Fachhochschule Karlsruhe, Fachbereich Informatik:

Die Praxissemester haben sich bewährt

02.02.1979

KARLSRUHE - Nachdem in Fachpublikationen von verschiedener Seite die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Informatikstudiums aufgeworfen wurde, soll im folgenden der Studiengang "Wirtschaftsinformatik" an der Fachhochschule Karlsruhe erläutert werden, um ein fundiertes Urteil zu ermöglichen.

Voraussetzung für ein Fachhochschulstudium ist die Fachhochschulreife, das heißt entweder

- Mittlere Reife und abgeschlossene Lehre und 1 Jahr erfolgreicher Besuch eines Vorkurses oder - erfolgreicher Abschluß der 12. Klasse eines Gymnasiums.

Etwa 25 Prozent der Studierenden besitzen das Abiturzeugnis.

Das Studium gliedert sich in

- einen theoretischen Teil, bestehend aus sechs Studiensemestern an der Fachhochschule Karlsruhe

- einen praktischen Teil, bestehend aus zwei Praxissemestern, die in einem geeigneten Betrieb mit EDV-Abteilung abgeleistet werden müssen. Jedes Praxissemester umfaßt 26 Wochen praktische Ausbildung. In einigen Bundesländern, zum Beispiel Hessen, sind diese Praxissemester kein zwingender Bestandteil eines Fachhochschulstudiums. Bei Abschluß einer einschlägigen kaufmännischen Lehre wird das erste Praxissemester und bei ausreichender Berufserfahrung wird das zweite Praxissemester auf Antrag erlassen.

Die Studierenden sind in festen Semesterverbänden zusammengefaßt, wobei ein Semester aus räumlichen und soziologischen Gründen nicht mehr als 36 Studierende umfaßt. In den ersten beiden Semestern sind etwa 15 Prozent Abgänge zu beobachten. Der durch überschaubare Semesterverbände bewirkte persönliche Kontakt und die interpersonellen Bindungen sind ein ungewöhnlich stabilisierender Faktor, so daß gezielte Störungen des Unterrichts oder der Klausuren seit 1971 an der Fachhochschule Karlsruhe nicht aufgetreten sind. Hierzu trägt an der Fachhochschule Karlsruhe auch eine großzügige Raumsituation bei.

Neue Planstellen

Der Lehrkörper für den Studiengang setzt sich gegenwärtig aus Professoren der Fachbereiche Wirtschaftsingenieurwesen (seit 1968 bestehend) und Informatik (seit 1971 existent) mit insgesamt 19 Professoren zusammen. Im Zuge der Studienplatzausweitung werden jedoch neue Planstellen öffentlich ausgeschrieben und besetzt. Für alle Professoren an Fachhochschulen ist eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung Voraussetzung, wobei die meisten Mitglieder des Lehrkörpers diese Berufserfahrung in der Industrie erworben haben.

- Für die Ausbildung an der Fachhochschule stehen mehrere Datenverarbeitungssysteme zur Verfügung:

- Mehrbenutzersystem mit fünf alphanumerischen Datensichtgeräten, umfangreicher Peripherie (zum Beispiel Plotter, Grafiksichtgerät) und PDP 11/40

- Dialogsystem mit acht Datensichtgeräten und einem an eine Burroughs 7600 angeschlossenen Stationsrechner Siemens 310

- Siemens 7750 der Universität Karlsruhe (Remote Terminal wird Anfang 1979 für die Fachhochschule Karlsruhe installiert)

- Remote-Job-Entry-System mit Anschluß an das Mehrprozessorsystem Univac 1100 der Universität Karlsruhe und IBM 370-168 der Universität Heidelberg - Kleinrechner (Wang, IBM 5100 etc.) und sieben Mikroprozessorsysteme.

Die Nutzung der Einrichtungen anderer Institutionen in Karlsruhe, zum Beispiel Universitätsbibliothek, Landesbibliothek, sind möglich. Die Ausbildung von graduierten Informatikern an einer Fachhochschule ist gegenüber anderen Ausbildungseinrichtungen differenziert.

Sofort anwendbare Kenntnisse

Fachschulen mit mehrmonatiger - im allgemeinen ganztägiger - Ausbildung sind auf die Vermittlung sofort anwendbarer Fachkenntnisse gerichtet. Das Eingangsniveau der Kursteilnehmer schwankt stärker, eine Schulung des Denkens ist infolge der Kürze der Ausbildung nur begrenzt möglich. Den Gegensatz hierzu bilden die Universitäten, die in besonderem Maße zu abstraktem Denken erziehen, wobei die Vermittlung sofort verwertbaren Wissens infolge der Allgemeingültigkeit des vermittelten Wissens nur begrenzt möglich ist. Die Ausbildung an Fachhochschulen ist von der Zielsetzung, der Ausbildungsdauer und den Eingangsvoraussetzungen zwischen den vorgenannten Institutionen angesiedelt. Das Studium an einer Fachhochschule ersetzt im allgemeinen nicht eine betriebliche spezielle Ausbildung für die im Betrieb eingesetzte Datenbank und das Betriebssystem.

Während des Studiums sind insgesamt etwa 30 Klausuren erfolgreich zu bewältigen. Das Studium schließt gegenwärtig mit dem Abschluß Informatiker (grad.) ab, jedoch wird gemäß dem in Kraft getretenen Hochschulrahmengesetz in Kürze der Abschluß als Diplom-Informatiker verliehen. Der formale Hochschulabschluß ersetzt nicht die betriebliche Eignungsprüfung im Hinblick auf den betriebsspezifischen Bedarf.

Realistische Erwartungen

Die beruflichen Erwartungen von Fachhochschulabsolventen sind durch ihren Kontakt zur Praxis realistisch. Einen Karriereanspruch haben nur wenige Absolventen mit ausgeprägt starker Persönlichkeit. Die Gehalterwartungen sind auf ein Anfangsgehalt von etwa 2500 Mark gerichtet. Der Vielseitigkeit der zukünftigen Arbeit wird ein hohes Gewicht zugemessen, von vielen leider auch dem Verbleib am Studienort.

Die Praxissemester für Studenten der Wirtschaftsinformatik an Fachhochschulen haben sich bewährt, auch wenn dieses in manchen Bundesländern, die die Praxissemester nicht zwingend vorschreiben, geleugnet wird. Die Fachhochschule Karlsruhe sucht daher Kontakt zu Unternehmen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, vorzugsweise im süd-westdeutschen Raum, sei es zur Gewinnung von nebenberuflichen Lehrbeauftragten, sei es zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen während der Praxissemester oder für die Anfertigung von Studienabschlußarbeiten.

Dr. Michael Friedrich ist Professor an der Fachhochschule Karlsruhe (Fachbereich Informatik)