Herstellerwechsel:

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

27.11.1981

Unzufriedenheit mit dem alten Hersteller treibt Anwender nicht selten in die Arme der Konkurrenz. Vor der Entscheidung, welcher Hersteller die Nachfolge antritt, steht erst einmal die Qual der Wahl. DV-Leiter verlassen sich dabei mehr auf Benchmarks als auf Versprechungen der Vertriebsbeauftragten. Heiko Buss, DV-Leiter aus Wilhelmshaven zieht das Resümee: "Das eigene Know-how ist nach wie vor entscheidend - egal bei welchem Hersteller." Eine Feststellung, die sich durch alle Umstellungsberichte zog.

Heiko Buss

DV-Leiter, NVA Waren-Handels-AG, Wilhelmshaven (NCR V-8555, VRX)

Für unser Ende 1978 installiertes EDV-System hatten wir - durch Vermittlung unseres Herstellers - bei einem Softwarehaus Buchhaltung und Lohnabrechnung als Dialogpakete bestellt. Das Softwarehaus kam in Terminschwierigkeiten, konnte nicht liefern und meldete schließlich Konkurs an. Fazit: Wir standen mit leeren Händen da. Mit unserer alten Batch-Buchhaltung wären wir rettungslos "abgesoffen". Es mußte also in kürzester Zeit, nämlich noch vor Beginn der Saison, etwas Neues her NCR konnte damals sehr schnell eine kleine Maschine mit einem Dialog-Buchhaltungspaket installieren. Dieses System erwies sich jedoch schon nach wenigen Wochen als zu klein und mußte durch ein größeres ausgetauscht werden.

Nun hatten wir also zwei Systeme parallel laufen. Da wir ohnehin die gesamte im Batch laufende Abwicklung unseres Warengeschäftes auf Dialog umstellen wollten - was eine völlige Neuprogrammierung bedeutete -, haben wir die Programme von vornherein für ein NCR-System geschrieben. Das sollte uns eine spätere neuerliche "Zurück-Umstellung" der Buchhaltung von dem NCR-System auf unseren damaligen Hersteller ersparen, denn das Arbeiten mit zwei Anlagen war nur als Übergangslösung gedacht. Die NCR-Buchhaltung basierte auf einem flexiblen Datenbanksystem, welches auch die Daten unseres Warengeschäftes aufnehmen konnte und daher ideale Voraussetzungen zur Schaffung einer integrierten Gesamtlösung bot.

Schließlich kamen wir aber in Zeitnot: Der Mietvertrag mit unserem damaligen Hersteller lief Ende 1980 aus und sollte nicht wieder erneuert werden. Alle in der Vergangenheit gemachten Planungen für die Dialogprogramme waren nur noch bedingt zu verwenden, da sie auf dem Online-System unseres damaligen Herstellers und komplett auf IS-Dateien beruhten. Last not least, die Programmierkapazitäten in unserem Haus waren äußerst gering.

Wir konnten zum Übernahmetermin 1. 1. 1981 daher nur eine Lösung fertigstellen, die lediglich die Grundfunktionen unserer Abwicklungen beinhaltete und den weiteren Geschäftsgang sicherstellte. Dies war auch nur durch außergewöhnlichen personellen Einsatz - sprich 16-Stunden-Tag - möglich. Der weitere Ausbau unserer Anwendungen sollte dann zügig parallel zum laufenden Tagesgeschäft weitergehen.

Wir brachten es tatsächlich fertig, am 30.12.1980 auf dem alten System den Jahresabschluß zu fahren und ab 5.1.1981 mit dem Tagesgeschäft auf dem neuen NCR-System weiterzumachen. Mittlerweile hat sich alles eingespielt. Die ursprünglich "nackten" Grundanwendungen sind ergänzt und verbessert. Der Anwendungsrückstand ist weitgehend aufgeholt.

