DV-Fachabteilung: Neue Konflikte zwingen zur Kommunikation

12.10.1984

Das Verhältnis zwischen DV und Fachabteilung muß neu definiert werden. Zu den bisherigen gegenseitigen Vorwürfen, die Datenverarbeiter seien autoritär, beziehungsweise die Benutzer unkooperativ, kommt inzwischen neuer Konfliktstoff. In verstärktem Maß ist nach Ansicht von Unternehmensberater Rainer Jung unter den Mitarbeitern der Fachabteilung eine Angst um den Arbeitsplatz festzustellen. Ihr Motto: "Die DV mit ihren Möglichkeiten macht Sachbearbeiterplätze zunichte." "Dabei", warnt Org/DV-Leiter Edmund Laux von der Fleischerei-Berufsgenossenschaft, Mainz, "können wir uns eine weitere Fortschrittsfeindlichkeit nicht mehr leisten." Der Mainzer DV-Chef ist überzeugt, daß das Problem nicht das Arbeitsmittel Bildschirm ist, sondern wie und in welcher Form es eingesetzt wird. Laux: "Wir müssen die Technik dem Menschen unterordnen und wieder miteinander Kommunikation betreiben." ih

Andreas Schild

Abteilungsleiter EDV-Organisation, Hauni-Werke Körber & Co KG, Hamburg

Das Zusammenwirken von Fachabteilung und DV- Organisation war in der Vergangenheit durch unterschiedliche Formen und Intensität geprägt, die durch die Faktoren

- Stellung der EDV-Organisation im Unternehmen,

- Anzahl der Mitarbeiter in der EDV-Organisation

- Komplexität von Softwaresystemen

- Hardwareentwicklung

- Qualifikation der Mitarbeiter in den Fachabteilungen beeinflußt wurden.

Gerade die letzten beiden Punkte werden in der Zukunft das Verhältnis von DV-Organisationen und Fachabteilung entscheidend bestimmen. Wenn auch in den Fachbereichen der Einzug der Mikros nicht die von Marketingstrategen erhoffte Resonanz findet, so ist die Qualifikation der Mitarbeiter bei langjähriger DV-Arbeit stetig gewachsen. In einigen Fachabteilungen nehmen DV-Koordinatoren eine Vorklärung und Filterung der Anforderungen vor, die die DV-Organisation von vielen Kleinigkeiten entlastet. Dies ist aus Sicht der DV-Verantwortlichen eine durchaus positive Entwicklung, da sie die Voraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist. Was in der Vergangenheit bei aller Begeisterung, DV-Techniken zu verstehen und zu erlernen, bei den Mitarbeitern (insbesondere den verantwortlichen Leitern) der Fachabteilungen vielleicht etwas zu kurz gekommen ist, ist das Hineinversetzen in die Koordinierungsfunktion von unterschiedlichen Fachbereichsinteressen durch die Mitarbeiter der DV-Organisation. Wir merken es immer dann, wenn Fachbereiche im guten Glauben ihrer DV-Kenntnisse "ihre Belange" realisieren lassen. Bei der Einführung treten dann im Hause Widerstände durch andere Fachbereiche auf, die ohne das Mitwirken der DV-Organisation nicht zu beheben sind.

Damit sind aus meiner Sicht aber auch bereits Grenzen einer Endbenutzerdatenverarbeitung beispielsweise durch Personalcomputer, aufgezeigt. So wird in Zukunft vielleicht noch viel mehr Koordination erfordert, als dies auf Großrechenanlagen erforderlich ist, und mancher wahrhaben will. Fachbereichsübergreifende Informationen sind schwerlich über PCs zu verwalten und ihre Weitergabe erfordert auch ein gewisses Maß an Sensibilität zur Vertraulichkeit von Daten.

Damit will ich in keiner Weise eine sinnvolle Trennung und Dezentralisierung von Anwendungen mit zugehöriger Hardware in Abrede stellen. Ganz im Gegenteil, dort wo frühzeitig Aufgaben in die Fachbereiche verlegt werden, haben wir heute aufgeschlossene Gesprächspartner, die über Verständnis und Mitarbeit bei übergreifenden Lösungen hinaus die DV-Organisation drängen, eine Koordination intern im Hause und extern zum Hersteller wahrzunehmen. Diese Situation ist nicht plötzlich gekommen, sondern hat sich erst im Laufe der Zeit so ergeben. Insofern sei allen "ungeduldigen Zentralisten" empfohlen, mit Ruhe und Gelassenheit der Verselbständigung von Fachabteilungen entgegenzusehen. Dieser Weg ist manchmal der einzig gangbare, wenn die Personalkapazität in der DV durch anderweitige Projekte ausgelastet ist. Für die Verantwortlichen in den Unternehmungen wird damit allerdings nicht die Programmierkapazität in Grenzen gehalten. Denn ein Sachbearbeiter wird praktisch zum Programmierer, wenn er sich um Hard- und Software kümmert auch wenn er sich Sachbearbeiter nennt.

