Von Machtballung bei der Brüsseler Bürokratie beunruhigt:

Diebold-Chef sieht Risiken in "Europa 1992"

16.12.1988

NEW YORK (vwd) - "Europa 1992" wird Hunderttausende von Geschäftsleuten in aller Welt dazu veranlassen, ihre Wettbewerbsstrategie zu überdenken. Das führte Dr. Gerhard Adler, Geschäftsführender Direktor der Diebold Deutschland GmbH, in einem Pressegespräch in New York aus. "ln einer Zeit, in der Visionen rar sind, stellt Europa 1992 gewiß eine solche Vision dar."

Was die Realisierung der von den EG-Mitgliedern angepeilten Punkte zur Schaffung eines einzigen Marktes anbelangt, zeigte sich Adler gleichwohl nicht immer optimistisch. Er verwies auf politische Risiken, die "beträchtlich" seien: Anstieg der Arbeitslosenrate, Arbeitsunruhen, Schließungen von Produktionsanlagen, zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, Spannungen im Handel mit den USA und Japan sowie eine verstärkte Wettbewerbsfähigkeit einiger ausländischer Konkurrenten. Für besonders beunruhigend hält der Diebold-Vertreter den Umstand, daß politische Entscheidungen dann im von Bürokraten beherrschten Brüssel getroffen werden und nicht mehr von den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft.

Der Prozeß des Treffens demokratischer Entscheidungen werde somit von demokratischen Regierungen nach Brüssel transferiert, wo die Gefahr bestehe, daß Gesetze und Richtlinien aus einem nichtdemokratischen Prozeß hervorgehen werden. Doch selbst wenn der "grenzenlose" Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften nicht vollauf realisiert wird, wird nach Adler die Wirkung der Vision von "Europa 1992" enorm sein. Jean Pierre Roy von Diebold France S. A. verwies darauf, daß im bedeutenden Bereich der Telekommunikation von den 1000 in Europa aktiven Unternehmen derzeit nur rund 30 einen Jahresumsatz von durchschnittlich über 25 Millionen Dollar ausweisen können. "Führende europäische Unternehmen werden zunehmend global aktiv."

Doch sind, stellte Adler heraus, europäische Staaten nicht die einzigen die im Tempo zulegen. "Die Japaner sind bereits damit beschäftigt, einzelne europäische Staaten auf die geringsten Einstiegshemmnisse im Vergleich zum Rest Europas abzutasten."

Der Bereich der "business communications" wird nach Roy im Europa 1992 ein bedeutender Wachstumssektor sein. Nach seinen Angaben entfallen auf Telekommunikation inzwischen 30 Prozent des Gesamtabsatzes in der Informationstechnologie.