Durch die OS2-Brust ins Unix-Auge

24.03.1989

Es hat nie einen Unix-Standard gegeben und es wird ihn auch nie geben." Microsoft-Gründer Bill Gates, den wir hier zitieren, können anscheinend selbst die altruistischsten Verlautbarungen der AT&T-Gruppe Unix International oder der OSF-Clique um IBM nicht von der Ernsthaftigkeit der Open-Systems-Bemühungen überzeugen: "Die Hersteller wollen keinen Standard"(CW Nr. 12 vom 17. März 1989).

Sei es drum: Letztlich zählt nur, was die Kunden wollen. Diese sind jedoch anwendungstechnisch und organisatorisch an einem Punkt angelangt, wo sie die Option auf Standards brauchen, wo ihnen aber auch die Orientierung fehlt. So gesehen könnte Gates' These Hilfe und Abschreckung zugleich sein.

Eine Selbstverständlichkeit, ein großes Nichts, das Microsoft-Wort vom Non-Standard Unix. Aber der smarte Software-Profiteur kaschiert damit äußerst geschickt starke Eigeninteressen. Die Frage muß also lauten: Was will Bill Gates? Die Antwort ist klar: Money machen, OS/2 als Industrie-Standard durchdrücken. Aber warum zielt seine Argumentation von hinten durch die OS/2-Brust ins Unix-Auge? Er hätte ja offen sagen können: "Ich wäre doch ein Traumtänzer, wenn ich Unix forcieren würde. Wofür haben wir OS/2?" Er hat es wohlweislich nicht gesagt.

Verständlich: Je eindeutiger sich Gates gegen Unix und für OS/2 ausspricht, desto mehr rückt er sein Unternehmen auch öffentlich, im Bewußtsein der Anwender, in die Nähe der IBM, die Microsofts wichtigster Software-Lizenznehmer ist. Gates hätte dann freilich ebenfalls auf IBMs Customer-lock-in-Absichten im Workstation- und PC-Market hinweisen müssen. Er hat es, wie gesagt, nicht getan, sich statt dessen über das Unix-Schisma (OSF kontra Unix International) lustig gemacht, was in der Wirkung letztlich einem Plädoyer für OS/2 gleichkommt.

Recht geschieht es den Unix-Wolkenschiebern bei den Nicht-IBM-Herstellern, wenn sie so unsanft aus den Träumen gerissen werden, in die sie sich hineingesteigert haben. Nach Adam Riese und Bill Gates stimmt es nämlich: Die DV-Anbieter, einschließlich IBM und Microsoft, wollen keinen total "offenen" Betriebssystem-Standard.

Zwei De-facto-Standards, meinen IBM und Microsoft, seien genug: MVS, natürlich, für die von IBM beherrschte Mainframe-Welt, und für die Arbeitsplatzcomputerei MS-DOS beziehungsweise PC-DOS, das als Ur-DOS, gleichsam als rückwärts gedachtes OS/1, mit OS/2 in einen Topf geworfen werden kann. Auch umgekehrt (OS/2 alias MS-DOS,/2) wird für Gates ein Schuh draus.

Nun hat Mister Microsoft die Rechnung allerdings ohne den Anwender gemacht. OS/2 findet bei Power-Usern, und auch innerhalb der IBM-Microsoft-Welt, nicht soviel Zustimmung, wie Gates das gerne hätte. Also muß werblich etwas getan werden, um den Anwendern auf die OS/2-Sprünge zu helfen. So verwundert es nicht, daß Gates das Thema "Unix-Standard" herunterspielt. Das OS/2-Hemd ist ihm allemal näher als der Unix-Rock. Doch der Anwender merkt die Absicht - und wartet, eben auch bei OS/2, erst einmal ab: Don't worry, dear Bill!

Wirklich happy können indes die Anwender sein, aus zwei Gründen: Zum einen sind offene Systeme bereits Realität, zum anderen kommt es auf die Unterschiede der einzelnen Unix-Versionen gar nicht so sehr an - sie sind nähmIich, entgegen den Äußerungen bestimmter Anbieter, minimal.