Bisher größter Deal am Neuen Markt

Distefora stößt Mehrheit an der Ision AG ab

05.01.2001
MÜNCHEN (CW) - Die Mehrheit der am Neuen Markt notierten Hamburger Ision AG wechselt von der Schweizer Distefora Holding in den Besitz der englischen Telecom-Gruppe Energis. Die Briten wollen für einen 75-prozentigen Anteil an dem Internet-Dienstleister insgesamt 812 Millionen Euro bar und in Aktien zahlen. Der Deal soll bis Ende Januar abgeschlossen sein.

Von der Distefora Holding übernimmt Energis 67 Prozent der Ision-Anteile direkt. Weitere acht Prozent werden von Aktionären abgegeben, die der Distefora nahe stehen. Dem Schweizer Unternehmen fließen insgesamt 400 Millionen Mark in bar und eine Milliarde Mark in Form von Energis-Aktien zu.

Die vom Hamburger Internet-Unternehmer Alexander Falk kontrollierte Distefora trennt sich damit von dem kapitalintensiven Geschäft mit Internet-Diensten. Zwar trug die Ision AG einen Löwenanteil zum Umsatz der Schweizer Holding bei, belastete jedoch rund zwei Jahre nach ihrer Gründung noch immer die Distefora-Bilanz. In den ersten neun Monaten des Geschäftjahres 2000 erwirtschaftete der Internet-Dienstleister bei einem Umsatz von knapp 130 Millionen Mark einen Verlust von rund 50 Millionen Mark.

Für die britische TK-Gruppe Energis bedeutet die Ision-Übernahme eine wesentliche Verstärkung ihrer Deutschland- und europaweiten Präsenz. Das 1993 in London gegründete Unternehmen konzentriert sich auf das Fernmeldegeschäft und Internet-Dienste von Firmenkunden und verfügt in Großbritannien über ein Glasfasernetz von 6500 Kilometern. Hierzulande hat Energis durch die Übernahme von Carrier 24 und Business Online Fuß gefasst.

Von Branchenbeobachtern wird der Kauf von Ision als teurer, aber notwendiger Schritt zur Expansion gesehen. Um europaweit mithalten zu können, müsse Energis die viel beschworene kritische Größe erreichen. Doch wie viele junge Unternehmen muss auch dieser Anbieter aufpassen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. In der Halbjahresbilanz der Briten zum 30. September 2000 blieb ein Verlust von rund 142 Millionen Mark. Dem stand ein Umsatz von knapp 1,6 Milliarden Mark gegenüber.

Nach Angaben von Energis-Vorstandschef Mike Grabiner ist Ision jedoch nicht nur eine Vergrößerung, sondern auch eine Ergänzung des eigenen Angebots. Die Engländer sind zwar ebenfalls im Bereich Web-Hosting tätig, arbeiten hier jedoch vor allem in dem technisch weniger anspruchsvollen Bereich Co-Location. Die lukrativere Zukunft der Branche liegt im Geschäft des so genannten Complex oder Managed Hosting. Dabei handelt es sich nicht mehr nur um die Bereitstellung bestimmter Web-Kapazitäten in Form von Hardware und Infrastruktur. Der Hoster übernimmt außerdem das gesamte Management der vom Kunden ausgelagerten Systeme und Anwendungen. Auf diesem Gebiet konnte Ision mit seinen mittlerweile über 900 Mitarbeitern bereits einen beachtlichen Kundenstamm gewinnen, zu dem unter anderem die Deutsche Bank, Daimler-Chrysler Aerospace, die Commerzbank, Bertelsmann sowie der Axel Springer Verlag gehören.