Ovum: Klassische IS-Organisationen sind out

DV-Abteilungen: Nur der Kunde ist König

01.11.1996

Während IT-Teams bislang dafür zuständig waren, Ordnung in das informationstechnische Gestrüpp zu bringen, müßten sie sich nun umorientieren. Überlebensfähig seien nun lediglich diejenigen DV-Abteilungen, deren Aktivitäten sich künftig um den Kunden des Unternehmens, nicht um das Unternehmen selbst drehen.

Die Analysten von Ovum hegen keine Zweifel: Die Aufgaben traditioneller IT-Abteilungen sind obsolet. Überholt seien Vorstellungen, Unternehmen könnten sich auch in den kommenden Jahren durch die Qualität oder den Preis ihrer Produkte vom Konkurrenten abheben. Vielmehr seien in Zukunft die Firmen von Erfolg gekrönt, deren DV-Abteilungen sich um die Kommunikation und den Service mit Kunden und Partnern kümmern: "Die interne DV-Landschaft dient künftig fast ausschließlich den Kunden des Unternehmens, nicht der eigenen Firma." Dieses Business-Modell bringe neue Arten von Geschäftsbeziehungen und Aufgabenbereichen für IS-Teams hervor.

Der Trend, so die Erkenntnis Ovums, gehe hin zur Vertragsbeschäftigung externer Teams und zum Outsourcing interner Teilbereiche von IT-Abteilungen. Das Design, die Wartung und der Support der IT-Infrastrukturen ließen sich im Grunde genommen problemlos an externe Dienstleister auslagern. Ferner könnten Bereiche wie Helpdesk, End-User-Support, technischer Support, Netzwerkoperationen oder die Applikationsentwicklung außer Haus durchgeführt werden. Während Endanwender mit eigenem PC-Wissen kleinere Probleme am Arbeitsplatz selbst lösen könnten, erfolge der technisch anspruchsvolle Support zunehmend über das Internet.

Auch für IT-Chefs brechen neue Zeiten an: Die Rolle des IS-Managers verlagere sich zunehmend vom DV-Supporter zum Kommunikator zwischen Unternehmen und deren Partnern beziehungsweise Kunden. Während klassische DV-Leiter bis dato für den reibungslosen Ablauf interner DV-Strukturen verantwortlich zeichneten, müßten moderne IT-Chefs für den Wissenstransfer zwischen Unternehmen und ihren Partnern oder Kunden sorgen. In 25 Jahren, so Ovum, werden viele Unternehmen keinen internen IT-Leiter mehr benötigen, weil die Entwicklung und das Management der IT-Infrastruktur von externen Gruppen übernommen wird. Erfahrene DV-Manager werden sich in Zukunft in diesen externen Truppen engagieren.

Im Zuge der Umorientierung müßten sich DV-Abteilungen sowohl mit einer neuen Zielgruppe als auch neuen Technologien anfreunden: Wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung des Konzepts "Kundennähe" seien dabei Entwicklung und Management flexibler, schlanker Clients. Zudem sollten die Server-Kapazitäten rezentralisiert werden. Auf Applikationsseite dienten Internet-fähige PCs einer Verbesserung der Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden.

Ebenso spielt Ovum zufolge das Internet beziehungsweise Intranet eine entscheidende Rolle, geht es um engere Kundenbindung. Das globale Netz offeriere bereits heute eine günstige Standard-Schnittstelle für sämtliche wichtigen Plattformen. Das Inter- und Intranet werde über kurz oder lang, so die Prognosen der Marktauguren, von nahezu jedem Unternehmen als Grundgerüst genutzt, um den Kundenservice effektiver zu gestalten: "Unsere Wettbewerber kreieren Web-Seiten, so daß wir es auch müssen, um künftig mitmischen zu können", erklärt ein DV-Leiter aus Norddeutschland das Engagement seines Brötchengebers.

Die Aussage des Experten ist für die Situation in Deutschland typisch: Fast 70 Prozent der von der COMPUTERWOCHE befragten Unternehmen (siehe CW Nr. 42 vom 18. Oktober 1996, Seite 1) erklärten, bereits ein Intranet im Einsatz zu haben oder sich in der Einführungs- beziehungsweise Planungsphase zu befinden. Ein ähnliches Szenario konnten die Marktforscher in ihrer Um- frage unter US-Anwendern beobachten: Nur die wenigsten IT-Manager, schließt Ovum, werden in Zukunft das Internet ignorieren können. Nahezu zwei Drittel der befragten US-Unternehmen erklärten, bis 1997 oder wenig später Internet- oder Intranet-Applikationen einführen zu wollen.