front-end-Lösung entwickelt hat.

CW: Welche Anstrengungen unternehmen Sie, um die Intel-CPUs im Internet-Business zu positionieren?

Barrett: Wir schneiden die Prozessoren ganz auf das Web zu. Als wir den Pentium III herausbrachten, gaben wir ihm 70 neue Befehle mit auf den Weg, die den Chip speziell für das Internet vorbereiteten. Damit können Multimedia-Daten wie zum Beispiel Audio- und Videodateien oder Grafikanwendungen beziehungsweise Animationen besser verarbeitet werden. Bei der Markteinführung des Chips gab es bereits 250 Applikationen und unzählige Internet-Seiten, die die Fähigkeiten des Pentium III ausnutzen konnten.

CW: Macht das Internet die CPU zur austauschbaren Alltagsware?

Barrett: Ich glaube nicht, daß sich der Prozessor in diese Richtung entwickelt. Es werden heute mehr PCs verkauft als TV-Geräte. Das bedeutet, daß der PC selbst zum alltäglichen Gegenstand wird. Aber das heißt nicht, daß es bei der CPU genauso ist. Anders als beim Fernsehgerät verdoppelt sich jedes Jahr die Leistung der Rechner. Und das ist auf den Prozessor zurückzuführen. Beim TV-Gerät bekommen Sie mit jedem neuen Modell das gleiche flimmernde Bild.

CW: Ist im Augenblick die Modemgeschwindigkeit nicht wichtiger ist als die Taktfrequenz eines Prozessors?

Barrett: Beides geht Hand in Hand. Wenn das Modem keine vernünftige Geschwindigkeit liefert, lautet die einzige Lösung Datenkomprimierung und -dekomprimierung. Das fordert Leistung vom Prozessor. Und auch wenn Sie einen Breitbandnetzzugang besitzen, wird die Datenflut aus dem Internet ständig mehr CPU-Leistung verlangen.

CW: Was können die Anwender von einer Zunahme der Breitbandzugänge zum Netz erwarten?

Barrett: Breitbandzugänge werden der Hauptmotor für E-Commerce sein. Die Kunden möchten die Ware sehen, fühlen und berühren. Außerdem sind echte Farben, Musik und größtmögliche Realität gefragt. Mit einem Breitbandzugang ins Netz können Bilder realistischer dargestellt und Produkte besser präsentiert werden. Es gibt wahrscheinlich 101 Dinge, die man noch zusätzlich machen kann: schönere Animationen, ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen der CPU-Leistung und der Datenmenge, die verarbeitet wird etc. Und am wichtigsten: Sie müssen nicht gelangweilt mit den Fingern auf dem Bildschirm herumtrommeln, während Sie darauf warten, daß etwas aus dem Netz heruntergeladen wird.

CW: Hat sich Intels Investitionsstrategie wegen des Internet geändert?

Barrett: Wir investieren in die Verbreitung des PCs. Die Weiterentwicklung des Internet ist eine Möglichkeit, die Leute dazu zu bringen, sich einen Computer zu kaufen.

CW: Wann werden Sie Ihr Web-Hosting-Angebot herausbringen?

Barrett: In der zweiten Jahreshälfte. Wir bauen zur Zeit zwei Testanlagen in Folsom und Santa Clara. Eine ist bereits fertig, und wir sind gerade dabei, Kunden zu akquirieren.

CW: Ist es nicht verdächtig, daß sich Intel in das Web-Hosting-Geschäft stürzt? Wird das Ganze nicht ein großes Testgelände für Intel-Hardware?

Barrett: Das Web-Hosting wird sich zu einem eigenständigen Geschäftsbereich entwickeln. Dabei zählen Server- und Netzwissen. Und von beidem verstehen wir etwas. Das Wachstum des Internet bedeutet eine Explosion der Datenflut. Und diese Daten müssen irgendwo untergebracht werden. Ich denke, wir haben gute Chancen, uns einen Teil von diesem Geschäft zu sichern.

CW: Wie groß schätzen Sie den Web-Hosting-Markt ein?

Barrett: Analysten glauben, daß der Markt in den nächsten Jahren ein Volumen von zehn Milliarden Dollar erreichen wird. Wenn das der Fall ist, werden wir froh sein, wenn wir einen kleinen Teil davon abbekommen.