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Ditec stellt vor dem Amtsgericht München Insolvenzantrag

27.03.2001
Die Geschäftsleitung der Ditec Informationstechnologie AG hat vor dem Amtsgericht München sowohl für die AG als auch für die GmbH und die Verwaltungsgesellschaft mbH einen Insolvenzantrag wegen bilanzieller Überschuldung gestellt.

CW-Bericht von Jan-Bernd Meyer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Geschäftsleitung der Ditec Informationstechnologie AG hat vor dem Amtsgericht München sowohl für die AG als auch für die GmbH und die Verwaltungsgesellschaft mbH einen Insolvenzantrag wegen bilanzieller Überschuldung gestellt.

Der Ditec-Vorstandsvorsitzende Alfred Keseberg erklärte hierzu gegenüber der COMPUTERWOCHE, die Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen hätten die Bilanz zum 30. Juni 2000 geprüft und nicht testiert, weil eine bilanzielle Überschuldung vorliege. "Es handelt sich also, etwas leger ausgedrückt, keineswegs um eine operative Pleite", sagte Keseberg.

Arthur Andersen habe die "Assets" der Ditec bewertet. Barvermögen, Kunden und ein operatives Geschäft seien vorhanden, die Ditec also "eine ganz normale Firma und kein Dotcom-Betrieb, bei dem die Kassen bis zum Mittelpunkt der Erde leer sind", sagte Keseberg, der zur Höhe des Barvermögens aber keine Angaben machte.

Aus der Historie und der Herkunft von Digital Equipment habe die Ditec aber Pensionsverpflichtungen für über 1100 Mitarbeiter geerbt. Hierfür musste auf der Passivseite eine Rückstellung von 63 Millionen Mark gebildet werden. Hinzu kämen Verbindlichkeiten in Höhe von einer Million Mark, "also sehr wenig", sagte Keseberg. Diese 64 Millionen Mark Passiva seien durch die Aktiva "nicht mehr darstellbar gewesen". Arthur Andersen habe resümiert, diese "bilanzielle Schieflage sei nicht ausgleichbar" und habe gefordert, dies zu korrigieren. Mit einer 155-Mann-Firma, so Keseberg, sei diese "Schieflage" aber nicht zu beheben.

Vorstandschef Keseberg: "Wir bemühen uns um ein Fortführungskonzept."

Weder zum Umsatz per 30. Juni 2000 noch zum Gewinn beziehungsweise Verlust wollte sich Keseberg äußern. Er bestätigte allerdings die Frage nach einem anzunehmenden Verlust mit der "bilanziell etwas angespannten Lage". Die Auftragssituation der Ditec habe sich aber wie bei allen anderen ERP-Anbietern seit Dezember 2000 "extrem verbessert". Sowohl bezüglich des Lizenz- wie auch bezüglich des Neugeschäfts sei die Auftragslage "sehr gut". Es gebe noch keinen Rücktritt von Aufträgen wegen des Insolvenzantrags: "Die Leute warten ab und geben uns Bedenkzeit." Auf der CeBIT habe sich gezeigt, dass die Ditec-Kunden dem Unternehmen "relativ viel Treue" entgegenbrächten. "Wir bemühen uns im Moment um ein Fortführungskonzept", sagte Keseberg. Alles, was man operativ an Restrukturierungsmassnahmen treffen kann und in der Vergangenheit auch schon habe bewerkstelligen müssen, "ist geschehen". So sei das Unternehmen in selbständige Firmen geteilt worden. Ferner habe man klar abgrenzbare Geschäftsfelder in der verbleibenden Ditec-Firma geschaffen.

Heute ist Ditec Vertriebspartner von Navision-Damgaard und dessen auf mittelständische Unternehmen ausgerichtete betriebswirtschaftlicher Software "Axapta". Dieses Geschäft, das man mit rund 90 Leuten betreibe, trage zu rund 50 Prozent zum Gesamtumsatz der Ditec bei. Daneben gehöre zur Ditec die Firma Carat, die nicht in das Insolvenzverfahren einbezogen sei. Carat beschäftigt sich mit horizontaler Software und kaufmännischem Rechnungswesen und habe einen Kundenstamm von "Tausenden von Anwendern". Schließlich zähle zu Ditec noch die Firma Solution Software GmbH. Die sei vor allem mit Lösungen für öffentliche Verwaltungen und mit Document-Management- sowie Workflow-Systemen befasst.

Carat und die Software Solutions GmbH waren im Oktober 2000 zunächst an die Softmatic AG, Norderstedt, verkauft worden. Dieser Verkauf wurde aber wieder rückgängig gemacht. Beide Firmen schreiben schwarze Zahlen, sagte Keseberg. "Bei 64 Millionen Mark auf der Passivseite haben sie aber bei unserer Größenordnung immer ein Problem." Mit 155 Mitarbeitern und rund 30 bis 40 externen Kräften die Renten von 1100 bis 1200 ehemaligen Mitarbeitern zu erwirtschaften, "funktioniert nicht". Natürlich gebe es interne Probleme. Ohne die extreme Passivsituation wäre es aber nicht zu der jetzigen Situation gekommen.

Für die Kunden hat sich nichts geändert

Rechtsanwalt Robert Stephan bestätigte, dass die Kanzlei Jaffé & Partner aus München Insolvenzverwalter der Ditec sei. Stephan, der neben Jaffé den Fall betreut, sagte, das Amtsgericht München habe die Kanzlei mit einem Gutachten zur bilanziellen Situation der Ditec und der Prüfung der im Insolvenzantrag genannten Insolvenzgründe sowie der vorläufigen Insolvenzverwaltung beauftragt. Der Betrieb der Ditec laufe ganz normal weiter. Für die Kunden und Lieferanten habe sich nichts geändert. Im Zuge der vorläufigen Insolvenz werde nach einer Lösung im Sinne eines "Asset-Deals" oder eines "Aktien-Deals" gesucht.

Die Geschäftsleitung, so Stephan, habe den Insolvenzantrag gemäss den geltenden gesetzlichen Vorschriften beim Amtsgericht München eingereicht. Danach ist ein Unternehmen verpflichtet, bei Vorliegen von einem von drei Insolvenzgründen - Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder drohender Zahlungsunfähigkeit - einen Insolvenzantrag bei Gericht zu stellen. Stephan geht davon aus, dass ungefähr in acht bis zehn Wochen das Ergebnis des Gutachtens vorliegt, "möglicherweise kann sogar schon Ende April eine Entscheidung fallen". Das Gericht regle dann, ob das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Aderlass seit 1994

Ditecs Vorstandsvorsitzender Keseberg sagte, dass trotz der Kalamitäten nicht daran gedacht werde, einen Teil der 155 Mitarbeiter zu entlassen. Bei ihrer Gründung hatte die Ditec rund 1300 Angestellte der ehemaligen Digital Equipment GmbH in das neue Unternehmen übernommen. Im Zuge von Firmenausgründungen wie etwa der PCS zum eigenständigen Betrieb reduzierte sich dieser Personalstamm. Zum 1. Juli 1999 verkaufte die Ditec zudem ihre Bildungszentren mit deren Mitarbeitern an die GFN. Zum gleichen Zeitpunkt übernahm darüber hinaus das Dienstleistungsunternehmen Forrest P&C alle Servicemitarbeiter der Ditec. Durch diese Massnahmen schrumpfte die ursprüngliche Belegschaft auf aktuell rund 155 Ditec-Angestellte.