Marketing-Vorleistungen aller Beteiligten vonnöten:

Die Post fordert mehr Engagement von den Anbietern

18.09.1987

Das Hauptziel der Marketingstrategie 1887 ist es natürlich, die Zahl der Btx-Anschlüsse zu erhöhen. Ende 1986 wurde als Ziel 100 000 Anschlüsse angepeilt: nach der heutigen Entwicklung scheint zumindest die 90 000ers Grenze überschritten zu werden. Ein zweites wichtiges Ziel besteht darin, die Anbieter mit möglicherweise noch deutlich verbesserten Programmangeboten zu erhalten.

Die Entwicklung der letzten Wochen berechtigt hier zu einem vorsichtigen Optimismus, obgleich das wünschenswerte Angebot für große Teilnehmerzahlen noch nicht erreicht wurde. Telekommunikationsdienstleistungen entwickeln sich am Markt nach aller Erfahrung immer recht langsam, und es bedarf eines langen Atems, um die notwendigen Vorleistungen zu erbringen. Die Deutsche Bundespost leistet hierfür seit Jahren einen hohen Beitrag.

DBP-Angebot von MultiTel

Seit Anfang dieses Jahres bietet die Deutsche Bundespost Endgeräte - sogenannte MultiTel - an, die in der Lage sind, neben dem Telefondienst noch andere Dienste abzuwikkeln. Die MultiTel der Serie 1 (schwarzweiß) und 2 (farbig) ermöglichen neben dem komfortablen Telefonieren auch die Abwicklung des Btx-Dienstes. Die Anfang nächsten Jahres angebotenen MultiTel 3 und 4 eröffnen unter anderem zusätzlich die Option des Zugriffs auf asynchrone Datendienste und den Anschluß von PCs.

Um die Akzeptanz dieses Endgeräteangebotes sicherzustellen, wurde besonderer Wert auf günstige Angebotskonditionen gelegt. Die monatliche Miete ist außerordentlich niedrig und konnte nur aufgrund der Einkaufspreise bei großen Stückzahlen erreicht werden. Nach den bisherigen Erfahrungen hat diese Vorleistung der Deutschen Bundespost erheblich dazu beigetragen, die Btx-Anschlußzahlen zu erhöhen.

Verbesserung von Leistungsmerkmalen

Das Btx-System ist in den vergangenen Jahren stetig weiter ausgebaut und verbessert worden. Nicht nur die Investitionen von jährlich über 50 Millionen Mark können dies deutlich bestätigen. Der Komfort und die Leistungsmerkmale sind offenkundig. So wurden zum Beispiel bis heute in diesem Jahr bereits folgende neuen Leistungsmerkmale realisiert:

- Dienstübergang Btx-Telex / Telex-Btx;

- verbesserter Zugriff auf das Elektronische Telefonbuch (ETB);

- Kennzeichnung von Werbemitteilungen in der Empfangsliste,

- Löschen von Mitteilungen ohne Zwang zum vorherigen Lesen;

- Rücksenden von ungelesenen Mitteilungen nach 30 Tagen;

- Referenzverweise für Combined-Seiten

- teilnehmerindividuelle Kurzwahlregister für zehn Btx-Seiten;

- Verzicht auf Eingaben von "19" bei Dialogseiten ohne persönliche Daten und Vergütungen;

- vom Teilnehmer bestimmbarer

Maximalbetrag für Gebühren und Vergütungen bei Mitbenutzern

- Querverweise in bestimmte Regionalbereiche und auf die Blätter b - z innerhalb eines Angebots;

- Verbesserungen bei der Verwaltung von GBG-Listen;

- Rücksprung in den vorangegangenen Angebotsbereichen;

- Namenseingabe zur Anbietersuche.

Das Btx-System und damit der Btx-Dienst werden auch künftig weiter verbessert und der technischen und marktkonformen Entwicklung angepaßt. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die derzeitigen Versuche über die Nutzung der Chipkarte als Zugangshilfe und Sicherung für den Btx-Dienst.

Private Anwender sind hinsichtlich ihrer Motivation für Btx sehr schwer zu klassifizieren. Die subjektive individuelle Interessenlage ist weitgehend entscheidend für die Teilnahme am Dienst. Auch die letzt- jährigen Marktforschungsergebnisse von Socialdata und Inquest führten noch nicht zu zwingenden Schlußfolgerungen. Lediglich eine Erkenntnis stabilisiert sich in zunehmendem Maße: Es gibt auch den privaten Btx-Teilnehmer - und den in einem beträchtlichen Potential.

