Jungheinrich-Gruppe stellt Benutzer-Service-Zentrum vor:

DV Leiter muß um Information Center kämpfen

20.12.1985

NORDERSTEDT - "Mikro-Wildwuchs muß von Anfang an rigoros verhindert werden". meinte DV/ Org.-Chef Wolfgang Eckert, von der H. Jungheinrich-Gruppe. anläßlich eines VDMA-Treffens. Der DV-Manager berichtete vor "geschädigten" Kollegen von den Problemen, die vor und während der Errichtung eines Benutzer-Service-Zentrums (BSZ) bei Jungheinrich auftraten. Sein Fazit: "Streß gab's allemal."

Als vor zwei Jahren in dem Unternehmen einige Endbenutzer anfingen, ihre Aufgaben mit einem Apple-PC zu lösen, waren sie den Großrechnerprofis mit ihrem Know-how um einiges voraus. Leiter des Gesamtbereiches Organisation und Datenverarbeitung bei der H. Jungheinrich Maschinenfabrik GmbH & Co. KG Wolfgang Eckert: Wir jedenfalls konnten unseren Pilotanwendern 1983 noch keine Lösung anbieten."

Um der Anschaffung von weiteren Mikrocomputern einen Riegel vorzuschieben, schlug der DV-Manager der Geschäftsleitung die Einrichtung eines "lnformation Center" für die Endbenutzer vor. Allerdings konnte er den Vorstand zum damaligen Zeitpunkt noch nicht von der Wichtigkeit eines solchen Zentrums überzeugen.

Erst als weitere Apple-Rechner auf der Wunschliste der Fachbereiche standen, schwenkte die Geschäftsführung auf Eckerts Linie ein. Nachdem das Einverständnis des Vorstands vorlag, begannen die Datenverarbeiter erst einmal "sich selbst klug zu machen" und führten Vergleichstests zwischen verschiedenen Mikrocomputern durch. Auf den Prüfstand kamen Sirius, der Xtra von ITT und der Apple III. Darüber hinaus nahmen Eckert und seine Mitarbeiter noch eine Anzahl IBM-kompatibler Mikros unter die Lupe: "Wir stellten jedoch immer wieder fest, daß sie nicht - wie vom Hersteller versprochen - hundertprozentig kompatibel waren. Ferner traten bei den preiswerteren Rechnern zu langsame Verarbeitungszeiten auf.

Die einzelnen Geräte wurden vor allem auf ihre Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Großrechner geprüft. Hier schnitt nach Meinung der Jungheinrich-Leute der IBM PC am besten ab. Die Softwarepakete Multiplan und Visicalc wurden durch Lotus ersetzt und der PC um die Irma-Karte erweitert.

Nun oblag es Helmut Lindemann, der halbtags in der Systementwicklung tätig war, sich um die Einführung des Benutzer-Service-Zentrums zu kümmern. Zunächst verbündete sich Lindemann mit den eigentlichen Pilotanwendern im Unternehmen, den PC-Freaks. Er nutzte ihr Wissen, ließ sie "an der lange Leine", verlangte aber gleichzeitig die strikte Einhaltung der von der DV vorgegebenen Spielregeln: Es durften nur IBM PC angeschafft werden; ein einheitliches Betriebssystem sowie wenige Software-Tools waren darüber hinaus oberstes Gebot.

Daß sich die Mikro-Erstanwender zu der damaligen Zeit "gegängelt" fühlten, kann Wolfgang Eckert verstehen. Hätte sich ein Anwender jedoch nicht anpassen wollen, wäre er so der DV-Profi, mit seiner Lösung "technisch ausgehungert" worden.

Wenig später verschickte Eckert ein Memorandum, das die Koordinierung und Betreuung aller Arbeitsplatzcomputer durch die Datenverarbeitung anordnete. Das Schreiben ging als Rundumschlag an alle Werke des Unternehmens und informierte die Mitarbeiter unter anderem darüber, warum sich die Datenverarbeiter für den IBM PC entschieden hatten. Benutzern, die bereits mit einem Mikro arbeiteten, boten die DV-Profis Konvertierungssoftware von Apple auf IBM an.

"Nach dieser unternehmensweit durchgeführten Aktion zogen wir die Zügel fester an", berichtet Helmut Lindemann.

Die Aufgabenschwerpunkte sieht der Benutzerservice bei Jungheinrich in der

- Anwendungsberatung

(Mitarbeiter aus Fachabteilung und Benutzerservice setzen sich zusammen und entscheiden ob Anwendungen mit dem PC gelöst werden können oder der zentralen DV (ZEDV) zugeordnet werden.)

