Offene Gesprächsbasis bei Planungsprozessen:

DV-Diagnosewerkzeug markiert Stärken und Schwächen

02.05.1986

Verständigungsschwierigkeiten zwischen der obersten Führungsebene und den DV-Fachleuten bilden keine Seltenheit, sind doch gerade die jeweiligen Sichtweisen langfristig sowie kurzfristig orientiert - einander entgegengesetzt. Um eine Verbindung schaffen zu können, sind mittelfristige Betrachtungen explizit prädestiniert: über Einsatz von Informationssystemen, über informationstechnische Innovation und über Wirtschaftlichkeit von Informationssystemen im Unternehmen.

Informationssysteme im Unternehmen sind zunehmend wichtiger geworden, zunächst als Rationalisierungsgegenstand, heute stärker als Wettbewerbsinstrument. Sie geraten damit zusehends in das Blickfeld der Unternehmensführung und werden mit allgemeinen Managementmaßstäben gemessen, nicht mehr so sehr mit den verkürzten Wertrastern der EDV-Fachleute. Aus dem neugierigen Interesse des obersten Managements und der Schwierigkeit der EDV-Fachleute, sich allgemeinverständlich auszudrücken, entsteht ein natürliches Spannungsfeld; hier gilt es, Lebenshilfe zu leisten.

Die Sicht des Managements

Der Blick der Unternehmensführung ist (auch) aus dem Unternehmen heraus auf den Markt, auf den Wettbewerb gerichtet; von dort kommen heute Anstöße, sich mit den Informationssystemen im eigenen Hause zu beschäftigen. Man sieht, daß der Wettbewerber die besseren Marktinformationen, eine bessere Außendienststeuerung, ein reibungsloses Bestellwesen, eine problemlose Lieferbereitschaft hat, und stellt im Vergleich dazu Mängel der eigenen Informationssysteme fest. Der Manager fragt nach der "Durchdringungsstrategie" und meint damit die auf den Unternehmenserfolg ausgerichtete, wettbewerbsorientierte Durchdringung des eigenen Unternehmens mit Informationssystemen.

Im Wettbewerb wird auch die für die Informationssysteme verwendete Technologie sichtbar: das mobile Datenerfassungsgerät des Außendienstmitarbeiters, der portable PC des Versicherungsagenten, das über Bildschirmtext organisierte Bestellwesen. Hier wird der Vergleich über die Geräte angestellt: Warum sind im eigenen Unternehmen noch keine PCs im Einsatz, weshalb gibt es so große Schwierigkeiten mit dem eigenen Bildschirmtextprojekt? Mangelt es an der Fähigkeit der eigenen Informationssystemverantwortlicheit, sich mit neuer Technologie zu beschäftigen, wie sieht die "lnnovationsstrategie" aus, der Weg, informationstechnologische Neuerungen für das Unternehmen nutzbar zu machen?

Und schließlich ist es die oft leidige Frage der Wirtschaftlichkeit der Informationssysteme, die vom Management gestellt werden, wobei auch hier mitunter das Wort Strategie hinzugesetzt wird: Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß man nicht so sehr eine platte Wirtschaftlichkeitsrechnung meint, sondern Wege (Umwege eingeschlossen), auf denen ein Ausgleich der Kosten und des Nutzens von Informationssystemen erreicht werden kann.

Die Sicht der EDV-Fachleute

Die Blickrichtungen der Durchdringungsstrategie, der Innovationsstrategie und der Wirtschaftlichkeitsstrategie werden von den EDV-Fachleuten oft als leere Schlagworte abgetan. Für sie stehen nicht selten die Tagesprobleme im Vordergrund.

Da sind die Probleme des steigenden Wartungsaufwandes, die eine Entwicklungsmannschaft oft mehr als halbieren; so wird es verständlich, daß Entwicklungsprojekte länger dauern als geplant. Da ist der große Anwendungsstau, den man gleich mit welcher Priorität - doch nicht abzuarbeiten in der Lage ist.

