Vertragslaufzeit und betriebsindividuelle Nutzungsdauer von EDV Systemen:

Die leasingdauer ist häufig viel zu lang

03.08.1984

MANNHEIM - Die Höhe der Leasingrate darf nicht das ausschlaggebende Kriterium für den Vertragsabschluß sein. Da eine längere Leasingdauer zu niedrigeren Leasingraten führt, beträgt die Vertragslaufzeit häufig 54 oder 60 Monate. Klaus Messelhäußer, Geschäftsführer der CVR Computerhandels- und Leasing GmbH, Mannheim, empfiehlt, unter dem Gesichtspunkt der Flexibilität auch höhere Raten in Kauf zu nehmen.

Vielfach werden sogenannte kündbare Verträge abgeschlossen, deren kalkulatorische Laufzeit (Amortisationsdauer) 70 Monate noch übersteigt. Die Problematik dieser Leasingvertragsgestaltung wird dem Leasingnehmer erst dann bewußt wenn seine Anlage hoffnungslos "zu" ist und er dringend erheblich mehr Computerleistung benötigt. Der Wechsel auf eine größere Anlage wird dann plötzlich zu einem Finanzabenteuer.

Da der Restwert (Barwert der ausstehenden Leasingraten) regelmäßig größer ist als der Verkehrswert, werden diese Differenzen auf den neuen Leasingvertrag aufgepackt. Und weil sich ein solcher Vorgang wiederholt, weiß der Leasingnehmer bald nicht mehr, welcher Teil seiner Gesamtleasingrate für das eingesetzte System und welcher Teil als Abzahlung für die alten Systeme aufgewendet wird. Bei der Festlegung der Leasingdauer sollte die betriebsindividuelle Nutzungsdauer der EDV-Zentraleinheit im Vordergrund stehen.

Ausgangspunkt für die Ermittlung der betriebsindividuellen Nutzungsdauer sind die jeweils ausgelastete installierte Computerleistung und die Systemwachstumsrate, also die Zunahme an betrieblich notwendiger Computerleistung je Zeiteinheit. Da Art und Wirkung der Einflußgrößen situationsbezogen unterschiedlich sind, seien hier allgemeine, sicherlich generell zutreffende Aussagen erlaubt. Sie ergeben sich zum einer aus der Extrapolation der Vergangenheitswerte und zum anderen aus den grundsätzlichen Umstrukturierungsphasen von Datenverarbeitungsprozessen.

Vergleicht man Statistiken über die installierte Computerleistung zu bestimmten Zeitpunkten, so läßt sich daraus eine System-Wachstumsrate von etwa 25 bis 35 Prozent pro Jahr ermitteln. Bei der Analyse von Umstrukturierungsphasen der DV-Prozesse sei hier auf die Aussage der IBM verwiesen. Demnach betragen die System-Wachstumsraten bei

- Batch-orientierten Prozessen 19 bis 26 Prozent,

- DB/DC-orientierten Prozessen 43 bis 47 Prozent und bei

- enduser-orientierten Prozessen 60 bis 120 Prozent jährlich.

Durch die Ausweitung enduserorientierter Prozesse, durch die Schaffung integrierter DV-Arbeitsplätze (Workstations) in Bereichen wie CAD/CAM wird eine erhebliche Steigerung der notwendigen Computerleistung ausgelöst, die bisherige Wachstumsraten deutlich übertrifft. Für den EDV-Anwender und Leasingnehmer ist es deshalb von besonderer Bedeutung, die eigene betriebliche Systemwachstunsrate zu ermitteln und unter Berücksichtigung seiner Umstrukturierungswege fortzuschreiben.

Auf der Grundlage der beiden Werte:

- installierte ausgelastete Computerleistung und

- betriebliche Systemwachstumsrate

läßt sich die betriebsindividuelle Nutzungsdauer einer EDV-Zentraleinheit ermitteln.

