Als Flaschenhals der neuen Techniken erweist sich immer noch die mangelnde Manpower:

DV-Spezialisten müssen umdenken lernen

07.01.1983

MÜNCHEN - Die neuen Informations- und Kommunikationstechniken krempeln die traditionellen Rollen In der Datenverarbeitung um. Als Flaschenhals der Entwicklung erweist sich dabei das Angebot an DV-Spezialisten und -Fachkräften: Sie werden Immer noch als Mangelware gehandelt. Andererseits Ist aber erst wenigen klar, daß sich auch bei den Berufsbildern ein allmählicher Wandel vollzieht. Gesucht werden künftig überwiegend Mitarbeiter sein; die aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage sind, komplexe Zusammenhänge zu erkennen und ihre Erkenntnisse dann auch anzuwenden.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt spitzt sich, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg feststellt, beängstigend zu: Gegenwärtig sind in der Bundesrepublik mehr als zwei Millionen Menschen arbeitslos. Dies ist die höchste Zahl seit 27 Jahren und ein Ende der Talfahrt sei nicht in Sicht.

Lange Zeit war von dieser Entwicklung der Arbeitsmarkt für DV-Fachkräfte ausgenommen. In der Regel wurden vielmehr zumeist händeringend Computerspezialisten gesucht, die sich ihren Arbeitsplatz aussuchen konnten. Doch auf dem Markt für Fach- unf Führungskräfte in der Datenverarbeitung zeichnet sich wie Wolfgang Reiser, Personalberater der PA Management Consultations betont, eine Tendenzwende ab: "Die Anzahl der Bewerbungen auf eine Stellenanzeige ist in letzter Zeit stark gestiegen" Zudem zeige eine Analyse von den in Zeitungen ausgeschriebenen Stellenangeboten einen ständigen Rückgang der Stellen seit dem ersten Quartal 1980. Dabei liegen die bislang in diesem Jahr für EDV-Fach- und Führungskräfte ausgeschriebenen Stellenangebote sogar erheblich unter den entsprechenden Vergleichszahlen der vergangenen fünf Jahre.

Tendenzwende auf dem DV-Arbeitsmarkt

Die geänderte Situation auf dem Arbeitsmarkt wird Reiser zufolge insbesondere bei Nachwuchskräften im Bereich Programmierung und Systemanalyse deutlich. Nachdem viele Anwender jahrelang vergeblich versucht hätten, ihre Programmierabteilung auszubauen, bewerben sich heute bis zu 200 Interessenten auf ein derartiges Angebot. Wo früher oftmals einzig Absolventen von DV-Fachinstituten zu haben waren, stellen sich jetzt auch zunehmend Mathematiker, Informatiker oder Betriebswirte und Physiker vor.

Daß Programmierer in der einfachsten Grundausbildung künftig deshalb nicht mehr viele Chancen haben werden, davon ist Dr. Ralf Tschmarke von der Hamburger Unternehmens- und Personalberatung Handesdienst GmbH überzeugt. Denn hervorgerufen durch die zunehmende Einbeziehung neuer Informations- und Kommunikationstechniken in die traditionellen Bereiche der Datenverarbeitung, Textverarbeitung und Fernmeldetechnik, herrscht jetzt vielmehr ein großer Mangel an qualifizierten Leuten der neuen Prägung: Informations-Organisatoren und Informations-Analytiker sind die gefragten Kräfte und auch der Bedarf an "Software-Methodikern" könne zur Zeit nicht gedeckt werden. Denn nur sie sind laut Tschmarke aufgrund ihrer Erfahrungen mit den bestehenden Standard-Programmen in der Lage, diese an die speziellen Bedürfnisse eines Unternehmens anpassen zu können.

Bei den Großunternehmen zeichnet sich, so unterstreicht der Handelsdienst-Berater, ein wachsender Bedarf an Network-Controllern ab, die verantwortlich zeichnen für Leistungsnetzauslegung und Kommunikation mehrerer Systeme. Ferner werden Spezialisten für den Technical Support gesucht, die für Auswahl, Kontrolle und Anpassung einzelner Hardwarekomponenten im Gesamtsystem zu sorgen haben.

Bislang tauchen solche Spitzenspezialisten jedoch nur sehr vereinzelt auf und so funktionieren, wie DV-Anwender klagen, LAN-Konzepte, Büroautomation und spezielle Softwareanwendungen erst in der Theorie problemlos. In der Praxis sieht es bislang jedenfalls noch anders aus: Da haben Netzwerk-Worker mit Flops zu kämpfen, das Büro der Zukunft laßt auf sich warten und in den Rechenzentren ärgern sich User mit nicht laufenden Spezial- und Standard-Programmen herum.

Zeichen der Zeit erkennen

Aber auch in Struktur und Organisation der DV-Abteilungen zeichnet sich ein Wandel ab: Hier müssen die DVer lernen umzudenken. Denn die computerisierte Textverarbeitung, die Kommunikationsmöglichkeiten des Büros der Zukunft und der allgegenwärtige Zugang über Bildschirmterminal und Personal Computer erfordert eine andere Einstellung zur Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen. Irgendwann löst, wie ein Artikel der Financial Times versichert, fast jedes Unternehmen dieses Generations-, Personal-, Management- und Technologieproblem entweder durch personelle Veränderung oder die Einordnung der alten EDV-Abteilung in eine übergeordnete Stelle. Diese trägt dann die Verantwortung für das, was jetzt häufig als Systemmanagement bezeichnet wird.

Als Beispiel führt die Zeitung den englischen Autokonzern British Leyland (BL) an, der seine Entscheidung getroffen hat: Hier wurde die DV-Abteilung in ein eigenes Unternehmen umgewandelt, das in Konkurrenz mit anderen Anbietern antreten und Gewinn machen muß.

Dazu wurde das Rechenzentrum verselbständigt und nimmt jetzt auch Fremdaufträge an. BL Systems sei aber noch mehr. Es ist ein Hardware-, Software- und Beratungsanbieter der nach innen und außen seine Aufgaben verkaufen muß, und zwar auf dem ganzen Gebiet der technologischen Systeme für die Zukunft im Büro und Betrieb.

Trotz dieses allgemeinen Wandels im Anforderungsprofil und im Bedarf an DV-Nachwuchs und -Profis erscheint, so sind sich die Arbeitsmarkt-Experten einig, ein genereller Rückgang des Bedarfs an DV-Fachkräften insgesamt unwahrscheinlich. So stellt Dr. Werner Dostal vom IAB fest, daß im Grunde die DV noch m den Kinderschuhen steckt. Ihre eigentlichen Möglichkeiten seien noch gar nicht erkannt. Zudem sei sie die Grundvoraussetzung der erwarteten "Kommunikationsgesellschaft" der Zukunft. Insbesondere der Übergang von der Neuerstellung von Programmen zur Instandhaltung, Wartung, Änderung und Anpassung von vorhandenen Programmsystemen werde den Personalbedarf auf lange Sicht stützen.

Berufsbezeichnungen im DV-Bereich

Leitung des EDV-Gesamtbereichs

Organisation/Systemanalyse

Systemanalyse

Systemanalyse/Programmierung

Systemprogrammierung

Anwendung und Anpassung von Standard-Software

Anwendungsprogrammierung

Rechenzentrum/Operating

EDV-Vertrieb

Hardware-Wartung

EDV-Ausbildung

Datenschutzbeauftragte