Es stand in der Welt

Druckfehlerteufel in DFÜ-Leitungen

04.07.1975

BONN/ESSEN - "Nie wurde eine "Welt" mit sovielen Satz- und Druckfehlern produziert wie gegenwärtig", klagte die Redaktion ihren Lesern. "Wir stehen einem übermächtigen Gegner gegenüber, der unsere ganze Aufmerksamkeit erfordert - dem Computer."

Steuercodes für Satzrechner

Nachdem die Redaktion der Tageszeitung "Die Welt" nach Bonn umgezogen ist, praktiziert sie ein neues Herstellungsverfahren: die Manuskripte werden auf IBM-Kugelkopfmaschinen geschrieben und dann von einem holländischen ECRM-Gerät gelesen, das einen Lochstreifen ausgibt. Der Inhalt des Lochstreifens wird über eine Standleitung in den Linotype-Satzrechner der "Welt"-Druckerei in Essen eingelesen. Dort wird der Satz automatisch erstellt und die Hauptausgabe der Zeitung gedruckt.

"Wir setzen zum ersten Mal im Haus Springer Lesegeräte ein - für ein Urteil ist es noch zu früh. Das Ganze läuft erst seit vier Wochen", sagt der Leiter der technischen Organisation, von Perbandt, im Hamburger Stammhaus. Die Hauptschwierigkeiten liegen nach den Worten von Perbandt's bei den Schreibkräften in Bonn, die die Manuskripte abtippen. Sie sind neu und müssen sich erst einmal mit der Tatsache befreunden, die die Schreibmaschinen nicht nur ein Delta als Sonderzeichen haben, sondern daß außerdem zusätzlich zum Text bestimmte Buchstabenkombinationen als Code für die Setzmaschinen eingetippt werden. "Die Damen sind keine Setzer - und sie haben bisher nach visuellen Gesichtspunkten gearbeitet und nicht die maschinelle Lesfähigkeit beachten müssen", sagt Perbandt.

Weigerung bei Biedenkopf

Nach den ersten Erfahrungen hat man jetzt eine Lesestelle eingerichtet, in der alle Manuskripte vor Eingabe ins Lesegerät speziell auf die richtige Codierung hin geprüft werden. Damit soll zumindest vermieden werden, daß der Satzrechner in Essen - wie im Mai geschehen - ein Interview mit dem Generalsekretär Biedenkopf sechsmal als ungenießbar wieder "ausspuckt". Wenn aus einem "politischen Kommandeur" ein "politischer Kommentator" oder aus Harry Truman ein Henry Truman wurde, kann man das freilich nicht der EDV ankreiden - da müssen die Redakteure der "Welt", statt auf die EDV zu schimpfen, besser aufpassen - sie bekommen von allem, was ans Lesegerät geht, eine Kopie. -py