DV-Probleme nicht gegen, sondern mit dem Betriebsrat lösen

11.09.1981

Zwei Interessengruppen, so scheint es, gehen auf Konfrontationskurs: Die fortschrittsorientierte DV-Abteilung "gegen" den Betriebsrat. Auf der einen Seite steht die Einführung von neuen Technologien im Vordergrund, auf der anderen Seite die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Verstärkt werden die Spannungen häufig noch durch mangelhafte Kenntnisse der Betriebsratsmitglieder über die Möglichkeiten der DV am Arbeitsplatz sowie durch die Überheblichkeit der DV-Leute, sich nicht "reinreden" zu lassen. Hans Georg Sontheimer, ist überzeugt, daß alle Beteiligten erst einmal eine gemeinsame Sprache lernen müssen. Damit der Konflikt im Ansatz bekämpft werden kann, so Bernd Gatter, sei es zwingend notwendig, den Betriebsrat schon in der Anfangsphase eines DV-Projektes mit einzubeziehen.

Bernd Gatter DV-Leiter, Bastei-Verlag, Bergisch-Gladbach (Honeywell 64/40, 64 DPS, GCOS)

Es sei unterstellt, daß dem Bertriebsrat - konfrontiert mit der doch fortschrittsorientierten Tätigkeit einer Datenverarbeitungsabteilung (Einführung und Einsatz neuer Technologien, Verfahrenstechniken) - eine eher konservative, also bewahrende Aufgabe zuteil wird.

Begleiterscheinung eines Einsatzes von Datenverarbeitungssystemen sind in der Regel Abschaffung oder Änderung von Arbeitsplätzen, Arbeitsmitteln und/oder Arbeitsmethoden und -abläufen: Der Erfassungsbeleg ersetzt den Schmierzettel, die altvertraute Kundenkartei befindet sich auf eine suspekten Magnetplattenstapel, statt Schreibmaschine Textverarbeitungsterminal. Die DV-Entwicklung macht schließlich vor nichts und niemandem halt.

Im krassen Gegensatz hierzu steht der Wunsch, Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten, und zwar in der Form, daß die Mitarbeiter auf diesen Positionen auch weiterhin ihre Arbeit quantitativ und qualitativ bewältigen.

Aus diesen konträren Aspekten ergeben sich zwangsläufig Gründe genug für mehr oder weniger schwerwiegende Konfliktsituationen in der Zusammenarbeit zwischen DV-Leitung und Betriebsrat.

Wo aber sind die eigentlichen Ursachen für Schwierigkeiten in der Kooperation zu suchen, wenn die beiden "Kontrahenten" sich mit dem Argument "Verbesserung von Arbeitsplätzen, -mitteln, -methoden und -bedingungen" nicht einigen könnten und mußten? Einerseits neigen die Betriebsratsmitglieder wegen fehlender oder mangelhafter Information über Möglichkeiten der DV am Arbeitsplatz leicht zur Fehleinschätzung der Konsequenzen und somit zur Ablehnung. Andererseits sind DV-Spezialisten nicht immer bereit, die Qualität ihrer Arbeit - wie Benutzerfreundlichkeit und Benutzerkomfort - in Frage zu stellen oder durch andere anzweifeln zu lassen, womit die Effektivität des DV-Einsatzes fraglich wird.

Das Ergebnis dieser Einstellungen zeigt sich dann in Kommunikations- und Kooperationsstörungen, die letztlich nicht nur die Implementierung von DV-Systemen erschweren, sondern auch das Betriebsklima erheblich beeinträchtigen.

Aus der Konfrontation der DV-Abteilung mit ihren Vorhaben und der übrigen Belegschaft, in der Regel vertreten durch den Betriebsrat, ergibt sich für den DV-Leiter eine Vermittlerfunktion. Um "das Übel bei der Wurzel zu packen", nämlich die Ursachen für Konflikte zwischen DV-Abteilung und Betriebsrat im Ansatz zu bekämpfen, gibt es folgende Lösungsmöglichkeit:

Zum einen müssen sich die DV-Mitarbeiter, vornehmlich in den Bereichen Organisation und Programmierung, aber auch in der Arbeitsvorbereitung und Terminplanung als "dienstleistende" Mitarbeiter verstehen, die ihre Aufgabe in der Unterstützung und nicht in der Vereinnahmung der Arbeit einzelner Fachbereiche sehen. Nicht der Sachbearbeiter ist Zuträger für DV-Systeme, sondern der DV-Einsatz ist Hilfestellung für den Sachbearbeiter. Nicht nur der Mitarbeiter muß sich der EDV anpassen, sondern diese sollte sich auch an zum großen Teil bestehenden Prozessen und Situationen orientieren - auch wenn es manchmal zu kostenaufwendigeren Individuallösungen führt.

Außerdem sollte der Betriebsrat schon in der Phase der Voruntersuchung mit den Überlegungen eines DV-Einsatzes konfrontiert werden, um vornehmlich zu Fragen der Rationalisierung von Arbeitsabläufen und der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen Stellung nehmen zu können. Durch diese Einbeziehung ergibt sich eine Entschärfung der Konflikte, die unter Umständen zu einer nicht mehr kontrollierbaren Verhärtung der Fronten führen könnten. Wichtig ist auch: Pro und kontra des DV-Einsatzes werden nicht durch Unternehmensleitung und DV-Leitung einseitig erwogen, sondern auch durch die betroffene Belegschaft, entweder vertreten durch den Betriebsrat oder in direkter Auseinandersetzung.

