Durch falsche "Denkschablone" kann Autonomie scheitern:

DV-Zentrale als Know-how-Pool im Kommen

20.06.1986

OELSBERG - In der kommunalen Datenverarbeitung geht es nicht um die ständig zur Diskussion stehende Frage nach Zentralität oder Autonomie. Vor dem Hintergrund der Realität, die für Stadtdirektor Elmar Reuter aus Olsberg im Hochsauerlandkreis aus einem Nebeneinander von leistungsfähigen und mittelmäßigen DV-Zentralen besteht, versucht der Autor des folgenden Beitrags, den Anwendern Tips für eine ausgewogene Computernutzung zu geben.

Als die ersten Mikroprozessoren Anfang der 70er Jahre am Markt auftauchten, da fanden sie unter den EDV-Fachleuten nur wenig Beachtung. Für die Experten in den Rechenzentren der gewerblichen Wirtschaft oder in den kommunalen Datenzentralen war es nicht vorstellbar, daß diese Entwicklung schon ein Jahrzehnt später ihren Vorständen und Geschäftsführern Existenzängste bereiten würden. Gerade in den letzten fünf Jahren müssen sich zunehmend kommunale Gebietsrechenzentren und deren. Mitglieder mit Autonomiebestrebungen auseinandersetzen.

War es zunächst der allgemeine Preisverfall bei der Hardware und das sich ständig verändernde Preis-Leistungs-Verhältnis, so ist in jüngster Zeit die "Schnelligkeit" von Mikros mit ursächlich für die Autonomiebestrebungen. Der Trend zur Dezentralisierung erreicht die Organisatoren in den Kommunalverwaltungen über verschiedene gewerbliche Maßnahmen einer ganzen Palette von Herstellern. Gleichzeitig bringen diese Überlegungen aber auch die Computerfreaks durch ihre Art der Freizeitgestaltung oder aus der Auseinandersetzung mit der Technik in den Schulen mit in die Kommunalverwaltungen. Eines sei gleich vorweg gesagt: Wer diesen enthusiastischen Befürwortern einer autonomen Datenverarbeitung auf den Leim geht, der ist vor Überraschungen nicht sicher. Nicht ohne Grund erscheint im Bericht Nr. 17/1985 der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) in Köln der Hinweis: "Lassen Sie sich nicht mit Angeboten aus Ihrer gemeinsamen kommunalen Datenverarbeitung locken, wenn die Folgekosten nicht absehbar sind. Das wird für Sie auf die Dauer um so teurer, je weniger Sachverstand in Ihrem eigenen Hause vorhanden ist".

Etwa 25 Jahre alt ist nun die kommunale EDV in der Bundesrepublik. Als Anfang der 60er Jahre in allen Bundesländern kommunale Datenverarbeitungszentralen gebildet wurden, so war das durchaus sinnvoll im Hinblick auf die damalige Situation. Da waren zunächst die sehr hohen Hardwarekosten. Für die Erledigung der Aufgabe brauchte man Datenverarbeitungsspezialisten, die in die Stellenpläne und Personalhaushalte der einzelnen Körperschaften nur schwierig oder gar nicht eingegliedert werden konnten. Es bestand ein sehr hoher Entwicklungsbedarf von DV-gestützten Lösungen, die so in interkommunaler Kooperation entwickelt werden konnten.

Viele Datenzentralen haben Anfang der 70er Jahre gemäß der technischen Entwicklung neue organisatorische Veränderungen im Verhältnis zu ihren Anwendern eingeführt, indem sie einzelne Phasen der Groß-DV dezentralisiert haben. 1979 hatte die KGSt bereits empfohlen, die gemeinsame kommunale Datenverarbeitung (GKD) zu einem gemischten DV-Konzept hin zu entwickeln. Mischen sollten sich hierbei die Betriebstechniken mit den Verfahrenstypen, wobei sie die Modelle zehn bis dreizehn in dezentral-autonomer Datenverarbeitung als eine Spielart gemeinsamer kommunaler Datenverarbeitung bezeichnet: technisch autonom, DV-organisatorisch eingebunden.

