Unbestrittene Spitzenposition der USA in Forschung und Entwicklung:

DV-lndustrie spart nicht am Fortschritt

17.12.1982

In der technologischen Forschung und Entwicklung halten die Amerikaner nach wie vor ihre unbestrittene Führungsposition. Als "Highflyer" gelten die US-Konstrukteure vor allem in den Bereichen Halbleiter-, Computer- und Laserentwicklung. Auch hier ist IBM Spitzenreiter. Die von "Big Blue" im Jahre 1981 aufgewendete Summe von 29 Milliarden Dollar entspricht dem Betrag, den alle Mitbewerber im gleichen Jahr insgesamt für Forschung und Entwicklung ausgegeben haben*.

Trotz großer Fortschritte der Japaner erhalten die Vereinigten Staaten ihren Führungsanspruch in der technologisch orientierten Forschung und Entwicklung immer noch aufrecht. Der kürzliche "Japscam"-Skandal, bei dem das Federal Bureau of Investigation (FBI) die Hitachi Ltd. und die Mitsubishi Electric Corp. beim Versuch der unerlaubten Beschaffung von Informationen über IBM-Rechner erwischt hat, unterstreicht nur die Bedeutung, die der Rest der Welt dem amerikanischen Technologievorsprung beimißt.

Ein großer Teil der Grundlagenforschung, auf deren Ergebnissen die Computerindustrie aufbaut, kommt aus den berühmten Bell Laboratories, der Forschungs- und Entwicklungsorganisation der AT&T, die kürzlich grünes Licht für die Aufnahme des Wettbewerbs mit der herkömmlichen Computerindustrie erhielt. Befürchtungen wurden laut, daß sich die Bell Labs mehr als bisher auf die Produktentwicklung konzentrieren werden, was dem Land als ganzem eine überragende Grundlagenforschung entziehen könnte. Immerhin gaben sie 1982 dafür 275 Millionen Dollar aus, was mehr ist, als die übrige amerikanische Industrie insgesamt dafür aufwendet. Diese Grundlagenforschung ist es, die mit einem Anteil von nur etwa 10 Prozent des gesamten Jahresbudgets der Bell Labs, den Ruhm des Unternehmens begründet hat. Kein Wunder, daß die beeindruckten Japaner sie "Amerikas nationalen Schatz" nennen.

Seit dem Antitrust Consent Decree von 1956 war die AT&T gezwungen, Lizenzen von Bell-Patenten an andere Unternehmen im In- und Ausland zu vergeben. Als Mitbewerber, der sich anschickt, auf den Weltmärkten aktiv zu werden, dürfte AT&T seine Lizenzvergabe straffen. Die japanischen, aber auch andere ausländische Unternehmen werden dann die Leidtragenden sein, die sich bereits viel von den zukünftigen amerikanischen High-Technology-Märkten versprochen hatten.

Politischer Ruck nach rechts

Vorkommnisse dieser Art sind auch Zeichen der Zeit. Es gingen unlängst Umschichtungen in der amerikanischen Außenpolitik vor sich, die im Rücktritt des Außenministers Haig ihren Gipfel erreichten. Die Kräfte, die sich seitdem durchsetzen, haben ihren Standort rechts von der Mitte.

Diese Umschichtungen resultieren aus der sich verschlechternden Wirtschaftslage, der eskalierenden Spannungen zwischen Ost und West und den Bestrebungen, die Inlandsmärkte und die für die Verteidigung wichtigen Technologien nach außen abzuschotten.

Ausländische Investoren sind nach wie vor willkommen, wenn sie sich in Amerika an High-Technology-Ventures und -Unternehmen beteiligen wollen. Die Zeiten einer automatischen Lizenznahme und des uneingeschränkten Technologietransfers ohne eigenes Engagement sind vorbei. Trotz erheblicher Reaktionen auf außeramerikanischen Märkten kann man von einer Straffung der amerikanischen Exportkontrolle ausgehen.

Diese Entwicklungen wiederum tragen zu einem zunehmenden Ansturm ausländischer Kapitaleigner auf kleine High-Technology-Projekte in den Vereinigten Staaten bei. Allerdings ist damit zu rechnen, daß bei Anhalten dieser Kapitalflut die "Eintrittspreise" beträchtlich erhöht werden.

