Euro-Umstellung/Essentials für Umstellungen mit Blick auf wirtschaftliche Perspektiven

Die wichtigsten Schritte auf dem Weg zum Euro

25.11.1998
Von Irina Hesselink* Vom Euro profitieren nur die großen Unternehmen? Eher dürfte von "Survival of the Quickest" die Rede sein. Gerade Spätstarter sollten nicht resignieren, sondern sich konzentriert auf das Wesentliche an die Zukunft ihrer Betriebe machen.

Auf der Suche nach dem optimalen Timing für die DV-Umstellung auf den Euro haben sich nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT) gut 30 Prozent der Unternehmen für den frühestmöglichen Zeitpunkt entschieden. In dieser Gruppe finden sich mit Namen wie Bayer, BMW, Bosch oder Daimler-Benz vor allem die ganz Großen der deutschen Industrie. Sie rechnen bereits zum Jahreswechsel in Euro. Weitere 17 Prozent planen die Umstellung erst für 2002.

Der Rest ist bisher Euro-abstinent. Gut die Hälfte der deutschen Firmen will den Euro irgendwann in der Übergangsphase in Angriff nehmen oder hat noch gar keine Vorsätze. Vor allem der Mittelstand zögert. Viele Unternehmen möchten nicht selber die Pionierrolle bei der Umstellung übernehmen, sondern lieber von anderen lernen. Außerdem fürchten kleine und mittlere Betriebe die Extrakosten.

Doch nun heißt es auch hier handeln: Denn ab dem 1. Januar 1999 muß die Möglichkeit bestehen, Zahlungen in Euro entgegenzunehmen und zu leisten. Damit wird die neue Währung gleich zu Beginn einen starken wirtschaftlichen Sog entfalten und bereits zum Jahreswechsel zunehmend im Geschäftsverkehr auftauchen - zuerst im Geld- und Kapitalmarkt, danach auf Lieferantenrechnungen oder Überweisungen.

Wann ein Unternehmen komplett auf Euro umstellt, ist von Faktoren wie Standort, Branche, Markt oder vom Grad der Zusammenarbeit mit Dritten abhängig. Grundsätzlich gilt: Je stärker die Verflechtung mit Großunternehmen oder die internationale und überregionale Tätigkeit, desto eher sollte der Wechsel erfolgen.

"Die Behauptung, die Währungsunion würde nur Vorteile für die großen Unternehmen bringen, ist ein Trugschluß. Es sind nicht unbedingt die Großen, die sich in Europa gute Geschäfte erhoffen dürfen, sondern vor allem die Schnellen", prophezeit Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes deutscher Banken.

Ähnlich sieht Birgit Fauser, bei IBM Global Services verantwortlich für den Euro, auf Unternehmen Konsequenzen zukommen, die "den rein technischen Geldverkehr und die notwendigen Anpassungen im Rechnungswesen bei weitem übersteigen. Der Euro ist mehr als ein DV-Problem.

Es geht um die Nutzung des Binnenmarktes. Wer sich strategisch auf den Euro einstellt, hat unabhängig von der Größe enorme Vorteile."

Beispiel Automobilindustrie: Hier zeichnet sich ein immer stärkerer Verdrängungswettbewerb unter den Lieferanten ab. In einer Zeit, in der viele große Hersteller die Zahl ihrer Lieferanten zugunsten langfristiger Systempartnerschaften reduzieren, werden sich mittelständische Zulieferer dem Wunsch oder der Forderung nach Auftragsabwicklung in Euro nur schwer verschließen können, wollen sie auch weiterhin wettbewerbsfähig bleiben.

Und dabei geht es nicht nur um Rechnungen in Euro, sondern genauso um Preislisten, Angebote, Auftragsbestätigungen oder Zahlungen. Auswirkungen hat der Euro damit auf fast alle Unternehmensbereiche, angefangen bei Datenverarbeitung, Rechnungswesen sowie Lohn- und Gehaltsbuchhaltung über Mitarbeiterschulung und Kommunikation bis hin zu Einkauf, Marketing und Vertrieb.