Hans Georg Sontheimer DV-Leiter, Magirus-Deutz AG, Werk Ulm (IBM 4341, Honeywell DPS 1)

In der Vergangenheit hat die Organisation und Datenverarbeitung oft Soft- und Hardware unter den Prämissen Rationalisierung, Zeit- und Kostenersparnis installiert, ohne Personalabteilung und Betriebsrat in der Designphase zu informieren. Da elementare DV-Ablauffunktionen weder Mitarbeitern noch Betriebsrat bekannt waren, ergaben sich zwangsläufig Spannungen zwischen DV und Mitarbeitern, die durch die Betriebsräte repräsentiert wurden. Besonders häufig traten solche Schwierigkeiten nach Installation von Online-Systemen auf. So kommt die Kommunikation langsam in Gang.

Bei der Planung und Installation von Projekten, die Mitarbeiter im Unternehmen direkt betreffen (Online-, Zeiterfassungs-Systeme, Lohn- und Gehaltsprogramme), ist es daher unbedingt erforderlich, Betriebsrat und Personalabteilung in den Auswahl- und Designprozeß mit zu integrieren. Damit ist einerseits gewährleistet, daß wichtige Forderungen der Mitarbeiter-Vertreter rechtzeitig in das Projekt mit aufgenommen werden, andererseits daß bei Einführung in den verschiedenen Fachbereichen der Widerstand gegen neue Abläufe weitgehendst abgebaut ist. Bei Online-System-Installationen werden gleichzeitig die ergonomisch richtigen Umweltbedingungen festgelegt.

Dazu muß ein laufender Informations- und Erfahrungsaustausch stattfinden, der zu Beginn für beide Seiten recht mühsam anläuft, da alle daran Beteiligten lernen müssen, eine "gemeinsame Sprache" zu sprechen. Es ist notwendig, den Betriebsräten Basis Schulungen auf dem DV- und Organisationssektor zu vermitteln als Grundlage zum gegenseitigen Verstehen. Dann sind kompetente Mitarbeiter-Vertreter in die Projekte integriert, die kooperativ und kompromißbereit an der Gestaltung neuer Systeme mitwirken. Das Ergebnis ist dann nicht nur ein anwenderreifes System, sondern meist gleichzeitig eine Betriebsvereinbarung, die emotionale Einführungsschwierigkeiten auf ein akzeptables Minimum reduziert.

Ich glaube es ist unbedingt erforderlich, bei allen Projekten eine Kommunikation zwischen Betriebsrat, Personalabteilung und DV aufzubauen, die geplanten Systeme transparent darzustellen und erforderliche Modifikationen bereits in der Planungsphase mit aufzunehmen. Der dadurch kurzfristig verursachte Mehraufwand zahlt sich bei der Realisierung auf jeden Fall aus. Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und DV-Abteilung hat somit eine vertrauensvolle Basis, aus der beide Seiten die anfallenden Probleme wesentlich leichter lösen.

Wolfgang Koppmeyer Hauptabteilungsleiter Org./DV Schubert & Salzer, Ingolstadt

(IBM 370/158, DOS/VSE)

Das Betriebsverfassungsgesetz gibt dem Betriebsrat die Basis für ein breites Mitspracherecht. Der Betriebsrat in unserem Hause nutzt unter anderem die Mitbestimmung bei der Arbeitsplatzgestaltung und Funktionsverteilung sowie bei Personalversetzungen, -einstellung und Kündigung sehr stark. Deshalb diskutieren wir vor Projektbeginn die organisatorischen und personellen Maßnahmen mit dem Betriebsrat. Mindestens einmal im Jahr wird der Organisationsleiter zu einer Gesamtbetriebsratssitzung eingeladen, in der alle anstehenden Projekte diskutiert werden. Es geht zum großen Teil um das Problem der Personalreduzierung durch die Organisationsarbeit und um Bildschirmarbeitsplätze.

Der geregelte Informationsaustausch bewahrt uns weitgehend vor Konfrontationen mit dem Betriebsrat. Das Arbeitsklima zwischen Betriebsrat und DV-Leiter ist als gut bis ausgezeichnet zu bezeichnen - von meinem Standpunkt aus betrachtet.

Sicherlich werden nicht alle Organisationsplanungen vom Betriebsrat akzeptiert, denn der Mitarbeiter in der Fachabteilung bedrängt den Betriebsrat. Im Vordergrund stehen hierbei nicht fachliche oder sachliche Probleme, sondern subjektive Ängste. Eine Umorganisation bedeutet schließlich für den Mitarbeiter neue Arbeitsverteilung, Arbeitsabläufe, Zuständigkeiten, neues Statusgefüge, neuer Arbeitsstil und neue Vorgesetzte.

Damit ändert sich für ihn das Bekannte und Vertraute. Der Mitarbeiter der Fachabteilung kennt den jetzigen Ablauf, der zukünftige dagegen bereitet ihm Angst.

Ist die Zusammenarbeit schlecht, so muß auch zwangsläufig das Verhältnis Betriebsrat DV-Leiter schlecht sein.

Konflikte könnten entstehen, wenn der Organisationsleiter das Lohnerfassungsproblem anfaßt. Hier hatten wir die längste und breiteste Diskussion. Beim Arbeitsgangende oder Schichtende lassen wir von Werkstattschreiberinnen am Bildschirm den Arbeitsgang erfassen. Dabei melden wir den Arbeitsgang in der Werkstattbestandsdatei zurück, stellen den Lohnbeleg für die Lohnabrechnung her und bewerten den Arbeitsgang für die Kostenrechnung. Es werden also keine zwei Belege für das sogenannte "Vorderwasser" erstellt. Diese Lösung des Problems ist fast einmalig in der ganzen Maschinenbaubranche.