Virtual Reality in der Zusammenarbeit

Die Nähe unter Avataren

06.11.2020
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Videokonferenzen statt realer Meetings werden uns vermutlich noch Monate erhalten bleiben. Einen neuen Schub für die virtuelle Zusammenarbeit könnte Virtual Reality bringen. Bei T-Systems begegnen sich Teammitglieder auch als Avatare.

"Der bärtige Gregor rückt mir auf die Pelle, so viel Nähe ist mir unangenehm. Instinktiv weiche ich zurück und stoße an meinen Schreibtisch. Nach fünf Minuten mit der Oculus Quest auf der Nase und den Controllern in den Händen habe ich bereits vergessen, dass ich in meinem Arbeitszimmer stehe und nicht unter der weitläufigen Glaskuppel mit Panoramablick auf die Alpen. Und dass Gregor kein übergriffiger Typ ist, sondern ein Avatar, dessen Oberkörper und Hände sich von einer Stelle zur nächsten beamen, bis er schließlich unmittelbar vor meinem Avatar zum Stillstand kommt."

VR-Meetings per Brille oder Desktop

An diesem Erfahrungsbericht lässt sich erkennen, was ein VR-Meeting von einer klassischen Videokonferenz unterscheidet. Die Teilnehmer befinden sich gemeinsam in einem virtuellen Raum und nehmen sich selbst und andere als Avatare im Raum wahr. Die unterstützende Gestik der Hände hilft sehr, das Gefühl einer lebendigeren und unmittelbareren Kommunikation aufkommen zulassen. Bewegung als non-verbale Kommunikationsebene, die in Videokonferenzen, in denen Menschen vor allem auf Bildschirme starren, oft auf der Strecke bleibt.

Rafaela Sieber, Leiterin AR/VR bei T-Systems Multimedia Solutions: "Virtual Reality hilft, menschliche Nähe und damit Kommunikation und Vertrauen aufzubauen."
Rafaela Sieber, Leiterin AR/VR bei T-Systems Multimedia Solutions: "Virtual Reality hilft, menschliche Nähe und damit Kommunikation und Vertrauen aufzubauen."
Foto: T-Systems Multimedia Solutions

"In der menschlichen Kommunikation ist Nähe wichtig, auch, um Vertrauen aufzubauen. Hier hilft Virtual Reality, da sich die Avatare untereinander näher kommen als die Menschen, die getrennt voneinander an einer Videokonferenz teilnehmen", erklärt Rafaela Sieber. Als Leiterin des Fachteams AR/VR bei T-Systems Multimedia Solutions beschäftigt sie sich nicht nur theoretisch mit dem Thema Virtual (VR) und Augmented Reality (AR) für die Zusammenarbeit, sondern nutzt selbst diese Collaboration Tools für ihre Team- oder auch Scrum-Meetings, denen bis zu 20 Leute beiwohnen. Die meisten nehmen über VR- und AR-Brillen, die anderen am Desktop teil. Technisch könnten bis maximal 30 Personen dabei sein.

Ein 3D-Stift für Designer

Manches klappt im virtuellen Raum sogar besser als in der realen Welt. Designprozesse etwa funktionieren in der "echten" Welt nur am 2D-Bildschirm. In Virtual oder Augmented Reality hingegen kann man Modelle nicht nur in 3D darstellen, sondern mit einem 3D-Stift auch direkt am Modell arbeiten. Auch große, nicht tragbare Maschinen und Anlagen lassen sich mühelos in der AR-Welt aufstellen und präsentieren. In Schulungen und Team-Events können sich Teilnehmer als Avatare begegnen.

In VR-Umgebungen können Designer und Designerinnen Modelle im dreidimensionalen Raum entwerfen und präsentieren.
In VR-Umgebungen können Designer und Designerinnen Modelle im dreidimensionalen Raum entwerfen und präsentieren.
Foto: T-Systems Multimedia Solutions

VR strengt mehr an als Zoom

Jörg Preußig, Geschäftsführer von Preußig Seminare, hat diese Technologie schon für seine Schulungen entdeckt: "Wir können damit in die virtuelle Welt komplett eintauchen. Man spricht in dem Zusammenhang von Immersion. Das ist aber auch anstrengender als eine Videokonferenz. Darum planen wir in unseren Kommunikations- oder Projektmanagement-Trainings mit VR-Sequenzen, die höchstens eine Stunde dauern." Noch seien die VR-Brillen nicht so bequem, aber es zeichne sich ab, dass sie angenehmer, leichter zu tragen sind. Preußigs Prognose: "Die VR-Brillen haben das Potenzial, irgendwann Videokonferenzen zu ersetzen."

T-Systems-Expertin Rafaela Sieber sieht die Begegnung der Avatare als "eine weitere Art des Treffens an, die Videokonferenzen, aber auch reale Teammeetings gut ergänzen kann". Deshalb spricht sie auch von XR Collaboration, die Virtual, Augmented Reality sowie Mischformen umfasst. Um sich in der VR-Welt zu bewegen, brauche es laut Sieber keine ausgesprochene IT-Affinität. Auch für den Gebrauch der Brillen sei nur eine technische Anleitung, aber keine spezielle Schulung erforderlich.

Begegnungen in Virtual Reality können auch analoge Teammeetings ergänzen, indem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in eine andere Welt eintauchen können.
Begegnungen in Virtual Reality können auch analoge Teammeetings ergänzen, indem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in eine andere Welt eintauchen können.
Foto: T-Systems Multimedia Solutions

Investitionen für XR Collaboration

Als Investitionskosten sollten Unternehmen, die VR und AR in der Zusammenarbeit einsetzen wollen, monatliche Lizenzkosten von 40 bis 100 Euro pro Mitarbeiter sowie zwischen 500 und 1000 Euro pro VR-Brille einplanen. In Siebers Augen überschaubare Ausgaben, zumal durch den VR-Einsatz auf der anderen Seite Reisekosten eingespart werden können.

Beschleunigt durch COVID-19 haben eine Reihe Startups, etwa Spaces, Glue, Immersed oder Spatial, XR-Kollaborationsräume entwickelt. Eine Aufgabe von Sieber und ihrem Team ist es, die Tools der Entwicklungsfirmen zu testen und dasjenige herauszusuchen, das sich für die Anforderungen des Kunden am besten eignet.

Im Rhythmus von sechs bis zwölf Wochen werden die Tools weiterentwickelt und die Avatare verfeinert. Noch lässt ihre Mimik zu wünschen übrig, die Gesichter wirken holzschnittartig. Bald soll es auch möglich sein, dass Berührungen der Avatare, etwa ein Abklatschen oder ein Händedruck, beim User als Vibrieren ankommen.