Erfahrungen über durchgeführte Marketingmaßnahmen können zur Zeit konkret erst nach Marktforschungen gewonnen werden. Teilergebnisse werden in den nächsten Wochen und Monaten vorliegen und gegebenenfalls die Marketingstrategie der Deutschen Bundespost für 1988 entscheidend beeinflussen.

Außerdem wird zur Zeit intensiv die Erweiterung des Dienstes im ISDN vorbereitet. Bereits Ende 1988 soll es soweit sein. Dann können die ersten Btx-Teilnehmer mit entsprechenden Endgeräten die 64-KBit-Übertragungsrate des ISDN nutzen und Zugang zum ISDN-Btx-System erhalten. Wesentlichster Vorteil für den Teilnehmer wird neben der schnellen Übertragungsrate der Daten vom Endgerät zum System und umgekehrt die außerordentlich kurze Bildaufbauzeit sein, die vom Kunden praktisch nicht mehr wahrgenommen werden kann. Damit wird es auch möglich, die Vorteile des CEPT-Standards hinsichtlich aufwendiger Grafiken umfassend zu nutzen.

Kooperation mit Marktpartnern zur Teilnehmergewinnung

Wenn heute von Marketing für Btx gesprochen wird, so wird in der breiten Öffentlichkeit doch weitgehend die Deutsche Bundespost damit verknüpft.

Sie ist jedoch nur ein Partner am Markt. Andere nicht unwesentliche Partner sind die Produzenten von Endgeräten und deren Verteilorganisation sowie die Anbieter im gesamten Rahmen des Btx-Systems. Neben diesen Partnern spielen natürlich die Teilnehmer und insbesondere die Teilnehmer mit beispielhaften Anwendungen eine große Rolle, so daß sich für die Deutsche Bundespost vordringlich drei Gruppen des Marktes als Kooperationspartner anbieten.

Kräftige Finanzspritze für die Industrie

Mit den Produzenten von Endgeräten arbeitet die Deutsche Bundespost von Anfang an sehr eng zusammen und unterstützt finanzkräftig deren Arbeit. Erinnert sei hier nur an die Hilfen zur Entwicklung preisgünstiger Endgeräte mittels geeigneter Decoder-Bausteine und preisgünstiger Adaptionshilfen für PCs zur Teilnahme am Btx-Dienst. Nicht zuletzt sind auch die hohen Bestellquoten für MultiTel ein wesentlicher Beitrag zur preisgünstigen Endgeräteproduktion.

Die Kooperation mit den Anbietern erfolgt weitgehend über die Btx-Anbietervereinigung und verläuft sehr gut. Beide Partner helfen sich gegenseitig, wobei die Deutsche Bundespost unter anderem auch hier finanzielle Beiträge leistet.

Ist ein Anbieter oder Teilnehmer bereit, seine verfügbaren Anwendungen zu benennen und für die Vermarktung freizugeben, die Zielgruppen zu beschreiben und die Deutsche Bundespost unter anderem bei Werbe- und PR-Maßnahmen zu unterstützen, so wird dieses Angebot angenommen und, wenn auch in bescheidenem Umfang, honoriert. Außerdem unterstützt die Deutsche Bundespost diese Aktionen mit der ihr zur Verfügung stehenden Personal- und Sachmittelkapazität.

In diesem Zusammenhang verbleibt allerdings die Feststellung, daß die Marktpartner der Deutschen Bundespost ihre Marketingaktivitäten noch verstärken müssen, denn ein "Selbstläufer" wie der Telefondienst ist Btx noch lange nicht.

Erste Erfahrungen der bisherigen Marketingmaßnahmen

Grundsätzlich muß gesagt werden, daß ein Erfolg der bisher durchgeführten Marketingmaßnahmen nur schwer zu quantifizieren ist. Allenfalls könnte vom Teilnehmerzugang in diesem Jahr gegenüber 1986 auf die Einführung der MultiTel geschlossen werden. Gleichwohl sollte aber deshalb nicht die Notwendigkeit von Marketingaktivitäten in Zweifel gezogen werden.

