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Direktanbieter kommen in Deutschland nicht in die Gänge

27.04.2000
Dell und Gateway suchen neue Strategien

Von CW-Redakteur Martin Bayer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Während Dell und Gateway weltweit respektable Ergebnisse vorweisen können, müssen sich beide PC-Hersteller in Deutschland mit einem Platz unter ferner liefen zufrieden geben. Doch die Ziele sind ehrgeizig. Mit neuen Köpfen und Geschäftsstrategien wollen sie die etablierten PC-Veteranen das Fürchten lehren.

Seit März dieses Jahres sitzen in den deutschen Chefsesseln bei Dell und Gateway neue Statthalter. Mathias Schädel in der Dell-Zentrale in Langen und Michael Schönrock bei Gateway sollen den Karren für die Direktanbieter aus dem Dreck ziehen.

Der deutsche Markt taucht in den Geschäftsberichten Dells nicht auf. Die im texanischen Round Rock ansässige Firma veröffentlicht keine Zahlen für einzelne Länder. Doch nach Informationen von Analysten der Gartner Group dümpelt die Company im vierten Quartal 1999 wie schon ein Jahr zuvor mit einem Marktanteil von 3,8 Prozent auf Platz sechs des deutschen PC-Marktes.

Während Dell immerhin noch in der oberen Liga mitspielt, muss sich Gateway in Deutschland mit einem Marktanteil von 0,3 Prozent und Platz 18 im Ranking der PC-Hersteller begnügen. Schönrock versucht, den Vorteil zu sehen: "Wir stehen nicht im Fokus von Fujitsu-Siemens oder Compaq. Die haben uns noch nicht bemerkt, und das macht die Situation ein bisschen leichter für uns", erklärt der frühere Siemens-Manager.

Angesichts des Gesamtergebnisses kann der Gateway-Chef jedoch nicht zufrieden sein. Die Nummer sechs weltweit und Nummer drei auf dem US-amerikanischen Markt mit einem Gesamtumsatz von 8,7 Milliarden Dollar will sich auf Dauer nicht mit einem Aschenbrödeldasein im deutschen Geschäft begnügen. Der Lenker in der Münchener Zentrale versucht sich dennoch vorerst in Bescheidenheit: "Wir sehen uns als Kleinen mit einem kräftigen Rücken."

Die Fehler der Vergangenheit

Auch hinter Dell Deutschland steht ein gesundes, schlagkräftiges Unternehmen, das weltweit nach verkauften Stückzahlen auf Platz zwei steht. Der deutsche Markt unterscheide sich jedoch grundlegend von anderen Märkten, erklärt Schädel. Hier hätten über Jahre hinweg starke deutsche Player wie Escom, Vobis oder Siemens den Markt bestimmt. Außerdem habe es Fehler bei der Preispolitik gegeben. Während der Retail-Markt Kunden mit PC-Angeboten von 2000 Mark lockte, kosteten die Dell-Systeme zwischen 3000 und 3500 Mark. Diese komplett vorkonfigurierten, aber teureren Rechner wollte in Deutschland keiner haben.

Ähnliche Fehler räumt Gateway-Manager Schönrock ein. Der Versuch, das amerikanische Verkaufsmodell mit seinen Country-Stores nach Deutschland zu verpflanzen, sei ein Fehler gewesen, gibt der Geschäftsführer zu. Während Kunden die Läden in den USA in typischen Einkaufslagen zwischen Supermarkt und Schnellimbiss finden, richtete sich der Anbieter in München zwischen Sparkasse und Pelzhandel ein. Parkplätze gab es auch keine. "Das konnte nicht funktionieren. Da sind nie Kunden reingelaufen", so das Urteil Schönrocks über die missglückte Standortwahl. Inzwischen ist der Laden geschlossen.

Als weiteren Grund für die Flaute nennt der Deutschland-Chef das Fehlen einer landesspezifischen Strategie während der letzten eineinhalb Jahre. Doch inzwischen hätten auch die Verantwortlichen in der Gateway-Zentrale für das Geschäft in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA) begriffen, dass Deutschland nicht von Dublin aus gesteuert werden könne. In Zukunft soll jedes europäische Land von einem Management-Team eigenverantwortlich betreut werden.

Gateway plant hybride Channel-Strategie

Um das Direktgeschäft Gateways aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken, wollen die Südstaatler aus South Dakota ein Multi-Kanal-Vertriebsmodell in Deutschland einrichten. Direkter und indirekter Kanal sollen parallel laufen. Es sei zwar komplizierter, beide Vertriebswege nebeneinander zu steuern, erklärt Schönrock, aber auf diese Weise könne man mehr Kunden adressieren.

