1000 lokale Rechner und 4800 Terminals hängen an einem Netz

Dresdner Bank: Innen IBM, außen Siemens

08.02.1985

FRANKFURT (sch) - Während Siemens bei der Dresdner Bank im Mainframe-Bereich gegenüber IBM an Terrain verlor, hatte der Münchner Computerbauer im Endgerätegeschäft die besseren Karten.

Nach fünfjähriger Einführung präsentierten die Banker am Main jetzt eine nach eigenen Angaben "in Europa bisher einmalige dezentrale DV-Infrastruktur". Über 1000 Geschäftsstellenrechner und rund 4800 Terminals sind online über ein Netz mit den vier Rechenzentren der Großbank verbunden.

Der in jeder Filiale installierte Endstellencomputer Siemens-Transdata 960 mit gegenwärtig 1 MB Speicherkapazität (Ausbau auf 4 MB geplant) übernimmt im Rahmen des Kassen- und Schaltergeschäfts die Vorverarbeitung der Daten und steuert den Nachrichtenfluß zu den DV-Zentralen. Außerdem gewährleisten diese dezentralen Knotenpunkte bei einem Großrechner- oder Netzausfall eine Offline-Datenverarbeitung.

Neben den Endstellenrechnern und den damit verbundenen Siemens-Terminals vom Typ 9772 stammen auch die Datenübertragungssoftware PDN sowie mit "Sidis" der Kern der Anwendungssoftware von dem Münchner Elektro- und Elektronikkonzern. Für die Datenübertragung werden die von der Deutschen Bundespost zur Verfügung gestellten Dienste HfD und Datex-L genützt. Dazu Walter Grohn, Leiter des Konzernstabs Organisation bei der Dresdner Bank: "Durch die Inanspruchnahme der Postdienste und die Transdata-Netz-Philosophie können die Leistungskosten erheblich gesenkt werden, da jeweils nur Nettodaten in die Leitung gelangen." Die LAN-Konzeption erlaube es übrigens auch, daß alle dezentralen Computer untereinander kommunizieren.

Als Anbieter von Endstellensystemen waren außer Siemens die IBM Nixdorf und Philips im Rennen. Den Angaben der Bank zufolge sprachen für Siemens sowohl die Preise als auch die Leistungsmerkmale der Geräte.

Lobby-Banking befindet sich im Aufbau

Neben dem Schalter- beziehungsweise Kassengeschäft, bei der Dresdner Bank kurz "DM-online" genannt, werden über die Endstellensysteme außerdem das Wertpapiergeschäft, der Auslandszahlungsverkehr, die Kundenberatung und zum Teil auch das Devisen- und Geldgeschäft abgewickelt. Langfristig will die DV-Mannschaft am Main auch die Kundendatenverwaltung, die Personalverwaltung und die Textverarbeitung mit in das dezentrale Konzept einbeziehen.

Im Rahmen der Kunden-Anwendungen nutzt die Dresdner Bank verstärkt das Medium Bildschirmtext. Zum einen kann der Kunde, sofern er mit dem nötigen Equipment ausgestattet ist, sein Konto in den eigenen vier Wänden führen und das Informationsprogramm der Dresdner Bank abrufen. Für Kunden, die Bildschirmtext nicht ."empfangen" können, plant das Frankfurter Geldinstitut in einigen Geschäftsstellen den Einsatz von Btx-fähigen Selbstbedienungsterminals. Möglicherweise kommt es durch das sogenannte Lobby-Banking auch zu einer Senkung der Kontoführungsgebühren.

Für die Btx-Nutzung im gewerblichen Bereich wurden die Softwarepakete Drebit (Dresdner Bank-Bildschirmtext) und Drecam (Dresdner Bank Cash-Management-System) entwickelt. Im Rahmen der Bildschirmtext-Anwendungen kommt übrigens nicht nur Siemens, sondern auch IBM zum Zuge. So werden bei der Kundenselbstbedienung zum Teil Arbeitsplatzcomputer von Big Blue in Kombination mit Loewe-Opta-Bildschirmen eingesetzt. IBM-Mikros findet man darüber hinaus auch als Stand-alone-Rechenzwerge in den Banketagen. Um die Rechenleistung a la longue noch weiter auszulagern, ist auch eine Einbindung von Arbeitsplatzcomputern in das Netz geplant. Hier bietet sich aus der Sicht von Werner Reiter, dem Leiter des Bereichs Entwicklung im Konzernstab Organisation, die Ankopplung "angepaßter" Siemens-Mikros an.

Schließlich und endlich sind im Rahmen der EDV-Errungenschaften bei der Dresdner Bank noch die bankinternen Abwicklungsverfahren zu nennen. Hierzu zählen unter anderem das Siemens-Mehrschriftenlesesystem 9691, das Bankleitzahlenabfragesystem und das Börsenhandelssystem Basys, das eine Kommunikation mit insgesamt acht Börsenplätzen in der Bundesrepublik ermöglicht. "Basys" wurde auch in das Gesamtterminalnetz integriert.

Bisher sind die Endstellensysteme noch online mit Siemens-Mainframes der Serie 77XX verbunden. Eine Umstellung auf IBM- oder IBM-kompatible Großrechner in den vier Rechenzentren Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf und Berlin ist jedoch nach Angaben der Bank-Datenverarbeiter schon seit zwei Jahren geplant.

Zunächst einmal sitzt ein IBM-Rechner-Duo, Serie 308X, im Frankfurter Rechenzentrum der Bank sozusagen in den Startlöchern für einen Online-Probebetrieb, Dazu Reiter gegenüber der COMPUTERWOCHE: "Als Nachfolgeprodukt für das in unseren Rechenzentren langjährig genutzte BS 1000, das bekanntlich in den nächsten Jahren ausläuft und auch von Siemens nicht mehr gewartet wird, hat sich die Bank für das MVS entschieden."

Für das Umschwenken auf MVS spricht aus der Sicht von Reiter auch die Kommunikationsfähigkeit dieses Betriebssystems mit Größtrechnern. Ihre Trennung von Siemens im Mainframe-Bereich muß sich die Dresdner Bank aber einiges kosten lassen. Zum einen steht eine Anpassung der Standardsoftware Sidis an, zum anderen benötigt man eine Schnittstellen-SW zur Kopplung des Siemens-Netzes an die Hosts.

Werner Reiter: "Wir haben keine Bedenken, daß das Zusammenspiel klappt, aber es fehlen uns noch die konkreten Erfahrungen".