Kleinere Gemeinden müssen mündig werden

Dieser Empfehlung und der technischen Entwicklung sind nicht alle örtlichen Datenverarbeitungszentralen und auch nicht alle Gebietsrechenzentren in der gemeinsamen kommunalen Datenverarbeitung gefolgt. So haben wir heute die Situation, daß im interkommunalen Vergleich hochentwickelte und leistungsfähige Zentralen vorhanden sind, denen auf der anderen Seite weniger leistungsfähige Zentralen gegenüberstehen, deren Service im Verhältnis zu ihren Anwendern zu wünschen übrig läßt. Die Gründe für diesen Zustand können unterschiedlicher Natur sein. Es mag am Personal in der Zentrale liegen, auch die finanzielle Ausstattung der Zentrale spiegelt sich im Leistungsbild wieder. Aber auch die Anforderungen durch die Mitglieder und Anwender in einer Zentrale prägen das Leistungsbild.

Es versteht sich von selbst, daß in solchen Zentralen Autonomiebestrebungen stärker ausgeprägt sind als in leistungsfähigen, anwenderorientierten Zentralen.

Wer aus einer solchen leistungsfähigen Zentrale aussteigen will, der muß einiges bedenken: Die Frage, die zunächst auf der Hand liegt, ist die nach dem notwendigen Fachpersonal. Die Finanzmittel, die bereitzustellen sind, erfordern zumindest für eine Übergangszeit doppelte Aufwendungen für den Betrieb mit der Zentrale und den Aufbau des eigenen Konzeptes. Es muß auch dringend bedacht werden, wie sich das Ausscheiden auf den Bestand des Rechenzentrums, daß heißt auf die Solidargemeinschaft der Mitgliedsgemeinden in der GKD auswirkt. Leistungs- und Kostenvergleiche sind auf diesem Gebiet nicht ohne gründliche und systematische Arbeit herzustellen. Wer daran interessiert ist, der möge sich mit den Erfahrungen der Stadt Unna auseinandersetzen, die bei der Realisierung ihres Projektes "Bürgeramt" im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens gemacht wurden.

Man sollte aber davon ausgehen, daß auf dem Weg in die technikunterstützte Informationsverarbeitung mit ihrem ganzheitlichen Ansatz und ihrer Fähigkeit zur umfassenden technischen Integration auf die interkommunale Zusammenarbeit nicht verzichtet werden kann. Eine Zusammenarbeit in irgendeiner Form ist zu befürworten, sei es als herstellerbezogener Softwareverbund oder eben als Anwendergemeinschaft, die ein Gebietsrechenzentrum unterhält, das sich als Organisations-, Beratungs- und Softwareverbund versteht. Entsprechend lauten auch die KGSt-Forderungen.

Die Mitgliedskommunen in einem solchen Verbund müssen sich bewußt sein, daß sie die Zentrale steuern, den Bedarf formulieren und Entscheidungen treffen müssen. Allerdings: Wer Entscheidungen treffen will, muß mündig sein. So ist die wichtigste Aufgabe eine umfassende und alle Funktionsebenen abdeckende Fortbildung für die neuen Aufgaben. Das darf nicht nur eine Frage der Größenklasse der Gemeinden sein. Auch die kleineren und mittleren Gemeinden müssen bereit und in der Lage sein, eine Anwendergemeinschaft und ihre Zentrale mitzugestalten.

So ist es auch möglich, vor dem Hintergrund einer einheitlichen Systemarchitektur und einer bestimmten Netzstruktur die Vorteile der modernen Bürokommunikation zu nutzen, wobei gleichzeitig auch individuelle autonome Lösungen nach unterschiedlichen Anforderungen möglich sind. Der Zentrale obliegt dann die zentrale Beratung und die Koordinierung der von den Anwendern eingesetzten Werkzeuge. Gerade unter dem Aspekt des Datenschutzes und der Datensicherheit brauchen wir für die individuelle Datenverarbeitung, die wohl zur Zeit nur neben die weiterhin benötigte Groß-ADV vertritt, eine gesteuerte und kontrollierte Einführung der entsprechenden Anwendungen. So gesehen müssen sich die Zentralen im Verhältnis zu ihren Anwendern wieder einmal in Aufbau und Organisation verändern. Das scheint für eine Großzahl der bundesdeutschen Gemeinden der richtige Weg zu sein. Manche Zentrale ist auch zu diesem Weg bereit nach dem Motto: "So wenig Zentralisation wie nötig, so viel Dezentralisation wie möglich!"

Beim Weg in die Autonomie stellt sich die Frage, ob man sich nicht in neue Abhängigkeiten begibt. Mir gefällt die Aussage meines Kollegen Dr. Petri, Stadt Achim, vom Oktober 1985 anläßlich eines Workshops in Braunschweig: "Wir brauchen die Datenzentralen in der nächsten Zukunft als unabhängige "Know-how-Pools" der öffentlichen Verwaltung".