Daß für die Umstellung ein möglichst langer Planungszeitraum wünschenswert ist, liegt auf der Hand. Georg Romig vom Stuttgarter Autoteile- und Zubehöranbieter Trost hat mehr als 2000 Manntage für das Euro-Projekt angesetzt: "Wir müssen zum Tag X der Umstellung der Hauswährung dafür sorgen, daß die 500000 Ersatzteile von über 500 Lieferanten und die 1000 unterschiedlichen Rabattgruppen für unsere Kunden so reibungslos miteinander verzahnt sind wie am Tag zuvor."

Wichtig ist, zunächst festzustellen, welche betrieblichen Funktionen des Unternehmens und welche Hauptschnittstellen zu Banken, Lieferanten und Kunden von der Euro-Einführung unmittelbar betroffen sind. Gleichzeitig heißt es, die Konsequenzen für die künftige strategische Ausrichtung und das Verhalten des Wettbewerbs zu prüfen, ferner, was die Kunden erwarten oder ob die Möglichkeit besteht, durch den Euro neue Märkte zu erschließen.

Vor dem Hintergrund des Wegfallens währungsbedingter Beschränkungen im Warenverkehr, etwa Wechselkursrisiken, Kurssicherungskosten und Transaktionskosten, ist es wahrscheinlich, daß neue Wettbewerber auf den Markt treten. Gleichzeitig besteht die Chance, selbst auf neuen Märkten präsent zu sein, wobei der Preisdruck durch den vereinfachten Preisvergleich kontinuierlich zunehmen wird.

Dies bleibt für viele Unternehmen nicht ohne Auswirkungen auf die Preispolitik oder die Größe des Vertriebsgebiets. Ebenso ist zu prüfen, ob sich Beschaffungsmärkte erweitern lassen, um Kostensenkungspotentiale zu nutzen, oder ob die Euro-Umstellung Standortentscheidungen beeinflußt.

Davon hängen die weiteren Planungsaktivitäten ab, insbesondere die Überlegungen, zu welchem Zeitpunkt internes und externes Rechnungswesen sowie die Datenverarbeitung umzustellen sind. Nur so lassen sich rechtzeitig innerbetriebliche und gegebenenfalls externe Kapazitäten planen.

Nach bisher etwa 200 Umstellungsprojekten in Deutschland, betont IBMs Euro-Spezialistin Fauser, sei es unabdingbar, eine detaillierte Bewertung der Folgen für das Geschäft einschließlich einer Beurteilung der Märkte und Konkurrenz vorzunehmen: "Zirka 80 Prozent der gesamten IT-Anwendungen sind betroffen, denn hier laufen alle Bereiche zentral zusammen."

Unternehmen sollten dabei die Lohn- und Gehaltsabrechnung, auch wenn dies gesetzlich möglich ist, nicht auf die lange Bank schieben. Hier empfiehlt sich die frühzeitige doppelte Ausweisung, um Mitarbeiter an die neue Währung zu gewöhnen. Wer 2002 plötzlich numerisch nur die Hälfte ausgezahlt bekommt, tut sich möglicherweise sehr schwer mit der Umstellung.

Eins steht fest: Je später ein Betrieb mit der Umstellungsplanung beginnt, desto mehr wächst die Gefahr einer Verteuerung und die von Engpässen. Umfragen zufolge veranschlagen Unternehmen dafür zwischen 0,5 und zwei Prozent des Umsatzes. Im Mittelstand fehlen großteils genaue Kostenvorstellungen.

Aber auch mit den möglichen Einsparpotentialen haben sich viele noch nicht ernsthaft auseinandergesetzt. Ziel sollte es sein, im Rahmen der Euro-Umstellung Arbeitsabläufe zu optimieren, fällige Modernisierungen in Angriff zu nehmen und damit langfristig mehr einzusparen, als Kosten für den Wechsel auf die neue Währung anfallen.

Helmut Kruse, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Detmold, betont: "Uns geht es auch darum, im Zuge der Euro-Umstellung unsere Arbeitsabläufe generell kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen."

