Vom Angebot an Konzepten her führen viele Wege nach Rom, aber:

Die ISDN-Norm prägt auch die Bürokommunikation

04.01.1985

Die technischen Konzepte der Hersteller und Anbieter von integrierten Bürosystemen sind mittlerweile vielfältig. Die Angebotspalette reicht von Lösungen auf der Basis

der Groß-EDV bis hin zu digitalen Vermittlungssystemen, die bereits heute den ISDN-Standards entsprechen.

Für das Jahr 1985 erhoffen sich die Anbieter von Produkten der "Bürokommunikation" endlich den großen Durchbruch: Nach Berechnungen des Stuttgarter Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) der Fraunhofer Gesellschaft wird erwartet, daß bis 1986/87 die Investitionen je Arbeitsplatz zwischen 25 000 und 28 000 Mark liegen, Verglichen mit rund 2000 Mark im Jahr 1970 und zirka 4000 Mark im vergangenen Jahr.

Angesichts dieser im Vergleich zu früher immensen Investitionen ist es für die Anwender unumgänglich, ein technologisch-organisatorisches Gesamtkonzept zu entwerfen, das die Bürokommunikation sinnvoll, in die bestehende EDV- und Textverarbeitungslandschaft der Unternehmen einbettet.

Integrierte Bürosysteme lassen sich zunächst grob in zwei Kategorien einteilen: zum einen in DV-orientierte Produkte, zum anderen in Produkte, die von der Nachrichtentechnik und damit der Kommunikation geprägt sind. Hauptunterschiede: Die Hard- und Software-Lösungen der ersten Kategorie sind zumeist herstellerspezifische Lösungen. Sie integrieren Text-, Daten- und Grafik- sowie in einigen Fällen auch Bildfunktionen. Sie nutzen die bereits bestehende Verkabelung für die Kopplung der DV-Systeme, zumeist Kupferkoaxialkabel. Die Sprachkommunikation, die in Büros eine wesentliche Rolle spielt, muß nach wie vor über das Telefonnetz abgewickelt werden.

Bei den Systemen der zweiten Kategorie dagegen, den Nebenstellenanlagen, steht die Sprachkommunikation im Vordergrund und ist gekoppelt mit der Daten- und in einigen Fällen auch mit der Textkommunikation. Im Vergleich zu den DV-orientierten Lösungen liegt hier die Übertragungsrate wesentlich niedriger, dafür wird aber das Telefonnetz mehrfach genutzt. In die zweite Kategorie fallen darüber hinaus auch Bildschirmtext-Inhouse-Systeme.

Innerhalb dieser beiden Kategorien gibt es wiederum unterschiedliche Realisierungen für die Bürokommunikation in den Unternehmen. Bei den DV-gestützten Systemen kann der Anwender unter folgenden Möglichkeiten auswählen:

- Integrierte Bürosysteme auf der Basis oder im engen Verbund mit der Groß-EDV. Hierbei stellen intelligente Terminals und Mikrocomputer dezentral Intelligenz am Arbeitsplatz zur Verfügung. Entsprechend den Stärken der Groß-EDV ist die Integration der Anwendungen auf Datenbank-Level realisiert.

Beispiel: IBMs SNA-Konzept.

- Vernetzte Minicomputersysteme, auf denen dann - softwaremäßig realisiert - verteilte Büroinformationssysteme installiert sind. Aufgrund der komfortablen Entwicklungsumgebung können Systemerweiterungen in der Regel relativ flexibel durchgeführt werden. Allerdings stellt sich bei diesen Systemen die Frage nach der Integration mit der Mainframe-Welt.

Beispiel für den Typus der vernetzten Minicomputer: über das DECnet gekoppelte VAX-Systeme mit dem Softwarepaket "Alles-In-1" von DEC.

- Workstations in Verbindung mit lokalen Netzen (LAN-Konzept). Hierbei handelt es sich um Hochleistungsprozessoren mit großen lokalen Speichern und entsprechender Software sowie LAN-Anschluß. In der Regel gibt es auf Anwenderseite jedoch Probleme bei der Übernahme oder der Einbindung bestehender Programme sowie bei der Ankopplung an große Datenbanken.

