Die alten DDR-Führungskräfte bremsen

Die neuen Manager im östlichen Teil warten auf ihre Chancen

05.10.1990

MÜNCHEN (hk) - Auf die Beurteilung von Mitarbeitern aus der DDR hat sich Walter Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der Intermedia GmbH, spezialisiert. Der Münchner Personalberater verschaffte sich einen Überblick über das Qualifikationsniveau der Ex-DDR-Beschäftigten. Selbst die "Newsweek" bezeichnet Schmidt als Top-Experten für den ostdeutschen Markt für Fach- und Führungskräfte.

Er hat auch eine Analyse der Stärken und Schwächen von DDR-Führungskräften parat. Für die DDR-Manager sprechen aus Schmidts Sicht folgende Eigenschaften:

- genaue Kenntnis der Ostmentalität, der Branchen und des regionalen Umfeldes,

- beste Beziehung der einflußreichen Leute untereinander, ausgeprägter Teamgeist, hohe Improvisationskunst auf allen Gebieten, äußerst lernwillig und begeisterungsfähig, überdurchschnittliche Motivation.

Als Defizite führt der Personalberater an:

- hilfloses Auftreten und ausgeprägte Minderwertigkeitsgefühle,

- können bei Verhandlungen mit ausgebufften Partnern nicht genau zwischen Schaumschlägerei und Kompetenz unterscheiden,

- mangelnde internationale Erfahrung und schlechte Sprachkenntnisse,

- völlig unterentwickeltes Marketingdenken.

Schmidt weiß, daß die gut ausgebildeten Mitarbeiter in

der dritten, vierten oder fünften Ebene zu finden sind. Dieses Mittelmanagement - mit technisch qualifiziertem Sachverstand - könnte sich aus seiner Sicht zu guten Führungskräften entwickeln. Von den ehemaligen und zum Teil auch jetzt noch obersten Führungskräften hält er dagegen nicht viel, "die alten Funktionäre bremsen, ... die schieben nur das Papier von links nach rechts und von rechts nach links auf ihren Schreibtischen und bewegen im Grunde nichts". Sie seien Weltmeister im Taktieren, könnten keine langfristigen Strategien entwickeln. Schmidt glaubt, wenn die ehemaligen Führungskräfte nicht bald abträten, dann gingen mehr Betriebe bankrott als notwendig.

Als lobendes Beispiel nennt Schmidt ein kleines DV-Beratungsunternehmen aus Chemnitz. Drei ehemalige Universitätsangestellte hätten sich selbständig gemacht und seien bereits gut im Geschäft - allerdings fast nur mit Aufträgen von bundesdeutschen Unternehmen.

Die Situation sähe in den meisten Betrieben so aus, daß der Verkauf von Produkten und die Reduzierung der Belegschaft Priorität hätten, von einer DV-Konzeption könne jetzt noch keine Rede sein.