Rasantes Wachstum im Markt für Storage-Management-Anwendungen erwartet

Die Speicherbranche setzt auf Software

16.08.2002
MÜNCHEN (sp) - Angesichts der sinkenden Margen im reinen Hardwaregeschäft verlegen sich die Speicheranbieter zunehmend auf Storage-Management-Tools. Analysten sagen dem Markt für Speichersoftware ein rasantes Wachstum voraus. Allerdings mangelt es noch an der notwendigen Interoperabilität von Hard- und Software.

Die Speicherhersteller leiden schon seit Jahren unter dem zunehmenden Preisverfall. Experten zufolge gehen die Preise um jährlich 35 bis 40 Prozent zurück. Zwar hat sich die Situation wieder etwas gebessert gegenüber dem vergangenen Jahr, als Nachlässe von bis zu 70 Prozent keine Seltenheit waren. Doch laut Meta-Group-Analyst Norbert Deuschle sind Aktionen wie das Sommerangebot von EMC, "bei dem der Kunde eines ,Clariion''-Systems ein ganzes Terabyte gratis dazubekommt", nach wie vor gang und gäbe. Die konjunkturell bedingte Investitionszurückhaltung der Anwenderunternehmen hat die Misere der Anbieter noch verschärft. Statt in groß angelegte Infrastrukturprojekte investieren viele Kunden lieber kurzfristig in preisgünstige Speichersysteme, die sie unmittelbar benötigen.

Storage-Software wird immer wichtiger

Andererseits nimmt der Bedarf an Speicher weiter zu - den Analysten von Gartner zufolge um jährlich 60 bis 65 Prozent. Um der wachsenden, zunehmend in Netzen verteilten Datenflut Herr zu werden und die Kapazitäten so weit wie möglich auszulasten, sind immer komplexere Systeme erforderlich, die sich nur noch mit Hilfe von hoch spezialisierter Speicher-Management-Software steuern und verwalten lassen: Neben den Tools zur reinen Hardwareverwaltung zählen dazu Anwendungen für das Storage-Resource-Management (SRM), Server-Clustering und Virtualisierung sowie alles, was mit dem Thema Daten-Management zu tun hat (Replikation, Backup und Desaster-Recovery).

Branchenexperten sagen dem Geschäft mit Speicher-Management-Software daher ein rasantes Wachstum voraus. Den Analysten von Giga zufolge wird der Markt von sechs Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 18 bis 20 Milliarden Dollar 2005 zunehmen. Auch die Meta Group rechnet mit steigenden Investitionen in Speicher-Management-Software. Nach Einschätzung von Analyst Deuschle werden derzeit zehn bis zwölf Prozent des IT-Budgets für Storage ausgegeben. Davon machten die Hardwareausgaben 60 bis 70 Prozent und die Softwareinvestitionen immerhin schon 15 bis 20 Prozent aus. Bis 2004 soll der Softwareanteil auf 50 Prozent ansteigen.

Kein Wunder, dass sich die traditionellen Storage-Anbieter ein Stück des Lizenzkuchens sichern wollen, der im Gegensatz zu dem von sinkenden Margen geprägten Hardwaregeschäft einen kontinuierlichen Geldzufluss garantiert. Die reinen Softwareanbieter - etwa Veritas oder Computer Associates (CA) - bekommen zunehmend Konkurrenz aus dem Hardwarelager. Vor allem EMC, IBM, HP/Compaq und Hitachi Data Systems (HDS) konnten im vergangenen Jahr Marktanteile hinzugewinnen.

Da die Hardwarehersteller neben den "eigentlichen" Storage-Management-Anwendungen eigene Tools zur Verwaltung ihrer Disk-Arrays anbieten und diese Bereiche nicht getrennt ausweisen, lassen sich die Anteile der einzelnen Player jedoch nicht eindeutig zuordnen: Bezieht man die Einnahmen der Hardwarehersteller aus dem Geschäft mit reinen Hardwareverwaltungs-Tools, auf die rund ein Drittel der gesamten Speichersoftwareumsätze entfallen, mit ein, ist EMC laut Gartner in diesem Segment die Nummer eins. Der Storage-Riese konnte seinen Marktanteil im vergangenen Jahr um 10,6 Prozent auf 30,4 Prozent ausbauen. Auf Platz zwei liegt nach dieser Rechnung Veritas mit einem Marktanteil von knapp 20 Prozent, gefolgt von IBM mit 14,2 Prozent. Ohne die reinen Hardwareverwaltungs-Tools liegt allerdings Veritas mit 30 Prozent an erster Stelle, gefolgt von IBM mit 18 und EMC mit zwölf Prozent.