In der Tabelle 2 sind verschiedene Systemwachstussraten und "MipsSprünge" betriebdndividuellen Nutzungsdauern zugeordnet. Der "Mips Sprung" ergibt sich aus Tabelle 1 wie folgt (Beispiel):

a) Installiertes System IBM 4341-2: 1,4 Mips

b) Auslastung 80 Prozent: 1,12 Mips

c) geplantes neues System IBM 4381-1: 1,9Mips

d) Mips-Sprung: 69,6 Prozent

Bei einem Mips-Sprung von 69,6 Prozent und einer betrieblichen Systemwachstumsrate von beispielsweise 35 Prozent ergibt sich somit eine betriebsindividuelle Nutzungsdauer von rund 18 Monaten. Nach Ablauf dieser 18 Monate kann die 4381-1 auf eine 4381-2 hochgerüstet werden. Daraus resultiert ein MipsSprung von 42 Prozent (4381-1: 1,9 Mips zu 4381-2: 2,7 Mips).

Bei konstanter betrieblicher Systemwachstumsrate entsteht eine weitere betriebsindividuelle Nutzungsdauer von etwa 14 Monaten.

Nach Ablauf von insgesamt 32 Monaten ist das System 4381 also zu klein (wenn keine weiteren Aufrüstmöglichkeiten geboten werden). Beträgt die betriebliche Systemwachstussrate statt 35 Prozent 40 Prozent, verkürzt sich die gesamte betriebsindividuelle Nutzungsdauer auf zirka 27 Monate.

Aus dieser nun ermittelten betriebsindividuellen Nutzungsdauer ergeben sich zwei Fragen:

1. Ist aufgrund dieser Nutzungsdauer der Einsatz eines Systems 4381 sinnvoll?

2. Welche Leasingdauer und welcher Leasingvertragstyp soll gewählt werden?

Die Frage 1 muß an Hand möglicher Systemalternativen beantwortet werden. So kann an Stelle des Systems 4381 ein System 3083 eingesetzt werden. Das Basismodell 3083 E weist eine Leistung von 4,2 Mips auf und ergibt einen Mips-Sprung von 275 Prozent (1,12 Mips auf 4,2 Mips).

Bei 35 Prozent Systemwachstumsrate entsteht eine betriebsindividuelle Nutzungsdauer von 46 Monaten. Da dieses System im Feld bis zur leistungsstärksten Maschine 3084 Q (22 Mips) aufgerüstet werden kann, ist die betriebsindividuelle Nutzungsdauer sehr flexibel ausdehnbar.

Wenn die betriebsindividuelle Nutzungsdauer auf 2? Jahre begrenzt ist, erscheint ein Standardleasingvertrag (Vollamortisationsvertrag) über 54 Monate (= 4? Jahre) nur dann sinnvoll, wenn der Barwert der nach 2? Jahren noch ausstehenden Leasingraten kleiner ist, als der zu erwartende Verwertungserlös. Bei einem Abzinsfaktor von fünf Prozent, ergibt sich ein Barwert von 51,3 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. Liegt die Einschätzung des zu erwartenden Verwertungserlöses unter diesem Wert, sollten Vertragsformen gewählt werden, die eine schnellere Amortisation und damit einen geringeren Barwert der ausstehenden Leas,ingraten ergeben.

Wichtig bei diesen Vertragsformen ist die Vereinbarung einer Mehrerlösbeteiligung des Leasingnehmers an dem Verwertungserlös. Derartige Möglichkeiten ergeben sich bei Teilamortisationsverträgen und bei kündbaren Verträgen. So kann ein Teilamortisationsvertrag über 36 Monate mit einem Andienungsrecht von 35 Prozent vereinbart werden. Bei einer Mehrerlösbeteiligung von bis zu 75 Prozent an dem den Andienungswert übersteigenden Verwertungserlös hat der Leasingnehmer die Chance, auch bei relativ kurzer Nutzungsdauer die Leasingvorteile zu realisieren, ohne große Verwertungsrisiken hinnehmen zu müssen.

Leasingdauer und betriebsindividuelle Nutzungsdauer sollten aufeinander abgestimmt sein, auch wenn dadurch die Leasingrate steigt. Das Ergebnis besteht in einer wesentlich höheren Flexibilität und an der doch recht kostenwirksamen Vermeidung von Ausgleichszahlungen bei vorzeitiger Leasingvertragsauflösung.