Bei der Wahl der Kanäle stellt Gateway allerdings hohe Ansprüche. So werde man beispielsweise nicht versuchen, Retail-Ketten für das Consumer-Geschäft zu gewinnen. "Ich habe keine Lust, einen Handelskanal reich zu füttern, der einen fallen lässt wie eine heiße Kartoffel, wenn der Geldhahn zugedreht ist", schimpft Schönrock. Alle Hersteller, die ihre Rechner über Media Markt, Saturn und Co. vertrieben, müssten sich in den Kanal einkaufen. Zwar sei den Mitbewerbern dieses Problem durchaus bewusst, doch viele akzeptierten die Verluste, um sich einen größeren Marktanteil zu erschließen.

Der Gateway-Fokus werde in Zukunft auf den kleinen und mittelständischen Unternehmen liegen. Allerdings müsse man lernen, aktiver auf diese Kunden zuzugehen, fordert Schönrock. Die frühere Strategie, darauf zu warten, dass die Firmenkunden von selbst anrufen, funktioniere nicht. Da gebe es etablierte Handelskanäle und Verbindungen, die nicht einfach zu knacken seien. Das fange beim Kumpel um die Ecke, der einen Computerladen hat, an und höre beim Systemhaus auf, das seine mittelständische Kundschaft betreut.

Um hier mitzumischen, müsse man mit dem Kanal zusammenarbeiten, erklärt Schönrock - allerdings nur dann, wenn der Partner einen Mehrwert bieten könne. Mit reinen Kistenschiebern zu arbeiten lohne sich dagegen nicht. Dann könne man auch weiter direkt verkaufen. Gateway werde sich Partner suchen, die ihren Kunden zusätzliche Services anbieten. Zur Zeit gebe es zwischen 15 und 20 Value Added Reseller (VARs). Es sei jedoch geplant, diese Basis auf 50 bis 60 Partner auszubauen.

Sehr wichtig sei es allerdings, die Jagdgründe genau abzugrenzen, fordert der Gateway-Manager. "Da kann man nicht mal schnell ein Geschäft abschließen. Wenn Gateway die Big Deals selbst macht und den Partner nur die Brosamen übrig lässt, verdirbt man sich den Kanal", beschreibt Schönrock seine Gratwanderung mit dem Hybridmodell.

Dell hofft auf Service-Provider als Kunden

Die Verantwortlichen bei Dell verfolgen andere Ziele. Sie wollen das Enterprise-Geschäft, in dem die texanische Company groß geworden ist, weiter ausbauen. So sollen mit einer neuen Server- und Service-Strategie in Zukunft verstärkt junge Internet-Firmen sowie Service-Provider als Kunden gewonnen werden. Hier sieht Schädel auch die Chance für das Deutschlandgeschäft. Seiner Ansicht nach werde der Markt automatisch auf Dell zukommen. Mit den Erfahrungen im Internet-Business könne man sich den aufstrebenden Dotcoms als Partner präsentieren, der nicht nur die Hardware liefert.

Anders als Gateway plant Dell nicht, den Verkaufskanal zu ändern. Der Fokus bleibe auf dem direkten Weg zum Kunden. Auch den Service wollen sich die Texaner nicht aus der Hand nehmen lassen. So plant Schädel, sein Service- und Consultingteam weiter auszubauen. "Lag früher der Fokus auf den Post-Sales-Phasen, wird sich Dell zukünftig schon in den Design-, Konzept- und anderen Pre-Sales-Phasen stärker einbringen", kündigt der Manager an.

Offenbar liegt Schädel mit dieser Einschätzung nicht ganz falsch: Die Services rund um die Hardware werden in Zukunft über ein profitables Geschäft entscheiden, orakelt Thomas Reuner, Analyst bei der Gartner Group. So würden auch im Business-Bereich die Margen immer weiter zusammenschmelzen. Dell konnte bislang aufgrund einer optimierten Supply Chain eine aggressive Preispolitik verfolgen und so Gewinne erwirtschaften. Das werde in Zukunft jedoch immer schwerer. Im Servicebereich liege der Vorteil auf Seiten der Computerveteranen wie IBM und HP, die eigene große Serviceabteilungen unterhalten.

Obwohl Dell versucht, sich als Dienstleister darzustellen, klappt der Service nicht ohne Partner. Seit Anfang des Jahres kooperiert das Unternehmen in Deutschland mit der General-Electric-Tochter Compunet. Diese soll Dienstleistungen wie Beratung, Implementierung und Garantieabwicklungen übernehmen. Zwar probiere Dell, sich auf der Marketing-Seite als reines Direktunternehmen darzustellen, doch das funktioniere nicht 100-prozentig, analysiert Reuner. Innerhalb der Firma sei es ein Tabuthema, aber bestimmte Marktsegmente könne auch Dell nicht ohne Partner angehen.

Kein Wachstum um jeden Preis

Sorgen wegen der sinkenden Margen im PC-Geschäft wollen beide Direktanbieter nicht zugeben. Bei Dell wie Gateway lautet die oberste Geschäftsmaxime Profitabilität. "Wenn sich ein Deal nicht rechnet, dann machen wir ihn nicht", definiert Schönrock die Spielregeln. Vielleicht komme mal ein Geschäft zustande, bei dem Gateway kein Geld verdiene, aber Verlustgeschäfte würden von vornherein ausscheiden. "Da bleiben wir lieber klein, aber reich. Es gibt andere Wege zu wachsen."