- Hardwareberatung

(Konfiguration und Beschaffung)

- Softwareberatung

(Vergleich von Softwarepaketen sowie Auswahl von Standard-Software)

- Hot-Line-Support

(Soforthilfe bei Problemen)

-- Eigenentwicklungen

(Wenn die benötigte Software auf dem Markt nicht vorhanden ist, programmieren die BSZ-Mitarbeiter selbst.)

Zu den Einsatzgebieten der im Hause Jungheinrich installierten Arbeitsplatzcomputer gehören das Controlling, Werbung/Marketing, Qualitätssicherung, Fertigung, Software-Entwicklung sowie die Arbeitsvorbereitung. Eine Nebenrolle spielt dagegen die Textverarbeitung. Lindemann: "Unsere Textsysteme sind den PC haushoch überlegen."

Der Betreuungsaufwand des Beratungszentrums ist nach Ansicht des BSZ-Leiters nicht generell schätzbar, wird aber durch mehrere Variable beeinflußt. Wichtige Punkte sind:

- die Unterstützung durch die Vorgesetzten in Form von Ausbildungs- und Spielzeit

(Die Vorgesetzten dürfen sich nicht von den Anzeigenkampagnen der Hersteller täuschen lassen. PC-Bedienung auf Knopfdruck gibt es nur in Hochglanzbroschüren. Bei Jungheinrich durften viele Endbenutzer ihren Arbeitsplatzcomputer mit nach Hause nehmen, um sich "spielend" an ihn zu gewöhnen.)

- Alter und Geschlecht der Mitarbeiter am PC-Arbeitsplatz

- Vorhandene Programmier-/DV-Erfahrung

- Vorbereitende Schulung

(Die Schulung sollte auch die allgemeinen Grundlagen der DV urmfassen. Schließlich sei ihr PC in die DV-Welt eines größeren Unternehmens eingebunden.)

- Beteiligung der Mitarbeiter an der Einführung

(Dadurch würde die Motivation gesteigert.)

- Hardware-Konfiguration bei der Fachabteilung

(Die BSZ-Mitarbeiter müssen wissen, welche Geräte wo stehen.)

"Inzwischen", seufzt Lindemann, "sind wir von der Akzeptanz überrollt worden." Der Bedarf an Unterstützung durch das Beratungszentrum wächst ständig. Besonders stolz sind die Datenverarbeiter auf ihr selbst entwickeltes "Benutzer-Führungssystem", mit dem die Endbenutzer an "ihren persönlichen Computer" herangeführt werden.

Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen erkannten Eckert und Lindemann, daß die Schnittstelle Betriebssystem/Bediener weder durch das PC-DOS selbst noch durch die auf dem Markt erhältliche Add-On-Software in für sie befriedigender-Weise abgedeckt werden konnte. Um dem Endbenutzer zu ermöglichen, sich in erster Linie auf seine Anwendung zu konzentrieren, erstellten die Datenverarbeiter eine firmeneinheitliche Betriebssystemoberfläche. Ihre Forderungen realisierten sie - um das Minimum an Antwortzeiten zu erhalten - mit zwei Assembler-Programmen: Menüführung und Datei-Organisation.

Die positive Resonanz, die dieses System gefunden hat, führte bei Jungheinrich inzwischen dazu, daß die Möglichkeit einer Vermarktung geprüft wird.

Auch darüber, wie das Ideal-Anforderungsprofil an einen Benutzerservice aussehen sollte, haben sich DV-Leiter Eckert und BSZ-Leiter Lindemann bereits Gedanken gemacht:

- Kenntnis der zentralen DV-Projekte,

- Erfahrung in der Großanlagen-Programmierung,

- Erfahrung in der PC-Programmierung,

- PC-Hardware-/System-Kenntnis,

- PC-Standardsoftware-Kenntnis,

- Marktkenntnis.

Allerdings geben die DV-Profis offen zu, daß sie dem hohen Anforderungsprofil immer etwas hinterherlaufen.

Für die Zukunft sehen die Jungheinrich-Manager weitere große Aufgaben auf sich zukommen. Die BSZ-Mannschaft soll verstärkt und weitere Investitionen in Hard- und Software sollen vorgenommen werden. Derzeit testet Helmut Lindemann den Amiga von Commodore. Wenn sich dieser PC als kompatibel herausstelle und Anschlußmöglichkeiten zur Peripherie anbiete, so DV-Leiter Eckert, werde sein Einsatz in Erwägung gezogen. Eine große Rolle spielt auch die intensive Ausbildung der Mitarbeiter. Darüber hinaus steht den Datenverarbeitern noch die Verknüpfung der Arbeitsplatzcomputer miteinander ins Haus. Aber vor einem Problem sind Wolfgang Eckert und Helmut Lindemann sicher: Sie müssen sich nicht durch einen "Mikro-Zoo" kämpfen.