Den Rest des Marktes teilen sich CA, HP/Compaq, Legato Systems, BMC Software, Storagetek, Network Appliance und Hitachi Data Systems (HDS), wobei sich die Position von CA nicht eindeutig mit Zahlen belegen lässt: Der Marktanteil des Unternehmens ist in erster Linie wegen einer Umstellung der Buchhaltung und des Lizenzmodells auf Abo-Basis um mehr als die Hälfte im vergangenen Jahr auf 4,1 Prozent gefallen.

Der Markt ist schwer einzugrenzen

Schwer einzugrenzen ist der Markt auch, weil der Begriff Speicher-Management-Software viele Bereiche umfasst. Die Hersteller kommen aus verschiedenen Ecken, verfolgen unterschiedliche Ansätze und haben ihre jeweiligen Stärken auf bestimmten Gebieten. Oder sie befassen sich von vorneherein nur mit speziellen Bereichen - wie etwa CA mit Backup und SRM. "Jeder spricht zurzeit von Speicher-Management - doch die jeweiligen Angebote weichen zum Teil gewaltig voneinander ab", kommentiert Deuschle. Momentan könne man die einzelnen Player daher nur in "Leader", "Challenger" und "Follower" einteilen.

Die derzeitigen "Leader" - da sind sich die Experten einig - sind EMC und Veritas Software. Veritas hat zwar im vergangenen Jahr einen Nettoverlust von 651 Millionen Dollar - 31 Millionen Dollar mehr als im Vorjahr - ausgewiesen. Die Einnahmen konnte das Unternehmen aus dem kalifornischen Mountain View jedoch um 24 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar steigern. Nach Einschätzung von Hubertus von de Fenn, Consultant bei der Meta Group, hat der 1989 gegründete Spezialist für Speicherverwaltungs-Tools, der sich vor zwei Jahren den Festplattenhersteller Seagate einverleibte, derzeit noch einen Technologievorsprung von einem halben bis ganzen Jahr vor den anderen Playern im Storage-Management-Markt.

Veritas und EMC: Ein Kopf-an-Kopf-Rennen

Auch Analyst Deuschle bescheinigt Veritas ein umfassendes Angebot an leistungsstarken und zuverlässigen Produkten - vor allem in den Bereichen Clustering, Backup-Restore und Desaster-Recovery. Postiv anzumerken sei zudem der Ausbau des Partnergeschäfts, das die Kalifornier lange Zeit zugunsten ihrer OEM-Aktivitäten vernachlässigt hätten. Und nicht zuletzt verfüge Veritas über ein sehr professionelles Management, das im Gegensatz zu vielen Vertretern der IT-Branche seine Kosten im Griff habe. "Veritas wird auch in Zukunft zu den Leadern gehören", ist Deuschle überzeugt.

Doch der größte Veritas-Herausforderer, der Storage-Riese EMC, schläft nicht: In den vergangenen Jahren konnte der US-amerikanische Konzern sein Softwaregeschäft um elf Prozent ausbauen. 2001 setzte EMC inklusive der Tools zur Hardwareverwaltung knapp 1,5 Milliarden Dollar mit Speicher-Management um, während sich die Gesamteinnahmen auf 7,09 Milliarden Dollar beliefen. Laut Deuschle ist EMC im Enterprise-Storage-Bereich nach wie vor die Nummer eins - speziell was hardwarenahe Anwendungen wie etwa die Datenreplikation für Symmetrix angehe.

Der Vorsprung von EMC in diesem Bereich lässt sich vor allem damit begründen, dass das Unternehmen - wie die anderen Hardwarehersteller auch - in seiner Softwarestrategie einen anderen Ansatz verfolgt als Veritas. Während Veritas ein eigenes File-System entwickelt hat, das alle gängigen Betriebssysteme unterstützt, laufen die Anwendungen der Hardwarehersteller auf den Speichersubsystemen selbst und hier vorrangig auf den eigenen Arrays, auf die sie optimal abgestimmt sind.

Interoperabilität ist Gebot der Stunde

Angesichts der zunehmenden Komplexität und Vernetzung der Speichersysteme ist es jedoch sinnvoll, dass sich die Programme auch für andere Speicherdateien verwenden lassen. "Ab 2003/2004 werden alle Hersteller von ihren proprietären Lösungen abgerückt sein", prophezeit Meta-Consultant von de Fenn. Die bislang fehlende Interoperabilität der Management-Tools sei ein großes Problem für die Anwender: "Die Firmen haben nicht genügend Experten, die mit der Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungen umgehen können", argumentiert der Berater. Deshalb seien sie gezwungen, die Anwendungen entsprechend ihrer Hardware auszuwählen. "Aber auf absehbare Zeit werden sich die Anwender nur noch Lösungen anschaffen, die nach standardisierten, offenen Kriterien entworfen sind", ist von de Fenn überzeugt.

Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch bei den Hardwareherstellern durchgesetzt. Offenheit und Standardisierung sind zurzeit in aller Munde. "Die Branche hat eingesehen, dass die Luft dünner wird und die Anwender nicht mehr gewillt sind, darum zu betteln, dass der Softwareanbieter ihre Server-Plattform unterstützt", so von de Fenn. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die "Widesky"-Initiative von EMC - das Entwicklungs-Framework für eine Middleware, die die Steuerung von Storage-Hardware der Konkurrenz ermöglichen soll. Auch HDS hat mit seiner "Truenorth"-Strategie auf offenen Standards basierende Produkte angekündigt.

Viel mehr als die Öffnung der APIs für die Hersteller von SAN-Komponenten wie Hubs, Switches, Hosts und Anwendungen haben die vollmundigen Versprechungen bislang allerdings nicht bewirkt. Vor einer Standardisierung auf Array-Management-Ebene schrecken die Anbieter offenbar noch zurück - vor allem aus politischen Gründen: "Ein Key-Player wie EMC hat natürlich kein Interesse daran, als erster Anbieter die eigene Plattform in IBMs ,Tivoli Storage Manager'' zu integrieren - und umgekehrt", so Deuschle. "Schließlich will jeder seine eigenen Tools verkaufen."

Erster Standard in Sicht

Experten sehen in Widesky daher auch noch keinen wirklich plattformübergreifenden Ansatz, sondern eine pragmatische Lösung, die von der eigenen Hardware ausgeht: "EMC öffnet die APIs, um es anderen Herstellern zu ermöglichen, Funktionen in ihre Software einzubauen, mit denen sich die EMC-Systeme ansteuern lassen", erklärt von de Fenn.

Eine standardisierte Offenheit für jeden Hersteller und auf jeder Ebene verspricht nach Ansicht von de Fenns dagegen die neueste Initiative in diesem Bereich: das von der Storage Network Industry Association (Snia) entwickelte "Common Information Model" (CIM), das objektorientierte Beschreibungen der Beziehungen innerhalb einer Speicherumgebung liefert. Allerdings wird es nach Einschätzung von Experten noch mindestens ein Jahr dauern, bis auf diesem Standard basierende Lösungen auf den Markt kommen, während Widesky, das behauptet jedenfalls EMC, wesentlich schneller realisiert werden kann.

Dabei ist EMC jedoch auf die Zusammenarbeit mit anderen Anbietern angewiesen - eine Bedingung, die dem in der Branche nicht gerade beliebten Ex-Monopolisten Probleme bereiten dürfte. Mit Ausnahme von HP/Compaq zeigen vor allem die großen Array-Anbieter dem Storage-Riesen die kalte Schulter. Und auch Compaq will sich Widesky nicht anschließen, sondern nur seine APIs bis zu einem gewissen Grad für EMC-Produkte öffnen.

Die Nummer drei im Markt für SpeicherManagement-Software, IBM, konnte ihren Marktanteil im vergangenen Jahr zwar um satte 32 Prozent steigern. Nach Ansicht von Experten hat der Konzern jedoch noch Nachholbedarf, was den plattformübergreifenden Einsatz der Tools angeht. "IBM fällt es - im Vergleich zu anderen Playern - noch immer schwer, sich den Systemen anderer Hersteller zu öffnen", so Berater von de Fenn.

Auch sein Kollege Deuschle sieht Big Blue momentan eher als "Challenger". "Die sind noch sehr mit der Integration der zahlreichen unterschiedlichen Plattformen in ihre Storage-Management-Suite ,Tivoli TSM'' beschäftigt", so der Analyst. Was dem Konzern im Speichersoftware-Segment nach Einschätzung von Experten allerdings tatsächlich zum Durchbruch verhelfen könnte, ist die "Storage-Tank"-Software, an der das Unternehmen schon seit Jahren arbeitet und die 2003 zusammen mit einer eigenen Virtualisierungstechnik als erstes heterogenes Dateisystem auf den Markt kommen soll.