Beispiele für das Workstation-LAN-Konzept: Das System X 8000 von Rank Xerox und das EMS-System von Siemens.

- Dedizierte Bürokommunikationssysteme. Sie sind eine Weiterentwicklung der komfortablen Mehrplatz-Textsysteme und bestehen ebenfalls aus einem lokalen Netzwerk sowie intelligenten Terminals beziehungsweise hochwertigen, Workstation-ähnlichen Terminals.

Beispiel: Das Wang-System OIS

- Integrierte Systeme auf der Grundlage von Mikrocomputern. Sie könnten mittelfristig eine Brücke schlagen zwischen dezentraler Bearbeitung und Groß-DV. Vorteile dieser Lösung sind erstmals standardisierte Betriebssysteme wie CP/M, MS/DOS und Unix sowie die entsprechenden Software-Pakete. Problematisch bleibt dagegen bisher die Frage ausreichend mächtiger Netzstrukturen.

- Mehrplatzfähige Unix-Workstations mit Multitasking-Funktionen. Neben der Standardisierung bietet das Betriebssystem Unix den weiteren Vorteil, daß es auf einer wachsenden Zahl von Mikro-, Mini- und Großcomputern verfügbar ist. Fraglich ist dagegen, wie schnell es integrierte Software für den Bürokommunikationssektor geben wird.

Beispiel: PCS-System Cadmus.

Bei den Lösungen, die auf der vorhandenen Telefonverkabelung eines Unternehmens aufsetzen, ist die Auswahl der Konzepte nicht ganz so unterschiedlich wie bei den DV-orientierten Bürokommunikationssystemen. Der Anwender kann unter folgenden Möglichkeiten wählen:

- Vermittlungssysteme neuerer Art erlauben neben der Sprach- oder der Textkommunikation (Fernsprechnebenstellenanlage beziehungsweise Telex-/Teletex-Nebenstellenanlage) auch die Datenübertragung.

- Digitale Nebenstellenanlagen mit multifunktionalen Endgeräten und Anbindung an den Großrechner bieten neben einer verbesserten Sprachqualität die Integration von Sprach-, Text- und Datenkommunikation. Das bislang unzureichende Angebot an Multifunktionsterminals begrenzte allerdings den Einsatz dieser Systeme für die Bürokommunikation.

Einzige Anbieter digitaler Vermittlungssysteme in der Bundesrepublik: Nixdorf mit dem System 8818 und DeTeWe mit dem System "content 300".

- Digitale Nebenstellenanlagen nach ISDN-Standard. Ein Vermittlungssystem dieses Typs ist Mitte Dezember 1984 vorgestellt worden und soll Ende 1985 am Markt verfügbar sein: Das "Hicom"-System von Siemens mit den entsprechenden Endgeräten. (Der Funktionsumfang dieser Anlage ist ausführlich dargestellt im "Hicom"-Bericht auf Seite 1).

- Bildschirmtext-Inhouse-Systeme fallen ebenfalls unter die Kategorie "Integrierte Bürosysteme". Ähnlich wie bei den digitalen Vermittlungssystemen haperte es hier für den Zugriff auf die Groß-EDV bisher an entsprechend komfortablen Endgeräten wie Mikrocomputern mit Btx-Funktionen und Multifunktionsterminals.

Für welches der vielfältigen Konzepte sich der Anwender letztendlich entschließt, hängt sicherlich in hohem Maße von seiner jeweils schon installierten Hard- und Software-Lösung ab. Mindestens genauso wichtig für die in Zukunft zu tätigenden Investitionen ist darüber hinaus aber auch die weitere Entwicklung der öffentlichen Netze beziehungsweise die Vorgabe der Bundespost in Richtung auf das ISDN und die internationalen Standards. Unter diesem Gesichtspunkt dürften diejenigen Hersteller, deren Systeme für die Bürokommunikation den vereinbarten Standards entsprechen, in der Gunst der Anwender höher stehen.