Notstandssitzung des IBM-Boards anberaumt

Direktoren von Big Blue sollen über Entlassungen entscheiden

18.12.1992

ARMONK(CW) - Die IBM muß offenbar ihre No-layoff-Politik endgültig aufgeben. Der Board of Directors soll in einer Notstandssitzung entscheiden, ob und wie viele Mitarbeiter entlassen, welche Produktionsstätten geschlossen und welche Lines of Business vom Mutterkonzern abgetrennt werden.

Berichten verschiedener amerikanischer Tageszeitungen und

Agenturen zufolge soll der für die nächste Woche einberufene Verwaltungsrat der IBM über weitere Konsolidierungsmaßnahmen beraten, die auch massive Entlassungen einschließen könnten. Wallstreet-Analysten erwarten jedenfalls, daß der Konzern seine operationalen Kosten im nächsten Jahr um .zwei bis drei Milliarden Dollar senken will. Das würde unter anderem die Entlassung von 10 000 bis 30 000 Mitarbeitern notwendig machen. Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens nicht über Anreize zum freiwilligen Ausstieg oder Vorruhestandsregelungen diskutiert, sondern über regelrechte Entlassungen. Die Kosten für einen derart massiven Mitarbeiterabbau veranschlagen Beobachter mit bis zu drei Milliarden Dollar, die gegen die Gewinne des vierten Quartals gerechnet werden dürften. In diesem Jahr hat die IBM bereits 5,4 Milliarden Dollar aufgebracht, um die Kosten für den bisherigen Mitarbeiterabbau (durch Anreize zum freiwilligen Ausstieg) zu finanzieren. Am Jahresende stehen noch rund 300 000 Mitarbeiter auf der Payroll, 107 000 weniger als 1986, dem Jahr, in dem die IBM ihren Schrumpfungsprozeß begonnen hat.

Über Werksschließungen wird ebenfalls beraten

Als weitere "Downsizing "Maßnahmen könnten die Direktoren Werksschließungen in den USA und den anderen nationalen Dependancen in Betracht ziehen, berichtet das "Wall Street Journal". Außerdem käme - so die Meinung von Beobachtern - die Umwandlung einer oder mehrerer Divisionen in unabhängige Aktiengesellschaften in Frage. Obwohl der Verwaltungsrat im Dezember normalerweise nicht tagt, sei er einberufen worden, so das Blatt weiter, weil die Budgetplaner ans Armonk dem Unternehmen eine weitere . Sparrunde verordnet hätten.

Ein Sprecher des Konzerns verweigerte Auskünfte über dieses Sondertreffen und die möglichen Reduktionen von Mitarbeitern und Produktionsstätten. Aber ein Informant innerhalb der IBM habe die Einberufung des Boards zu einer, wie er es nannte, Notstandssitzung, bestätigt.

Einen weiteren Schlag erhielt das Image von Big Blue als die

Investment-Firma Standard & Poors Corp. (S&P) - ebenfalls in der vergangenen Woche - die Schuldverschreibungen(Bonds) des Konzerns auf ihre Credit-Watch-Liste setzte, womit sich eine eventuelle Rückstufung in der Bewertung andeutet die zur Zeit beim höchsten Wert AAA liegt. S&P erklärte, daß rund 9,6 Milliarden Dollar an IBM-Verbindlichkeiten von den Maßnahmen betroffen seien. Außerdem wurden die AAA-Bewertungen der Schuldverschreibungen der blauen Units IBM Credit Corp" IBM International Finance NV und IBM Japan auf die Liste gesetzt Nach der Ankündigung des Investment-Hauses sackte der Kurs, um 2,75 Dollar oder 4,2 Prozent auf 62,65 Dollar ab.

S&P erklärte gegenüber dem "Wall Street Journal", daß die Maßnahmen negative Auswirkungen auf die IBM haben könnten, und ließ außerdem wissen, die "schwierigen Marktbedingungen würden kurzfristig keine großen Fortschritte erwarten lassen.