Bei Dell bestimmen drei Faktoren das Geschäft: Liquidität, Profitabilität und Wachstum. Schädel schränkt jedoch ein: "Wachstum um jeden Preis hat keinen Sinn." So müsse Dell nicht jedes Geschäft um jeden Preis gewinnen. Der deutsche Markt sei groß genug, dass man sich um das künftige Wachstumspotenzial nicht sorgen müsse.

Branchenkenner werfen Dell jedoch vor, sich zu spät auf neue Kunden aus der Wachstumsbranche Internet konzentriert zu haben. Das will der 39-jährige Manager so nicht stehen lassen. "Wir nehmen nicht für uns in Anspruch, die innovativste Company zu sein. Aber Dell hat bewiesen, pragmatisch, zielbewusst und effizient an seine Geschäfte heranzugehen, wenn der richtige Zeitpunkt da ist", rechtfertigt sich der Dell-Mann. Diesen Zeitpunkt haben jedoch andere Branchengrößen wie IBM, Sun, Compaq und Hewlett-Packard früher erkannt und entsprechende Programme auf den Weg gebracht.

Um sein Wachstum macht sich Dell dennoch keine Sorgen. Auch wenn die Zahlen die Analysten zuletzt nicht mehr begeistern konnten, bleibt Schädel gelassen. Wichtig sei, dass die Company schneller wachse als der Markt, und dies sei nach wie vor der Fall. Auch der PC-Markt werde in den nächsten Jahren weiter zulegen können. Für Schädel sind keine Geräte in Sicht, die den PC oder die herkömmliche IT-Infrastruktur ersetzen könnten.

Stößt das Direktmodell an seine Grenzen?

Auch bei Gateway liegen die Wachstumsvorgaben für die nächsten Jahre hoch. So will man bis 2003 unter die Top Ten der PC-Hersteller in Deutschland kommen. Bis dahin soll sich der Marktanteil verzehnfacht haben und bei etwa drei Prozent liegen. Im Jahr 2005 sollen sogar fünf bis zehn Prozent möglich sein.

Mit den weltweiten Ergebnissen für das erste Quartal 2000 erhielt die neue Gateway-Strategie allerdings einen empfindlichen Dämpfer. Zwar verbuchte der PC-Hersteller dank eines starken Zuwachses im Consumer-Geschäft ein Gewinnplus von 37 Prozent auf 136 Millionen Dollar. Im Business-Geschäft, auf dem künftig der Fokus liegen sollte, hat die Company jedoch einen Rückgang um 19 Prozent zu beklagen. Gateway-Boss Jeffrey Weitzen bezeichnete dieses Ergebnis als enttäuschend. Allerdings werde Gateway seine Bemühungen um die kleinen und mittleren Unternehmen weiter verstärken, beteuerte der CEO.

Auch Dells weiße Weste bekommt erste Flecken. Nachdem die Company regelmäßig die Erwartungen übertreffen konnte, traf die Gewinnwarnung für das vierte Quartal 1999 die Analysten umso härter. Zwar stieg der Umsatz des am 28. Januar dieses Jahres beendeten Quartals um 31 Prozent auf 6,8 Milliarden Dollar, doch der Gewinn pro Aktie fiel von erwarteten 21 auf 16 Cent pro Papier. Auch den europäischen Dell-Managern weht ein rauherer Wind ins Gesicht. Hier drehte sich in den vergangenen Monaten das Personalkarusell immer schneller. So warf zum Beispiel EMEA-Chef John Legere, nach nur wenigen Monaten das Handtuch und verließ das Unternehmen. Nachfolger wurde Paul Bell. Ex-Zentraleuropa-Chef Edmund Bernardi musste ebenfalls Platz machen. Für ihn kam Mathias Schädel. Dieser versucht die Rochaden mit persönlich geprägten Entscheidungen zu erklären. Gartner-Analyst Reuner vermutet allerdings steigenden Druck auf das Management und persönliche Querelen hinter den Kulissen des Direktanbieters.

Oder doch Mentalitätssache?

Den Hauptgrund für den schleppenden Rechnerverkauf via Internet sieht Thomas Reuner, Analyst des Marktforschungsunternehmens Gartner Group, in der deutschen Mentalität. Viele kleinere und mittlere Unternehmen besuchten zwar die Web-Seiten der Anbieter und holten sich dort Informationen, aber gekauft werde dort nichts. Als Transaktions-Tool werde das Web nicht wahrgenommen. Ein Grund dafür sei die Angst, was mit den übermittelten Daten passiere, erklärt Reuner. Horrormeldungen, etwa über Diebstähle Tausender Kreditkartennummern, leiteten Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Außerdem neigten die Deutschen generell zu einem vorsichtigen Umgang mit Geld. Während die Briten gerne auf Kredit(karte) einkauften, tendierten die Deutschen zur Barzahlung. Schulden machen sei verpönt.