Die Schriftform ist ein hoher Schutzwall

14.10.1983

Verträge für die Beschaffung von kommerziellen Personal Computern bedürfen fast so starker Aufmerksamt wie die über größere Computer und damit relativ mehr Beachtung. Rechtliche Absicherung ist gut, tatsächliche ist besser. Absichern kann sich der Anwender durch sachgerechte Vertrags- und Installationsvorbereitung, so daß das Risiko, das im Vertrag verteilt werden muß, vorher bereits möglichst verringert worden ist. Außerdem sollte der Anwender die zu erwartende Leistung genau studieren, so daß er nicht viel mehr erwartet, als er auf Grund des Vertrages erwarten darf.

Wenn heute ein Lieferant von Bürocomputern mit dem folgenden Satz wirbt, zeigt das, daß es nicht (mehr) so sehr auf die Hardware ankommt: "Computer + Beratung + Programme + Betreuung + Schulung + Wartung = DV-Lösung". Das gilt auch für PCs. Es ist selten sinnvoll, an der Hardware zu sparen.

Bewährtes beschaffen

Wer Bewährtes beschafft, entgeht zahlreichen Risiken aber auch Chancen, etwas besonders Passendes oder etwas besonders Preisgünstiges zu bekommen. Die Risiken liegen darin, daß DV-Produkte als technisch komplizierte Produkte erst einmal ausreifen müssen; insbesondere gilt das für DV-Programme. Selbstverständlich besteht auch die Gefahr, daß sie veralten.

Ein Standardprogramm kann nicht alle individuellen Wünsche abdecken. Vorsicht ist geboten vor der Werbung, daß ein Anbieter mit Standardsoftware "maßgeschneiderte" Lösungen bieten kann. Es ist durchaus möglich, daß ein Programm die Anforderungen des einen Anwenders ziemlich genau erfüllt. Aber dem im Standardprogramm enthaltenen "Anwendungsvorrat" müssen Grenzen gesetzt sein. So kann dieses Programm aus organisatorischen Gründen für einen anderen Anwender ungeeignet sein.

Die Schwierigkeiten, die das Abändern von Standardprogrammen mit sich bringt, sollte nicht unterschätzt werden ebensowenig die Kosten Außerdem ist ein fehlendes Programmteil leicht ebenso teuer wie das gesamte Standardprogramm. Ein Laie kann auch gar nicht beurteilen, wieviel Aufwand eine Änderung verursachen kann, zum Beispiel die Änderung, bei einem Ausdruck oben im Formular drei Leerzeilen einzusparen. Die Absicherung sollte dahin gehen,

- sich eine Referenzliste geben zu lassen über die Zahl der Installationen und das Datum der Erstinstallation, Lösungen kaum kennen können.

Als Hauptprobleme führt Jamin auf:

- Es fehle an anwendungsbezogener Software.

- "Lange Reparaturzeiten sind immer noch häufig".

- Der autonome Computer werde isoliert betrieben und nicht in den GesamtinformationsfluB integriert.

Als Lösung schlägt Jamin vor, daß "alle Maßnahmen, eventuell in verkürzter Form die bei der Einführung eines Großsystems vorzunehmen sind, auch bei den kleinen Computern angewendet werden. Das gilt für die Auswahl des Systems selbst (Hardware)

- sich eine Referenzliste geben zu lassen über die Zahl der Installationen der angebotenen Version des Programms und das Datum der Erstinstallation dieser Version

- sich mindestens eine Referenzinstallation anzusehen, und zwar die eines erfahrenen Anwenders.

Vorsicht wallten lassen

Vorsicht ist notwendig gegenüber

- dem Problemlöser DV

- sich selbst,

- dem Anbieter.

Der Black-box-Anwender ist anfangs überfordert, DV-Leistungen zu beschaffen:

- Er weiß nicht, worauf es ankommt.

- Er weiß nicht, was machbar ist und was nicht. Niemand kommt auf die Idee, eine tragende Mauer im Erdgeschoß eines mehrstöckigen Gebäudes um einen halben Meter zu versetzen. Ein Black-box-Anwender kann sehr wohl ein solches Ansinnen an eine Programmkonstruktion richten.

-Er ist verunsichert und sucht jemanden, dem er vertrauen kann.

-Er ist oft fasziniert von der DV und überschätzt deren Möglichkeiten.

- Er versteht die Zusammenhänge nicht und ist im Ernstfall verunsichert.

Eine moderne Variante des kleinen Black-box-Anwenders sind die Fachabteilungen großer (Profi-)Anwender. Wie viele Nachteile können die Fachabteilungen der zentralen Datenverarbeitung nachsagen oder andichten? Teuer sei sie, schwerfällig, langsam, sie habe kein Verständnis für die Fachabteilungsprobleme...