Hier einige Erkenntnisse aus unserer an den Nerven zerrenden Hauruck-Umstellung:

Das ursprünglich geplante System sollte ein Maximum an Flexibilität bieten. Aus Zeitgründen konnten aber nur die Basisvorstellungen realisiert werden. Dies hat sich in der Zwischenzeit als großer Vorteil herausgestellt. Wir wissen nun, daß die ohnehin überlasteten Sachbearbeiter mit einer solchen Superlösung kaum fertig geworden wären. Die zum 1. 1. 1981 fertiggestellte "Magerlösung" hat es uns ermöglicht, mit dem Online-Betrieb in der Praxis Erfahrungen zu sammeln und mit diesen Erfahrungen ohne großen Aufwand das System den echten Bedürfnissen anzupassen. Je simpler eine Lösung, desto besser ist sie zu modifizieren!

Außerdem hat sich wieder einmal bestätigt, wie wichtig es Ist, wenn die eigene Crew über gutes Hard- und Software. Know-how des jeweiligen Herstellers verfügt. Ohne diese Kenntnisse wäre uns dieser Schnellschuß nicht gelungen Die Erfahrungen haben uns gezeigt, daß der von NCR gebotene Support sehr zu wünschen übrig läßt.

Franz Mastalerz

DV-Leiter, Burgwallbronn GmbH & Co. KG, Essen (Siemens 7.720, BS1000)

Unser Unternehmen produziert und vertreibt alkoholfreie Getränke. Der Hauptsitz ist in Essen, während es noch selbständige Filialen in Hamburg, Hannover und anderen Städten gibt. Die Umstellung von IBM 360/22 Band auf Siemens 7.720 Band/Platte nahmen wir 1978 vor.

Durch einen Strukturwandel in den letzten Jahren bot sich eine Änderung in der Maschinen-Konfiguration an. Bei der Bandversion waren besonders die Sorts sehr zeitaufwendig, da wir die Verarbeitung mit 15-KB-Bändern bei einer Zeichendichte von 800 bpi durchführten. Dieses wirkte sich zeitlich besonders beim Monatsabschluß negativ aus. Eine Sondierung des Marktes der namhaften Hersteller machte uns die Wahl nicht leicht. Wir entschieden uns schließlich für eine Siemens-Anlage aus folgenden Gründen: umfangreiche Migrationshilfe des Herstellers, ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis sowie die örtliche Nähe der Zweigniederlassung von Siemens, die eine schnelle Behebung bei auftretenden Störungen an dem System versprach.

Zum Zeitpunkt der Umstellung hatten wir rund 180 Programme, die in Assembler programmiert waren. Vorgesehen war eine 1:1-Umstellung mit der Ausnahme, daß ein Großteil der Banddateien und Datenbestände auf Platten (2 Einheiten Siemens 3440 mit je 55 Mio. Bytes) umgeschrieben werden mußte. Da wir Einstiegskunde waren, übernahm Siemens auch das Umschreiben, was lediglich die Änderung der Dateibeschreibung ulk die Erweiterung der IOAREA um 8 Bytes bedeutete. Im Siemens-Rechenzentrum wurden sämtliche Programme mit LIBASI umgesetzt und die für das Laden der Programme erforderlichen Steuerkarten erstellt. Das Umsetzen ergab keine wesentlichen Probleme, lediglich beim PRTOV sowie beim CNTRL ergaben sich Änderungen. Die relevantesten und umfangreichsten Programme von Vertrieb, Buchhaltung und Lohn haben wir in, Siemens-Rechenzentrum, Essen im Dezember 1977 mit unseren vorliegenden Daten getestet. Die Prüfung der Testergebnisse war nicht aufwendig, da wir ja die Ergebnisse von der IBM-Anlage zum Vergleich hatten, zumal in der Logik keine Änderungen vorgenommen worden sind. In der Zeit vom 1.1. 78 bis zur Aufstellung der Anlage Ende Februar 78 wurden von unseren EDV-Mitarbeitern Kurse in Assembler, Platte, BS1000 sowie Operator-Work-Shop besucht.

Sämtliche externen Datenbestände, die auf rund 220 Bändern gespeichert waren, wurden vor der Umstellung von Siemens von 800 bpi auf 1600 bpi umfunktioniert. Außerdem hat Siemens die 55 Banddateien und Datenbestände, welche auf die Platten ausgelagert werden mußten, mit dem Hilfsprogramm TPRA übertragen. Nach nur drei Tagen Arbeitsunterbrechung, die für den Ab- und Aufbau notwendig waren (der Aufbau war in dieser kurzen Zeit möglich, da Siemens die Anlage vor der Installation durchgecheckt hatte), konnten wir weiterarbeiten.