Gute Chancen im Markt für Speicher-Management-Software dürfte auch HP/Compaq haben. Mit einem Marktanteilszuwachs von 39 Prozent im vergangenen Jahr gehört das fusionierte Unternehmen zu den am schnellsten wachsenden Playern im Markt. Nach den Worten von Deuschle ist HP/Compaq zwar momentan noch stark mit Integrationsaufgaben beschäftigt. Dank dem Management-Framework "HP Openview" und den entsprechenden Applikationen im Enterprise-Markt sei der Konzern jedoch hervorragend positioniert - auch für die Zukunft: "Mit intelligenter Hardware, Virtualisierungsprojekten und offenen Schnittstellen bietet das neue HP ein komplettes Portfolio an - vom Mainframe über Highend-Unix und NT bis hin zu kleineren Lösungen", so der Analyst.

Kooperationen sind sinnvoll

Den mit 59 Prozent stärksten Zuwachs im vergangenen Jahr verzeichnete HDS, das erst vergleichsweise spät ins Geschäft mit Speicher-Management-Software eingestiegen ist. Den Zuwachs verdankt das Unternehmen einem Reseller-Deal mit Sun Microsystems, aber auch seinen Tools, die in ihrer Funktionalität dem "Auto-IS-Konzept" von EMC ähneln und auf die eigenen Subsysteme optimal abgestimmt sind. Im Gegensatz zu Wettbewerbern wie EMC positioniert sich HDS nach wie vor in erster Linie als Hardware-Player. Die Notwendigkeit, seine Lösungen für andere Hersteller zu öffnen, hat das Unternehmen aber erkannt: Die Anwendungen, die der Newcomer im Rahmen seiner Truenorth-Strategie angekündigt hat, sollen auf Standards wie CIM und Soap (Simple Objects Access Protocol) basieren. Vor allem aber die enge Kooperation mit IBM im Storage-Management birgt Potenzial. Nachdem HDS bereits das komplette Festplattengeschäft von Big Blue übernommen hat, wird spekuliert, dass die beiden Player sich auch den Array-Bereich aufteilen - etwa dass IBM sich nur noch auf Anwendungen und HDS auf die Hardware konzentriert.

Den Softwarespezialisten Veritas lässt das zunehmende Engagement der Hardwarebranche im Markt für Storage-Management-Anwendungen relativ kalt. Nach den Worten von Chairman und CEO Gary Bloom kommen die Versuche, sich über offenere Systeme ein größeres Stück des lukrativen Software-Management-Markts zu sichern, zu spät. "Dank unseres zehnjährigen Vorsprungs am Markt wird uns keiner mehr einholen", behauptet der Firmenchef.

So klar entschieden ist das Spiel jedoch längst nicht. Da der Speichersoftware-Markt auch von der Entwicklung intelligenter Speichernetzwerk-Infrastruktur - etwa von Brocade und Cisco - geprägt ist, lässt sich schwer sagen, wo die Reise langfristig hingeht. "Wer in Zukunft welche Rolle spielt, ist noch relativ offen", beschreibt Deuschle. "Alles ist momentan im Fluss."

Konsolidierung zeichnet sich ab

Für viele Anbieter wird die Luft jedoch dünner. Während die Key Player im vergangenen Jahr Marktanteile hinzugewinnen konnten, büßten etwa BMC Software und Storagetek 17 beziehungsweise 16 Prozent ein. Nach Einschätzung von Consultant von de Fenn zeichnet sich eine Konsolidierung im Storage-Management-Markt ab. Mit dem HP-Compaq-Merger sei bereits ein wichtiger Anbieter von der Bildfläche verschwunden. Jetzt müssten sich vor allem die Nischenhersteller, die auf dedizierte Storage-Management-Funktionen spezialisiert sind, warm anziehen. "Sie haben zwar alle valide Lösungen, aber sie werden es schwer haben, lange durchzuhalten, wenn sie nicht auf die Initiativen der Großen aufspringen", so von de Fenn.

Im Zuge der Standardisierung wird sich der Markt nach Einschätzung des Experten mittelfristig in zwei Lager spalten: "Auf der einen Seite Veritas, stark im Backup- und Volume-Management-Bereich, auf der anderen die Spezialisten für Datenreplikation und Storage-Restore-Management wie EMC oder CA und kleinere Hersteller, von denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit einige der Widesky-Initiative anschließen werden."

Abb: Der Speicher-Management-Markt

Bei Einbezug der Array-basierenden Software ist EMC im Markt für Storage-Management-Anwendungen die Nummer eins. Ohne den Mikrocode ist es Veritas. Quelle: Gartner Dataquest