Geschäftliche Anwender werden im Regelfall dann Btx-Teilnehmer, wenn sich dies irgendwie und irgendwann finanziell auszahlt. Hier haben sicher viele Marketingmaßnahmen aufklärend gewirkt und zur positiven Entscheidung für Btx beigetragen. Diese Aufklärung und Information ist auch weiterhin zwingend notwendig, wobei zu hoffen ist, daß aufgrund beispielhafter Btx-Anwendungen deren Anziehungskraft manche Marketingmaßnahme ersetzt.

Btx und sein Umfeld stellt sich heute im wesentlichen durch folgende Fakten dar:

- flächendeckendes, vielfältiges, stabiles und sehr preisgünstiges Angebot des Btx-Dienstes durch die Deutsche Bundespost;

- relativ geringe Teilnehmerzahl;

- unzureichendes Programmangebot nach Qualität und Quantität;

- relativ hohe Kosten für Btx-Endgeräte und Adaptionseinrichtungen.

Überlegungen zur Marketingstrategie 1988

Diese vier Punkte lassen unschwer erkennen, wo nach wie vor der Hauptansatzpunkt künftiger Marketingmaßnahmen liegen muß. Es muß der Teufelskreis durchbrochen werden, der dadurch entsteht, daß fehlende Teilnehmerzahlen durch unzureichendes Programmangebot (und damit fehlendem Nutzen) bedingt sind und ein unzureichendes Programmangebot auf die fehlenden Teilnehmerzahlen zurückzuführen ist. Ähnlich, aber nicht ganz so gravierend, stehen die fehlenden Teilnehmerzahlen in Relation zum Endgeräteangebot.

Teilnehmerentwicklung schwer zu prognostizieren

Die Situation läßt sich grundsätzlich ändern, wenn auch künftig Vorleistungen in erheblichem Umfang von allen Marktpartnern erbracht werden. Als Vorleistungen sind hier Aktivitäten zu verstehen, die mehr kosten, als sie einbringen und erst mittel- bis langfristig Gewinne er- wirtschaften. Die Deutsche Bundespost hat bisher bei allen neuen Telekommunikationsdienstleistungen diese teilweise recht bittere Erfahrung machen müssen.

Gegenüber 1986 haben sich die Hauptziele nicht geändert. Nach wie vor gilt

- Gewinnung neuer Teilnehmer und

- Erhaltung des Teilnehmerbestandes.

Hierbei ist es schwer zu prognostizieren, wie hoch der Teilnehmerzugang 1988 sein wird. Wenn sich an den Randbedingungen des Marktes nichts gravierend ändert, wird ein erhoffter Teilnehmerbestand von 150 000 im Jahr 1988 nur schwer erreichbar sein.

Kooperationen auf billigere Endgeräte

Die Deutsche Bundespost wird 1988 sicherlich mit gegenüber 1987 leicht erhöhtem Marketingbudget wieder ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen durchführen. Die Maßnahmen betreffen auch wieder zu einem nicht unerheblichen Teil die klassischen Bereiche des Marketing-Mix. Daneben wird aber versucht, zwei bereits begonnene Aktivitäten in verstärktem Maß durchzuführen, um oben genannten Teufelskreis zu durchbrechen. Hierbei handelt es sich um

- weiterführende Kooperation mit Anbietern und

- Versuche zur Erzielung niedrigerer Endgerätekosten für den Teilnehmer.

Für beide Fälle wird zur Zeit ein Maßnahmenkatalog aufgestellt. Nach interner Abstimmung wird dieser Katalog mit unseren Marktpartnern abgestimmt und wie bisher veröffentlicht.

*Konrad Schmidt ist Ministerialdirektor im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen in Bonn. Der vorliegende Beitrag ist die leicht gekürzte Fassung eines Vortrages, der mit freundlicher Genehmigung des Verlags Reinhard Fischer, München, entnommen wurde aus: Neue Mediengesellschaft Ulm mbH und AMK Berlin (Hrsg.): Medien-Form Berlin 1987, Kongreß für wirtschaftliche und wissenschaftliche Nutzung der Kommunikationselektronik - in Verbindung mit der Internationalen Funkausstellung Berlin 1987, München 1987, Seite 461 bis 469, 68 Mark.