Mit neuer Technologie hat man häufig genug Probleme gehabt; zum einen sind es die Kinderkrankheiten der Technik, zum anderen ist es der Schulungsaufwand für die eigenen Mitarbeiter. So wird es verständlich, daß man sich eher Zurückhaltung auferlegt, zumal auch innerhalb des Unternehmens wegen der unterschiedlichen organisatorischen Zuordnung von Datenverarbeitung, Textverarbeitung und Kommunikation oft Kompetenzprobleme auftreten. Bei der Frage der Wirtschaftlichkeit können die EDV-Fachleute ihre Hände in Unschuld waschen: Denn es ist die Sache der Fachabteilungen, den Nutzen der Informationssysteme zu ermitteln, den man dann den in der EDV-Abteilung bekannten Kosten gegenüberstellen kann.

Sichtverbindung zwischen Management und EDV

Es ist der Mühe wert, eine Verbindung der Sichtweisen des Managements und der EDV-Fachleute zu suchen. Prinzipiell liegen die scheinbaren Verständigungsschwierigkeiten darin begründet, daß der Blick des Managements langfristig und der Blick der EDV-Fachleute kurzfristig orientiert ist.

Die Durchdringungsstrategie, kann erst formuliert werden, wenn gegenwärtige Durchdringungsgrade quantitativer und qualitativer Art in den einzelnen Anwendungsgebieten bekannt sind und darauf aufbauend Prioritäten im Rahmen einer Anwendungskonzeption gesetzt werden. Hierbei ist ein Life-Cycle-Management für Informationssysteme zu berücksichtigen, Entwicklungs- und Wartungsintensitäten sind darauf abzustimmen. Eine Sichtverbindung zwischen der strategischen Ebene des Managements und der operativen Ebene der EDV-Fachleute wird durch die taktische Ebene geschaffen (Abbildung 1).

Ähnlich verhält es sich mit der Innovationsstrategie. Bevor eine langfristige wettbewerbsorientierte Perspektive eines Informationstechnikeinsatzes formuliert werden kann, muß der Stand des Technikeinsatzes für Daten- und Textverarbeitung sowie Kommunikation bekannt sein (was bei der in vielen Unternehmen vorzufindenden

organisatorischen Zuordnung gar nicht so einfach ist).Der Technikeinsatz erstreckt sich übrigens auf die Entwicklung ( zum Beispiel eine Programmiersprache der 4. Generation) und den Betrieb von Informationssystemen. Dabei wird sichtbar, daß man Technik nur über das entsprechende Know-how bei den Mitarbeitern für das Unternehmen nutzbar machen kann; auch hier ist das Know-how für die Entwicklung und den Betrieb von Informationssystemen (und das heißt heute überwiegend Betrieb am Arbeitsplatz des Fachabteilungsmitarbeiters) gemeint. Es gilt also, vor der Entwicklung einer Strategie den Technikeinsatz und den Know-how-Stand in Entwicklung und Betrieb zu kennen. Das Scharnier und damit die Sichtverbindung zwischen der strategischen und der operativen Ebene ist wiederum über die taktische Ebene zu leisten (Abbildung 2):Das Verändern des Technologiestandes und des Know-how-Standes muß in Umsetzung strategischer Ziele durch Managementleistung geschehen, das heißt, etwa durch ein Technologiemanagement für das Einführen und die zeitversetzt flächendeckende Nutzung neuer Techniken (zum Beispiel PCs) sowie ein Know-how-Management, etwa das Einrichten regelmäßiger PC-Softwarekurse im PC-Center des Unternehmens.