Die Umstellung erfolgte insgesamt reibungslos, ohne großen Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Wir sind jetzt mit der neuen Maschinen-Konfiguration wesentlich schneller, was sich besonders vorteilhaft für unser Management und in der Liquidität auswirkt. Nach der praktischen Erfahrung mit dem BS1000 wurden von uns Änderungen von sequentiellen Dateien in ISAM vorgenommen und ein Teil der Programme, die sonst einzeln geladen wurden, in Job-Streams konsolidiert, was eine weitere Verbesserung im Zeitbedarf darstellte. Unser nächster Schritt ist die Dialogisierung mit der Verlagerung der Datenerfassung in die Fachabteilungen in Verbindung mit einer neuen Maschinen-Konfiguration, da die 7.720 nur bis 2S6 KB ausbaufähig ist und beim Anschluß mehrerer Bildschirme mit längeren Wartezeiten gerechnet werden muß.

Hans Jörg Denz

DV-Leiter, Ritter Sport Schokolade Fabrik, Waldenbuch (Siemens 7.531, BS2000)

Unser Unternehmen stellte im dritten Quartal 1979 von Honeywell Bull 61/60 auf die Siemens-Anlage 7.531 um. Grund für die Umstellung: Die maximale Anwendung im Dialog auf der 61/60 war erschöpft. Es gab keine Möglichkeit mehr, weitere Aufgabengebiete über die Maschine abzudecken. Wir führten mit vier Herstellern einen Benchmark durch und entschieden uns für Siemens.

Das Siemens-Betriebssystem BS2000 schien uns die größten Vorteile zu bieten, und für eventuelle Neuanwendungen wurde Standard-Software angeboten. Honeywell besaß zum damaligen Zeitpunkt keine Maschine, die der Siemens-Anlage gleichzusetzen gewesen wäre. Die Probleme lagen im Betriebssystem, beziehungsweise an der systemnahen Software. Geärgert hat uns auch, daß die Honeywell-Leute nicht in der Lage waren, den Benchmark sinnvoll bei sich durchzuführen. Sie unternahmen vier Versuche, bis endlich einmal ein Ergebnis zustande kam. Natürlich versuchte daraufhin der Vertriebsbeauftragte Zugeständnisse zu machen, was uns aber nicht bewegen konnte, beim alten Hersteller zu bleiben. Für Siemens sprach auch, daß die Umstellung sehr schnell mit der Interimsinstallation einer 7.722 im BS2000 realisiert werden konnte.

Die Entscheidung, den Hersteller zu wechseln, fiel im Februar 1979. Anschließend wurde ein Mitarbeiter für zwei Wochen auf Schulung geschickt. Die Umstellung von rund 300 Cobol-Programmen und Dateien wurde über Konvertierungsprogramme abgedeckt. Geändert werden mußten die Dialogprogramme, und zwar der Steuerteil für Bildschirm-Ein- und -Ausgabe. Die Arbeiten wurden in drei Monaten mit drei Mitarbeitern durchgeführt, Überstunden gab es nicht. Es erfolgten dann Testläufe der Jobs von allen Aufgabengebieten. Als Vorteil erwies sich, daß wir keine Standard-Software einsetzen mußten, sondern die Programme selbst entwickelt haben. Finanziell hatten wir das Glück, daß zu unserem Umstellungszeitpunkt die Hardware-Preise gesenkt wurden. Auch die Software-Leistungen des Herstellers wurden noch nicht so hoch wie derzeit berechnet. Auf jeden Fall hat sich die Produktivität bei uns in der DV um das Vielfache erhöht, und zwar durch die besseren Software-Werkzeuge, die das Arbeiten im Dialog erleichtern.

Abschließend ist zu sagen, daß die harte Arbeit für jeden DV-Leiter die Vorbereitung auf die Umstellung ist. Er muß vorher seine Programme und Daten in Ordnung bringen. Wenn dies erst in der Umstellungsphase. in der man sowieso unter Druck steht, versucht wird, bringt es Probleme.