Die Investition für morgen ist Jungbrunnen der zentralen DV

25.01.1985

Jürgen Groß

Bereichsleiter Informations- und Kommunikationssysteme Arthur D. Little, Wiesbaden

(Teil 1)

Bei den heute absehbaren technischen Entwicklungslinien zeichnet sich die große Gefahr ab, daß die Datenverarbeitungsabteilung hoffnungslos veraltet. Die Ursache dafür ist, daß der größte Teil der neu auf den Markt kommenden Produkte auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre aufbaut.

Softwarekomponenten für Mikrocomputer enthalten von Theorie und Praxis her die Elemente einer Sprache der vierten Generation. Diese sind auf Großrechnern kaum anzutreffen. Folge: Der Endbenutzer der heute mit einem Mikro arbeitet, fängt auf einem Entwicklungsstand an, der in den DV-Abteilungen noch für lange Zeit nicht erreichbar sein wird.

Das bedeutet aber auch, daß der Benutzer ein Know-how aufbaut, das bei einigen Anwendungstechniken über das hinausgeht, was in der Datenverarbeitung vorhanden ist Manche Endbenutzer versuchen heute schon mit ihren Arbeitsplatzcomputern, Miniexpertensysteme zu realisieren. Dies kann durch den Einsatz von spezifischen Sprachen wie Mini-Prolog oder Mini-Lisp oder durch die Verwendung intelligenter Softwarekomponenten geschehen. Die an solchen Quellen gesammelten Erfahrungen stehen der zentralen DV nicht zur Verfügung, so daß sie mehr und mehr in die Rolle des Erfüllungsgehilfen und möglicherweise noch des Datenzulieferanten gerückt wird.

Das Problem der DV besteht darin, daß sie heute in vielen Fällen die Entwicklungssprünge deshalb nicht nutzen kann, weil sie an Systemen und Datenorganisationsformen gebunden ist, die zehn und mehr Jahre alt sind. Der Aufwand für die Pflege solcher Systeme und Daten wird heute im allgemeinen in der Größenordnung von 50 bis 60 Prozent beziffert.

Viel schwieriger zu beziffern ist jedoch die Tatsache, daß neue Systeme heute eine stark integrative Komponente enthalten: eine Komponente, die dazu führt, daß verschiedene Datenbestände untereinander verknüpft werden müssen. Bei dieser Art der neuen Anwendung wird sie von der DV realisiert. Es zeigt sich, daß ein wesentlicher Teil des Projektaufwandes nicht der eigentlichen Problemlösung gilt, sondern der Handhabung, beziehungsweise der Reorganisation von Daten.

Solange aber die Systementwicklung gezwungen ist, alte Systeme mitzuschleppen alte Datenbestandsorganisationen weiterhin zu pflegen und sozusagen immer neue

Ebenen daraufzupacken, kann sie neue Strukturen, neue Möglichkeiten und Techniken kaum verwenden. Dadurch entsteht die quantifizierbare Gefahr des stetigen Auseinanderdriftens zwischen Anwender und Datenverarbeitung auf der Know-how-Seite und bei den Möglichkeiten moderner Techniken.

Wenn in einer DV-Abteilung von 50 bis 60 Mann sich zirka ein oder zwei Personen mit neuen Techniken, unter anderem mit den Problemen von Arbeitsplatzcomputern und der dazugehörigen Software, befassen, dann handelt es sich, bezogen auf den Mikro-Sektor, um einen Prozentsatz, der in der Größenordnung von maximal 30 bis 40 Prozent der verfügbaren Zeit dieser Mitarbeiter liegt. Demgegenüber steht eine Vielzahl von Anwendern die einen Mikrocomputer im Einsatz haben oder eine Anschaffung planen.

Sie wollen mit diesem Rechner nicht nur einfache Kalkulationsprogramme ablaufen

lassen, sondern beschäftigen sich auch damit, wie man ihn weiterbenutzen kann. Als Indikator gelten die Zeitschriften die sich heute mit dieser Thematik beschäftigen. Man kann ganz beruhigt davon ausgehen, daß sehr wenige Leser DV-Fachleute sind. Der größte Teil der Leserschaft sind Laien und Interessierte.

Das heißt, daß das Gesamt-Know-how über Mikrocomputer gegenüber dem Know-how das die DV-Abteilungen auf diesem Gebiet haben, immer größer wird.

Was spricht dagegen, daß der Anwender seine Instrumente mindestens ebensogut kennt wie der DV-Mitarbeiter?

Es spricht erst dann etwas dagegen, wenn der Teufelskreis zu funktionieren anfängt. Der Endanwender mit seinem intelligenten Arbeitsplatzcomputer möchte mit diesem zusätzliche Aufgaben lösen und ist im allgemeinen gezwungen, auf Daten und Informationen der zentralen DV zurückzugreifen.

Der Anwender wird in seinem spezifischen Einzelfall immer die Wirtschaftlichkeit oder die Notwendigkeit seiner Anforderungen an die DV begründen können. Sein ihm vorgesetztes Management wird ihn unterstützen, weil es die Meinung vertritt, daß Effizienzsteigerung am Arbeitsplatz eine positive Sache ist. Diese Informationsbesorgungsaufgabe führt aber dazu, daß Kapazitäten des zum Teil hochqualifizierten DV-Personals gebunden werden.

Damit wird die Belastung der Rechner in Grenzbereiche getrieben. Die Folgekosten werden im Normalfall nicht berücksichtigt.