Bell Labs hat eine Spitzenposition in der Mikroelektronik und Computertechnik, bei der Software und in der Optoelektronik, das heißt auf den kritischen Gebieten, die in der kommenden Ära der Fünften Computergeneration von entscheidender Bedeutung sein werden.

Computerbranche investiert mehr als andere

Annähernd 50 Prozent aller Forschung bei den Bell Labs ist softwareorientiert und das Unix-Betriebssystem entwickelt sich rasch zum Standard-Betriebssystem der 16Bit-Mikrocomputer, die offensichtlich zur beherrschenden Produktgruppe von morgen werden.

Bei den Aufwendungen für die gesamte Forschung und Entwicklung lag die IBM 1981 mit 1,6 Milliarden Dollar weit vor Bell Labs. Das entspricht 5,5 Prozent des Umsatzes, der 29 Milliarden Dollar betrug. Alle unmittelbaren Mitbewerber von "Big Blue" mit Ausnahme der Burroughs Corp. haben 1981 einen höheren Prozentsatz ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Diese Gesamtsumme entspricht dem Betrag, den die IBM allein ausgibt.

Nach der neuesten Jahresübersicht der Business Week über die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung lagen die Computer- und Softwarehersteller 1981 mit einer Wachstumsrate von 34 Prozent vor allen anderen Branchen.

Die Telesciences, ein 35-Millionen-Dollar-Unternehmen, gab rund 22 Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus und war damit auf diesem Gebiet die Nummer Eins. Unter den 15 Größten waren aber auch Unternehmen wie Computer Consoles, Amdahl, Cray Research, Intel und Anderson Jacobson, die 1981 zwischen 12 und 18 Prozent ihres Umsatzes in wissenschaftliche Tätigkeiten steckten.

Bezieht man die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auf den einzelnen Mitarbeiter, entsteht ein dichtes Gedränge an der Spitze. Hier liegen Cray Research und Amdahl in der amerikanischen Industrie ganz vorn. Ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung betrugen 1981 15060 Dollar beziehungsweise 14851 je Mitarbeiter.

Andererseits gab die kürzlich gegründete, zur Amdahl-Gruppe gehörende Trilogy Systems Corp. sogar 60000 Dollar je Mitarbeiter aus, jedoch liegt hier eine Anlaufsituation vor. Von den 15 Großen, die bezogen auf den Einzelmitarbeiter am meisten für Forschung und Entwicklung ausgaben, sind sieben Hardwarehersteller, neben Cray Research und Amdahl auch einige weniger bekannte wie Computer Consoles, Auto-Trol Technology und Cado Systems. In diese Gruppe gehören auch Apple und Floating Point Systems.

Vergleicht man die Aufwendungen der Computerindustrie für Forschung und Entwicklung mit denen der gesamten amerikanischen Industrie, so ergeben sich noch dramatischere Perspektiven. Nach einer Übersicht in der Business Week gaben die Unternehmen der Computerindustrie zwischen 5,9 und 6,4 Prozent ihres Verkaufserlöses für Forschung und Entwicklung aus, die übrige Industrie insgesamt nur bescheidene zwei Prozent.

Halbleiterindustrie liegt an der Spitze

Wieder andere Perspektiven ergeben sich, wenn man die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auf den Gewinn bezieht. Hier belaufen sich die Ausgaben auf etwa 74 Prozent des Gewinns bei den Hardwareherstellern und auf 94 Prozent bei den Peripheriegeräte-Lieferanten und Serviceanbietern. Der nationale Durchschnitt für alle Branchen beträgt rund 39 Prozent.

Die Halbleiterhersteller liegen aber nach wie vor an der Spitze. Insgesamt gaben sie 1981 174 Prozent ihres Gewinns für Forschung und Entwicklung aus. Das ist bei weitem das höchste Verhältnis jeder Branchenkategorie in den Vereinigten Staaten. Die Vermutung liegt nahe, daß dies eines der Geheimnisse ihrer Innovationserfolge im Laufe der Jahre gewesen ist.

*Aus COMPUTERWORLD vom 18. Oktober 1982 übersetzt von Hans J. Hoelzgen, Böblingen.