Für 1992 Verdreifachung der Daten-Neuanschlüsse geplant

Die Telekom konnte ihre Ziele im Osten annähernd erreichen

31.01.1992

BONN (see) - Knapp verfehlt hat die deutsche Bundespost Telekom 1991 ihr Instalationsziel in den neuen Bundesländern: Von einer halben Million anvisierten Telefon. Neuanschlüssen konnten 453 000 eingerichtet werden; zusätzlich erfolgten rund 100 000 Neubelegungen bereits bestehender Anschlüsse. Im Datenverkehr kamen 6326 Verbindungspunkte hinzu.

"Im großen und ganzen" sieht die Telekom ihrem Vorstandsvorsitzenden Helmut Ricke zu folge die Jahresziele 1991 als erreicht an. Das geplante Investitionsvolumen von sieben Milliarden Mark habe indes wegen immobilienrechtlicher Schwierigkeiten nicht voll ausgeschöpft werden können. Die verbleibenden 500 Millionen Mark, so Ricke, seien aber fest verplant und würden bis Ende des ersten Quartals 1992 plaziert sein. Damit soll sich nach den Planungen der grauen Post 1992 ein Investitionsvolumen im Beitrittsgebiet von insgesamt 9,5 Milliarden Mark ergeben.

Von den insgesamt 555 252 eingerichteten Telefonanschlüssen entfielen nach Angaben von Wilhelm Pällmann, im Telekom-Vorstand für die Ostaktivitäten zuständig, 152 903 auf die gewerbliche Wirtschaft. Die bevorzugte Behandlung der Geschäftskunden äußere sich auch in einem Sonderangebot an die Geschäftsleute, die bis Frühjahr 1991 einen Erstanschluß bestellt und bislang nicht erhalten haben: Diese sollen in Kürze Zugang zum C-Mobilfunk-Netz zu den Grundgebühren des regulären Telefonnetzes erhalten. Von den arbeitsplatzintensiven Betrieben in der ehemaligen DDR haben haben nach Telekom. Darstellung bereits jetzt 98 Prozent einen Telefonanschluß.

Der größte Erfolg, so Ricke, sei die Einrichtung des digitalen Overlay-Telefonnetzes gewesen; auf einen Schlag" habe man damit die Anzahl der Ost-West-Verbindungen um 31 000 auf jetzt 34 000 erhöhen können. Zwei Drittel aller Anrufe von Ost nach West gelingen dem Telekom-Chef zufolge dadurch jetzt spätestens beim zweiten Wählversuch, während es früher ganze fünf Prozent gewesen seien.

Um die Versorgung mit TK-Diensten weiter zu verbessern, arbeitet die Telekom seit einem Jahr mit privaten Partnern zusammen, die "die gesamte fernmeldetechnische Infrastruktur" für regionale Bereiche liefern sollen. Obwohl, wie Ricke konzedierte, im Fall des Vertragspartners Siemens AG Lieferverzögerungen aufgetreten seien, sei man mit der Praxis solcher "Turn-key-Projekte" zufrieden. Aufträge für 200000 Anschlüsse dieser Art seien schon beschlossene Sache.

Insgesamt will die Telekom im laufenden Jahr 600 000 neue Telefon-Endpunkte einrichten und die Gesamtzahl im Osten damit auf drei Millionen erhöhen. Der Bedarf indes ist weit höher: Wenigstens eine, vielleicht aber zwei Millionen unerledigter Installationsaufträge seien noch zu bearbeiten, wie Ricke eingestand. Des weiteren hofft man - mit verstärktem Blick auf die Kunden aus dem Bankengewerbe - 18000 neue Datenanschlüsse einzurichten und damit auf eine Gesamtzahl von etwa 28000 Datex-P, Datex-L und Festleitungs-Endpunkten zu kommen, teilte Pällmann mit.

Neben den Neuanschlüssen müsse das Augenmerk jedoch "noch stärker als bisher auf die regionale Netz-Infrastruktur" gerichtet werden. Die "Uralt-Technik" in den Ortsnetzen halte dem Verkehrsaufkommen nicht mehr stand, so daß es auch mal zu "unfreiwilliger" Teilnahme Dritter an Telefongesprächen kommen könne. Ricke wandte sich jedoch gegen die Vermutung, es würden nach dem Ende der Stasi noch Gespräche abgehört.

Falsche Gebührenabrechnungen, solche seien "in Einzelfällen" vorgekommen, führte Ricke ebenfalls auf die überlastete Vermittlungstechnik zurück. Gegenwärtig sind nach Pällmanns Angaben 174 von über 2000 Vermittlungsstellen digitalisiert, Ende 1992 sollen es 938 Stück sein.

Als weiteres Ziel für das begonnene Jahr nannten Pällmann und Ricke das D1-Mobil-funk-Netz, das einen Versorgungsgrad von 40 Prozent der Bevölkerung und 20 Prozent der Fläche erreichen soll. Beim Cityruf strebe man einen "vorläufigen Endausbau" an, und für den "Chekker". Bündelfunk befänden sich gegenwärtig mehrere Netze im Aufbau. Als Beispiele führte Pällmann die Ostseeküste, Magdeburg, Frankfurt an der Oder, Cottbus und Neubrandenburg an.

Zur Finanzierung der Neun-Milliarden-Investitionen 1992 wird die Bundespost ihre Netto-Kreditaufnahme auf knapp 17 Milliarden Mark erhöhen müssen, teilte Ricke auf Nachfrage mit.

Ein Dorn im Auge der grauen Post ist der Grundgesetz-Artikel 87. Er verbietet der Telekom, als Netzbetreiber im Ausland aufzutreten. Durch die Erfahrungen in den neuen Bundesländern, so Ricke, sei man aber geradezu prädestiniert, auch beim Aufbau und Betrieb neuer TK- Strukturen in Osteuropa eine führende Rolle zu spielen.