Edmund Laux

Leiter Org/DV-Abteilung, Fleischerei-Berufsgenossenschaft, Mainz

Eine Problembetrachtung "Kommunikation DV/Fachabteil" ist nicht möglich, ohne die Problemursachen zu analysieren. Die Problemlösungen gehören ebenfalls dazu. Unsere Generation befindet sich gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitisch inmitten einer Strukturveränderung auf dem Weg zur Informationsgesellschaft. Dieser Weg kann mit technischen Mitteln allein nicht beschritten werden - der Mensch / die Benutzergruppen müssen in den Mittelpunkt aller technologisch bedingter Änderungen gestellt werden!

Ob am Fließband, am Schreibtisch oder in häuslichen Wohnzimmer - eine Beteiligung der Benutzergruppen, die diese Technik "benutzen" ist bereits am Anfang aller Überlegungen und Planungen zur Einführung neuer Technologien zwingend erforderlich.

Welchen Problemen begegnen wir heute am Arbeitsplatz, morgen im häuslichen Wohnzimmer? Die "DV-Spezialisten" stehen im Konflikt mit den Zielen der Benutzer. Das Verständnis für die Benutzerbedürfnisse sowie das Vertauen in die Benutzer ist noch zu gering. Aus dieser Isolation der DV-Leute heraus ist von den Pionierjahren der DV bis zur Gegenwart eine Abkehr von den ursprünglichen Benutzerbedürfnissen erfolgt. Parallel ist eine Hinwendung zu teilweise autoritären Verhaltensweisen gegenüber den Benutzergruppen / Fachabteilungen festzustellen. Das Risiko, weitere Bereiche mit Hilfe der Technik zu erschließen, wird deshalb von Jahr zu Jahr größer, wenn nicht andere Betrachtungsweise zur Lösung der Konfliktstrategie herangezogen werden.

Die Benutzergruppen/Fachabteilen stehen ebenfalls in einem Konflikt mit den Zielvorgaben der DV-Spezialisten. Mit DV-Leuten spricht man nur dann, wenn es unbedingt sein muß (geringe Kommunikation); für die Gestaltung von Arbeitsabläufe mit Hilfe der Technik herrscht geringes oder kein Verständnis. Außerdem ist das Vertrauen zu den DV-Leuten in wichtigen Teilbereichen unterentwickelt. Aus diesen Gründen empfinden die Benutzergruppen/ Fachabteilungen ein hohes Maß an Ungewißheit. Aus dieser Ungewißheit heraus reagieren sie mit aktivem Widerstand oder geringer Motivation bei der Einführung neuer effizienter DV-Lösungen.

Der technische Fortschritt hat die Bindung an das Ziel der menschlichen Selbsbstverwirklichung verloren. Die Lösung dieser menschlichen Bedürfnisse einerseits mit den soziologischen, technischen Bedingungen andererseits ist meines Erachtens nur in einem engen Zusammenhang zu finden. Eine weitere Fortschrittsfeindlichkeit können wir uns nicht mehr leisten, denn nicht Rohstoffe oder Energie sind in unserer gemeinsamen Zukunft die dominierenden Produktfaktoren, sondern die Information und Ausbildung. Die rasch aufeinander folgenden Veränderungen in allen Lebensbereichen hat in den letzten Jahren zu einer Orientierungskrise (Angstpsychosen, technologischer Protest, Aussteigermentalität, Akzeptanzprobleme) geführt die nur durch die Schaffung eines erhöhten Problembewußtseins mit sorgfältiger gemeinsamer Planung aller Beteiligten zu überwinden ist. Wir müssen erkennen, daß das Problem nicht das Arbeitsmittel "Bildschirm" ist. Konkret geht es vielmehr darum, wie, in welcher Form und unter welchen Umgebungsbedingungen diese eingesetzt werden.

Unsere bisherigen Erfolge auf den Gebieten der Computertechnologie sind nur durch weitere Leistungen zu sichern. Wir stehen deshalb vor dem Zwang, neue Gebiete der Automation zu überantworten. Dies erfordert eine gesellschaftspolitische Neuorientierung aller Bereiche unserers Alltags.