Also soll ein dezentrales System her, das alle diese Nachteile anscheinend nicht hat! "Die Entscheidung zur Anschaffung des DV-Systems -wird von Nichtfachleuten getroffen, die von den angepriesenen Leistungen sich in der Regel nicht haben überzeugen können" (1). Zu ergänzen ist daß sie die Nachteile solcher wie für die Beschaffung und Entwicklung der Software. Die Weiterbildung des entsprechenden Personals muß gewährleistet sein; ein Wartungsvertrag ist abzuschließen, auch die Beschaffung und der Einsatz von Datenträgern und Peripherie muß koordiniert werden. Die organisatorische Einordnung von Personal-Computer-Anwendern im Betrieb muß überdacht werden."

Der Anwender sollte sich den Rückzug aus einer Installation, die zu scheitern droht, offenhalten. Er sollte möglichst so lange die alte Verarbeitungsweise parallel zur neuen einsetzen, bis er sicher ist, daß er mit der neuen weiterarbeiten kann, auch wenn der Fortschritt bei dieser eine Zeitlang ausbleibt. Das ist sein einziges Druckmittel. Das Kündigungs/Rücktrittsrecht ist auch das einzige Rezept, das die AGB des Lieferanden dem Anwender belassen.

DV-Systeme können trotz aller Perfektion Fehler haben. Eine Laie sollte sich nicht zutrauen, allein damit fertig werden zu können, er sollte eine Störung lieber früher als später seinem Lieferanden melden.

DV-Systeme können auch ausfallen. Der Anwender sollte seinen Betrieb so einrichten daß auch einmal ein Tag Stillstand verkraftet werden kann.

Bedienungsanweisung beachten

Bei der Bedienungsanweisung für den PC kommt es darauf an, ob sich der Lieferant darauf eingerichtet hat, daß ein DV-Laie ihn benutzen soll. Die Bedienungsanweisung soll für einen DV-Laien verständlich sein, nicht nur für einen DV-Mann, der Englisch versteht.

Die Bedienungsanweisung für die Software - wie abgeschwächt auch die für die Hardware - sollte der Dreh- und Angelpunkt der Systemnutzung sein. Die Schulung sollte bereits daraufhin ausgerichtet sein, mit Hilfe der Bedienungsanweisung das System zu nutzen.

Die Konzentration auf die Bedienungsanweisung setzt natürlich eine gute Bedienungsanweisung voraus. Sie ist ein wesentliches Qualitätszeichen für das Produkt. Denn erstens ist das Erstellen der Dokumentation unbeliebt; sie wird ganz am Ende gemacht, wenn nichts Dringendes mehr zu erledigen ist. Die Existenz einer guten Bedienungsanweisung ist somit ein Indiz für ein ausgereiftes Programm. Zweitens ist eine gute Bedienungsanweisung ein Indiz dafür, daß der Lieferant

erkannt hat, was der Kunde braucht, nämlich unter anderem eine gute Bedienungsanweisung.

Der Interessent kann und sollte sich diese "Visitenkarte" für das Programm von vornherein anschauen.

Die Bedienungsanweisung sollte dem aktuellen Stand des Programms (Version) entsprechen. Das versteht sich aus der Sicht vieler DV-Lieferanten nicht von alleine.

Die Schriftformklausel ist ein hoher Schutzwall für den Lieferanden: Was nicht im Vertragsdokument steht, ist kaum einklagbar. Darüber hinaus ist die schriftliche Niederlegung des mündlich flüchtig Geäußerten oft höchst förderlich für die Projektdurchführung.

Der vertraglich vereinbarte Gebrauch

Der Auftraggeber hat den nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch des PC, hilfsweise den gewöhnlichen Gebrauch, zu gewährleisten (° 459 BGB). Dabei geht es im Wesentlichen um die Funktionen (qualitative Seite) und um die Kapazität des PC.

Sind keine konkreten Wünsche besprochen worden oder zwar besprochen, aber nicht festgelegt worden, liegt der gewöhnliche Gebrauch in dem was der PC bei durchschnittlichen Anforderungen eines durchschnittlichen Anwenders können soll. Nur gibt es diese Durchschnitte nicht und daher kann ein ordentliches Programm für einen konkreten Anwender untauglich sein.

Zu bedenken ist bei Standardlieferungen, daß der Lieferant alle Funktionen in der Produktbeschreibung einschließlich der Bedienungsanweisung niedergelegt hat. Das erschwert den Beweis, daß die Parteien etwas anderes vereinbart haben oder der Lieferant die Tauglichkeit dieses Produkts für diesen Anwender zugesagt hat.

Zu bedenken ist weiterhin, daß die Unzufriedenheit des Anwenders oft weniger im Mangel an Funktionen als im Mangel an Komfort begründet ist. Über den gewöhnlichen Komfort läßt sich trefflich streiten.

Mangelnder Komfort ergibt sich häufig auch aus mangelnder Kapazität des PC. Zu bedenken ist, daß der Lieferant von sich aus kaum Aussagen zu dessen Leistungsverhalten macht (Bedarf an Betriebsmitteln und Zeitverhalten).

Literatur (1)

Jamin, Autonomer Mikro bringt Sand ins Getriebe, Computerwoche vom t 0. August 1981

Entnommen aus: HMD, Handbuch der modernen Datenverarbeitung, Heft 113, September 1983, Forkelverlag, (ISSN 0723-5208)

Wird fortgesetzt