Keine Chancen ohne internationale Absatzmöglichkeiten im EG-Binnenmarkt:

Düstere Prognose für Europas PC-Hersteller

08.09.1989

LONDON (IDG) - Schwere Zeiten für Europas PC-Anbieter: Überlebenschancen auf dem zukünftigen EG-Binnenmarkt räumen Marktforscher nur solchen Herstellern ein, die ihre Produkte über die nationale Ebene hinaus europaweit vertreiben. Doch die Prognosen zeigen, daß eine übermächtige US-Konkurrenz auch umsatzstarke europäisch orientierte Unternehmen wie Olivetti und Amstrad in Schwierigkeiten bringen wird.

Wie ein gemeinsam von der Dataquest Europe Ltd. und der Investment Bank Barclays de Zoete Wedd Ltd. (BZW) erarbeiteter Marktforschungsbericht zeigt, kann sich vor allem das amerikanische Unternehmen Compaq über anhaltend hohe PC-Verkaufszahlen freuen. Dagegen erscheint die Anzahl der abgesetzten PCs von europäischen High-Tech-Riesen wie Siemens, Bull oder Philips verschwindend gering.

Zwar hat Marktführer IBM, der auf dem amerikanischen PC-Markt nur noch geringe Zuwachsraten verzeichnet, dem Bericht zufolge in der ersten Jahreshälfte auf dem europäischen Markt mehr Computer verkauft als im Vorjahr, doch ist die Gewinnspanne kleiner geworden. Hierfür machen die Marktforscher die Einführung des PS/2-Modells 30 mit dem 286-Prozessor verantwortlich. Obwohl der Rechner oft verkauft worden sei, war ein permanenter Preisverfall nicht aufzuhalten.

Phil Peters, Analyst bei Dataquest, rät daher solchen Firmen die im eigenen Land den Markt beherrschen, langfristig zu internationalen Fusionen. Nur Unternehmen mit europaweiten Absatzmöglichkeiten, wie sie Olivetti und - in allerdings zu kleinem Umfang - Amstrad besitzen, räumt er eine zumindest theoretische Überlebenschance ein.

Allerdings verschweigt der Bericht nicht, daß Olivetti große Marktanteile eingebüßt hat. Waren im letzten Jahr noch 110 000 PCs an den damaligen Partner AT&T verkauft worden, so geht man nach der Trennung in diesem Jahr von nur etwa 25 000 aus; kleinere Geschäftsabschlüsse mit der Sowjetunion haben nur geringfügig dazu beigetragen, das Loch in der Bilanz zu stopfen.

Trotz der gesamteuropäischen Orientierung von Amstrad wird die Zukunft des englischen Unternehmens in düsteren Farben gezeichnet: Zwar habe man mit dem Verkauf des PC-Modells 2000 in ganz Europa neue Marktanteile gewonnen und die Verkaufspreise nahezu verdoppelt, doch räumt Paul Norris von der BZW der Firma kaum Chancen ein, auf dem Binnenmarkt zu bestehen.

Seine Prognose beruht auf der Beobachtung eines insgesamt zu geringen europaweiten Absatzes. Erschwerend könnte sich der - durch Preisnachlässe nur dürftig kaschierte - Imageverlust auswirken, den Amstrad durch die Rückrufaktion von Rechnern mit 286- beziehungsweise 386-Prozessoren hinnehmen mußte (vergleiche CW Nr. 35, Seite 16: "Amstrad will Reputation zurückgewinnen").

Insgesamt kommt der Bericht zu dem Ergebnis, daß der europäische PC-Markt in der ersten Jahreshälfte im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gewachsen ist. Für die zweite Jahreshälfte wird eine Verlangsamung dieses Wachstums prognostiziert: Die Marktforscher rechnen mit etwa 30 Prozent. Außerdem gehen sie davon aus, daß die PC-Preise aufgrund der preiswerteren Chipproduktion noch in diesem Jahr um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent fallen werden.

Profitieren dürften von dieser Entwicklung in erster Linie die amerikanischen Giganten IBM und Compaq. Daß beide ihre PCs in Europa, nämlich in Schottland zusammenbauen, wird die europäischen Hersteller kaum trösten.