Seit Professor Wilhelm Schickards Erfindung der "Tübinger Rechenmaschine von 1623", einem Zeitgenossen Keplers, hatte die Menschheit jahrhundertelang Zeit, sich mit dieser Erfindung zu befassen beziehungsweise ihr anzupassen. Heute jagt eine Erfindung die andere, Zeit zur Anpassung ist deshalb nicht mehr möglich. Warum haben ausgerechnet in unserer Zeit die Asiaten gegenüber den Europäern in der Technologie weltweite Erfolge erzielt? Frederic Vester beantwortet in seinem Buch "Neuland des Denkens" die natürlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen eines Systems. Wir müssen uns lösen vom technokratischen Zeitalter und uns zur Kybernetik hinwenden. Es ist nötig, daß wir die "vernetzten" Systemzusammenhänge der Abhängigkeiten zwischen dem Menschen und der Technik erkennen lernen. Die aktuellen Umweltprobleme liefern uns täglich anschauliche Beispiele hierzu.

Stellen wir uns, gemeint sind Spezialisten in allen Bereichen, der Herausforderung der Informationstechnik! Stecken wir Leistung in zukunftsorientierte Wachstumsstrukturen! Nutzen wir die Chance des Augenblickes, in dem wir die Technik dem Individuum Mensch unterordnen und wieder anfangen, miteinander zu reden - Kommunikation betreiben.

Rainer Jung

Unternehmensberater, Wiesbaden

In einem Unternehmen gibt es grundsätzlich immer verschiedene Aufgabengebiete, die von den jeweils zuständigen Mitarbeitern wahrzunehmen sind. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße spricht man von Fachabteilungen. Eine davon ist die Datenverarbeitung. Da ein Unternehmen nur eine Zweckbestimmung hat, nämlich erfolgreich zu arbeiten und dann Arbeitsplätze zu sichern beziehungsweise neue Arbeitsplätze zu schaffen - wobei natürlich der Unternehmergewinn nicht verschwiegen werden soll - sind alle Fachabteilungen gezwungen, gemeinsam und untereinander vernünftig koordiniert, dieses Ziel anzustreben und zu erreichen. Kompetenzstreit hat tunlichst zu unterbleiben. Dies ist in der Praxis aber leider nicht immer der Fall. Speziell das Verhältnis Fachabteilung-Datenverarbeitung war und ist ein besonderes, was Umfragen in diesem Zusammenhang immer wieder belegen. Nun bin ich persönlich der Meinung daß sich das Verhältnis Fachabteilung-DV nicht verändert hat oder gar zu einem Problemkreis erster Ordnung geworden ist.

Da, wo Menschen miteinander arbeiten, wird auch gern "Schwarzer Peter" gespielt. Dies gilt aber generell und ist nicht eine Besonderheit der Fachabteilung im Verhältnis zur DV. Allerdings bin ich aus eigener Erfahrung auch der Ansicht, daß dieses Verhältnis neu zu definieren ist. Bedingt durch die in den letzten Jahren sich rasant entwickelten technologischen Möglichkeiten ist in verstärktem Maße eine Arbeitsplatzangst unter den Mitarbeitern der verschiedenen Fachabteilungen festzustellen nach dem Motto: "Die DV mit ihren Möglichkeiten macht Sachbearbeitertätigkeiten zunichte". Dies gilt selbst für den RZ-Betrieb, wo der Einsatz von RZ-Managementsoftware Entlastung von vielen manuellen und stupiden, weil sich immer wiederholende Tätigkeiten bringt. Hier gilt es einzugreifen und die Mitarbeiter positiv nur zu motivieren. Dabei liegt die Betonung auf positiv und kein Mensch unserer modernen Leistungsgesellschaft wird ernsthaft daran glauben, technologische Entwicklung und Möglichkeiten durch ein negatives Eigenverhalten zu können. Dies käme der Maschinenstürmerei des vergangenen Jahrhunderts gleich, die ja bekanntlich nicht mit Erfolg gekrönt war.

Was wir brauchen, ist ein positiv neues Bewußtsein zu unserer Arbeit und den in diesen Zusammenhang sich wandelnden Aufgaben und Tätigkeiten. Adäquat zur Neudefinition des gesellschaftlichen Bewußtseins mit den Stichworten Qualifikation, bezogen auf Schul- und Hochschulabschlüsse, Zusammenleben, Arbeitsplätze, und genereller gerechter und sozial ausgeglichener Arbeitsplatzverteilung wird selbstredend auch das Verhältnis Fachabteilung zur DV neu zu definieren sein. Wir alle sind dazu aufgerufen, uns an der Entwicklung der Bewußtseinsveränderung positiv zu beteiligen und gemeinsam gesellschafts-soziologische Ziele genauso wie Unternehmensziele unter Einbeziehung aller technologischen Möglichkeiten zur Wahrung unserer Lebensqualität zu verfolgen. Sei zum Abschluß noch eine Feststellung gemacht, die auch in der Zukunft ihre Gültigkeit haben wird: "Da wo Menschen sind, da menschelts auch!"