Rund 3000 einzelne Euro-Maßnahmen hat das größte Geldinstitut der Region Lippe Anfang dieses Jahres identifiziert, die es bis zum Jahr 2002 zu bearbeiten gilt. Das 14köpfige Euro-Kernteam analysierte sämtliche Prozesse in allen Geschäftsbereichen von Kredit und Einlagen über Schalter/Kasse, Devisen, Wertpapier und Zahlungsverkehr bis hin zu Immobilien, Personal und Controlling.

Das Beispiel Detmold illustriert, daß die erfolgreiche Umstellung auf den Euro mit einer fast generalstabsmäßigen Planung und Durchführung einhergeht. Im Fall der Sparkasse sorgen klare Projektstrukturen für eindeutige Kommunikations- und Abstimmungswege.

Mehrere Teilprojektleiter zeichnen für die fachliche und technische Umsetzung in ihrem Geschäftsfeld verantwortlich. Ihnen übergeordnet steuert ein Team, in dem auch Mitarbeiter des Projektpartners IBM vertreten sind, die operative Gesamtplanung, koordiniert die Teilprojekte und informiert den Vorstand mit regelmäßigen Statusberichten sowie Entscheidungsvorlagen zur Klärung offener Punkte.

In zwei Datenbanken sind der gesamte Maßnahmenkatalog abgebildet sowie mögliche und bereits bekannte Auswirkungen der Euro-Umstellung dokumentiert. Dieses Hilfsmittel ist per Groupware für alle Projektbeteiligten verfügbar und wird von ihnen aktualisiert. So verfügen alle zu jedem Zeitpunkt über aktuelle und zuverlässige Informationen als gemeinsame Arbeitsgrundlage.

Grösste Herausforderungen

Erschwerend zur Währungsumstellung in der DV kommen hinzu: die Datumsänderung zur Jahrtausendwende sowie eventuell bereits laufende, umfangreiche Entwicklungsprojekte. Angesichts der langen Vorlaufzeiten spielen rechtzeitige Bewertung und Planung eine zentrale Rolle.

Für den Umstellungstermin bietet sich prinzipiell der 31. Dezember an, parallel zum Abschluß eines Geschäftsjahres; in diesem Fall beschränkt sich die Umstellung auf die Bestandskonten, während andernfalls alle Konten umzustellen sind. Um die Workload zu verringern und damit Hard- und Software nicht über Gebühr zu belasten, kann es jedoch teilweise sinnvoll sein, den Jahresabschluß und die Euro-Umstellung zu trennen.

Grundsätzlich liegen die größten Herausforderungen in den folgenden Bereichen:

-zwei Währungssysteme während der Übergangsphase,

-Dezimalstellen,

-Verbindung zu Lieferanten,

-Änderungen in Anwendungspaketen,

-umfangreiche Datenumstellung nach der Übergangsphase,

-Rundungsvorschriften, Umrechnung und Triangulierung,

-Erprobung und Prüfung.

Unternehmen sollten sich deshalb folgende Fragen stellen:

-Sind Hardware und Software Euro-tauglich?

-Reichen die internen Kapazitäten, um die Euro-Umstellung intern zu bewältigen, oder sind externe Kapazitäten hinzuzuziehen?

-Lassen sich im Zuge der Euro-Umstellung anstehende Modernisierungen der IT-Systeme realisieren?

-Sind die Euro- und die Jahr-2000-Umstellung miteinander abgestimmt?

-Ist genügend Zeit für Testläufe eingeplant?

-Kann das DV-System bei Umrechnungen von Mark und Euro Rundungsdifferenzen und -fehler verarbeiten?

Angeklickt

Wegfall von Wechselkursschwankungen, größere Sicherheit für Kalkulation und Planung, höhere Preistransparenz, sinkende Kosten für den internationalen Waren- und Geldverkehr, Zugang zum gesamten europäischen Markt als "Heimatmarkt" etc. Solche Vorteile des Euro kann im vollen Umfang nur nutzen, wer im Potential der Währungsumstellung mehr sieht als eine DV-technische Modifikation. Weil insbesondere im Mittelstand diesbezüglich noch erhebliche Defizite bestehen, erläutert dieser Beitrag wichtige Essentials für DV-Projekte.

*Irina Hesselink ist freie Journalistin in Boenholt.