Expertensysteme werden immer häufiger kritisiert

Die Marktsituation zwingt die KI-Branche zum Umdenken

03.11.1989

MÜNCHEN (CW) - "Der Hype ist weg" klagt Joachim Stender, Geschäftsführer des Berliner KI-Unternehmens Brainware GmbH. Expertensysteme seien in den vergangenen Jahren immer mehr in die Kritik geraten. Der Umsatz seines Unternehmens habe 1988 stagniert, weil auf dem Markt für Expertensysteme eine grundlegende Neuorientierung nötig geworden sei.

Um die Talsohle zu verlassen, bietet Brainware heute "Expertensystemkerne" an, die je nach Einsatzgebiet den entsprechenden Systemen angepaßt werden können. Darüber hinaus engagiert sich das Unternehmen stark für die Entwicklung "lernender Maschinen".

"Bei großen Projekten sind starre Expertensystem-Shells der alten Generation nicht mehr gefragt", so Stender. Den Vertrieb englischer und amerikanischer Systeme habe sein Unternehmen daher weitgehend gestoppt. Jetzt biete Brainware ein Set von "Toolboxen" und von "semi-customized Shells" an, die speziell auf individuelle Anwenderbedürfnisse zugeschnitten werden könnten.

Derzeit investiert das Unternehmen aber auch in den Bereich "Machine Learning": Ein vom Bundesministerium für Forschung und Technik in diesem Jahr mit 52 000 Mark unterstütztes Projekt "Induktive Protein-Struktur-Analyse" (IPSA) soll neue Protein-Engineering-Techniken testen. Mit Hilfe "lernender Maschinen" soll die Faltung von Proteinsträngen analysiert und auf Regelmäßigkeiten hin untersucht werden.

Der Nutzen des Verfahrens, bei dem geometrische und chemophysikalische Eigenschaften simultan analysiert werden, liegt zum Beispiel im medizinischen Bereich: Nach Angaben des Brainware-Entwicklers Steffen Schulze-Kremer macht ein differenziertes Wissen über Details und Regelmäßigkeiten des Proteinaufbaus die Synthese von Eiweißen möglich, mit denen Krankheiten wie Aids wirkungsvoll bekämpft werden könnten.