Neue Rechfertigungsrituale anwenden

Etwas komplizierter stellt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit dar. Die klassischen Wirtschaftlichkeitsrechnungen wirken, angewandt auf computergestützte Informationssysteme, oft als Innovationsbremse. Hier sind Freiheitsgrade zu schaffen, wie sie etwa im Bereich neuer Produkte in Form einer Portofolio-Betrachtung oder in den vielen unterschiedlichen Spielarten einer Kosten-Leistungs-Rechnung seit langem bekannt sind. Es müssen neue Rechtfertigungsrituale angewendet werden, die auf eine gewollte Durchdringung und Innovation abgestimmt sind. Gleichzeitig sind, insbesondere im Bereich der Entwicklung von Informationssystemen, produktivitäts- und wirtschaftlichkeitssteigernde Maßnahmen zu nutzen, zum Beispiel Standardsoftware statt Individualsoftware, Sprachen der 4. Generation und so weiter. Die dadurch entstehende Sichtverbindung zwischen der strategischen und der operativen Ebene ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Managementleistung besteht in einer produktivitätssteigernden Organisation der Entwicklung (einschließlich der Auslagerung bestimmter Entwicklungen an die Benutzer in den Fachabteilungen) sowie im differenzierten Einsatz von Kosten-Leistungs-Rechnungen, die Innovation und Durchdringung gemäß den strategischen Zielen ermöglichen (also nicht bremsen), gleichzeitig jedoch langfristig einen Ausgleich zwischen Kosten und Nutzen der Informationssysteme im Unternehmen herbeiführen.

Folgerungen für das Informations-Management

Wir glauben, mit diesen Sichtverbindungen eine Gesprächsbasis zwischen oberstem Management, dem EDV-Management der Fachabteilungen geschaffen zu haben; das Fachabteilungsmanagement ist übrigens nicht nur bei Wirtschaftlichkeitsfragen, sondern ebenso bei der Einführung von informationstechnischen Innovationen und bei der Durchdringung der Fachabteilungen mit Informationssystemen als Gesprächspartner gefragt.

Die in den Abbildungen 1 bis 3 dargestellten Sichtverbindungen lassen sich noch weiter detaillieren und zum Teil in meßbare Größen umsetzen. So ergeben die Entwicklungs- und Wartungsaufwendungen pro Jahr, bezogen auf den Wert des Programmbestandes pro Anwendungsgebiet, zum Beispiel Finanz- und Rechnungswesen, über die Zeit eine quantifizierte Aussage über das Life-Cycle-Management; die in einem überschaubaren Vergangenheitszeitraum, zum Beispiel drei Jahre, neu eingesetzten Verfahren und Werkzeuge in der Softwareentwicklung erlauben eine Bewertung des Technologiemanagements der Entwicklung; die im Unternehmen verwendeten Meßgrößen zur Ermittlung der Entwicklungsproduktivität und dabei erreichte Werte gestatten eine Einschätzung der Wirtschaftlichkeit in der Softwareentwicklung. Neben einer quantifizierbaren Bewertung sind Bereiche sichtbar, in denen aufgrund von Wissen und Erfahrung qualitative Urteile zu fällen sind.

Man kann die in den Abbildungen 1 bis 3 erkennbaren Strukturen in ein Gesamtkonzept einbauen und im Unternehmen als Diagnose- und Planungswerkzeug einsetzen. In der Diagnosephase erlaubt es allen Beteiligten, dem Management, den EDV-Fachleuten und dem Fachabteilungsmanagement, einen für alle verständlichen Blick auf die Informationssysteme des Unternehmens zu richten und eine Einschätzung der gegenwärtigen Situation vorzunehmen. Dabei werden Defizite sichtbar, die beim Einsatz des Konzeptes als Planungswerkzeug mit Plangrößen versehen und im Planungszeitraum überprüft werden können. Unsere Erfahrungen beim Einsatz dieses Konzeptes in einer beträchtlichen Zahl von Unternehmen bestätigen, daß damit nicht nur die in der Praxis in vielen Fällen fehlende Gesprächsbasis zwischen Management, EDV-Fachleuten und dem Management der Fachabteilungen erreicht werden kann; darüber hinaus lassen sich gemeinsam gegenwärtige Stärken und Schwächen der Informationssysteme feststellen; es werden von allen Beteiligten getragene Planungsprozesse eingeleitet, mit denen Durchdringung, Innovation und Wirtschaftlichkeit von Informationssystemen gesteigert werden können.