Die Industrie und ihre gesellschaftliche Verantwortung

Die Initiative D21 erprobt die Zusammenarbeit mit der Regierung

03.12.1999
BERLIN (gfh) - Die Initiative D21 will helfen, den Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft zu gestalten und zu beschleunigen. In Berlin demonstrierten Bundesregierung und Wirtschaft, daß hinter diesem Vorsatz mehr steckt als Marketing und vage Versprechungen.

Das Maßnahmenbündel besteht aus konkreten Aktionen wie der Ausstattung der Schulen mit Internet-PCs und der Schaffung von Gesetzen, aus medienwirksamen Auftritten etwa des Bundeskanzlers, vor allem aber darin, Wirtschaft und Regierung dauerhaft an einen Tisch zu bringen.

Der Öffentlichkeitsarbeit kommt bei dem Projekt der Initiative D21 die zentrale Rolle zu, eine positive Grundstimmung zu erzeugen. Schülern, jungen Erwachsenen und insbesondere Frauen sollen die Chancen der Jobmaschine Informations- und Kommunikationstechnik nahegebracht werden, Existenzgründer ermutigt und Unternehmen beruhigt werden, die überstrenge staatliche Regelungen befürchten. Die Initiative D21 hat sich vorgenommen, alle gesellschaftlichen Kräfte zu bündeln, um Deutschland beim globalen Rennen um die Nutzung der Informationstechnik aus dem Mittelfeld zu holen und zum Trendsetter zu machen. Um zu signalisieren, wie ernst wichtige gesellschaftliche Gruppen die Schaffung der Informationsgesellschaft nehmen, wurde der Beirat der Organisation so prominent wie möglich besetzt. Unter der Leitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder finden sich dort Ministerpräsidenten wie Kurt Biedenkopf und Wolfgang Clement, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Bernhard Jagoda, Kirchenvertreter, Verbandschefs wie Hans-Olaf Henkel und Dieter Hundt, Mediengrößen wie Hubert Burda, Moderatorin Sabine Christiansen und NDR-Indentant Jobst Plog, Universitätsrektoren, Firmenvorstände von BASF, SAP, Siemens, Dresdner Bank, Metro, BMW und vielen mehr.

Dieses PR-Konzept zeigt Wirkung. So wird die Initiative D21 inzwischen auch von den Gewerkschaften ernst genommen. In Berlin hat Roland Issen, Vorsitzender der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, auf die Bedeutung der in Gründung begriffenen Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die IT-Industrie aufmerksam gemacht und gegenüber der COMPUTERWOCHE Interesse an einer intensiven Mitarbeit in der Initiative D21 bekundet. Issen: "Die Veränderungen durch IT sind revolutionär. Wir wollen hier nicht bremsen, verhindern oder Angst machen, sondern mitwirken."

Zu den eher symbolischen Aktionen gehörte auch, daß der Bundeskanzler in Berlin per Videokonferenz die von der IBM für eine Schulklasse in Dortmund gestifteten Rechner in Betrieb nahm. Die Initiatoren hoffen, daß andere Unternehmen dem Vorbild folgen und bald flächendeckend alle 40000 deutschen Schulen mit Internet-fähigen Computern versorgen. Die dafür nötige Logistik, lokale Unternehmen mit den Schulen in Vebindung zu bringen, hat D21 im Internet aufgebaut.

Mit großen Namen und werbewirksamen Kanzlerauftritten ist es nicht getan. Es müssen konkrete Pläne entwickelt und Entscheidungen vorbereitet werden. Das geschieht seit August dieses Jahres in fünf Arbeitsgruppen, die nun nach erstaunlich kurzer Zeit erste Ergebnisse vorgelegt haben (siehe Kasten "Ergebnisse der Arbeitsgruppen"). Inhaltlich geht es dort darum, einen Ordnungsrahmen für die Informationsgesellschaft zu schaffen, den Staat in eine Vorreiterrolle beim Einsatz von IuK-Techniken zu hieven, das Bildungs- und Ausbildungssystem zu modernisieren, den Frauen mehr Chancen in IT-Berufen zu eröffnen und eine Gründungsoffensive für Multimedia-Firmen zu starten.

Fast so wichtig wie die konkreten Ergebnisse der Arbeitsgruppen ist, daß dort Wirtschaft und Regierung mit einem gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten. So wird jede Gruppen von einem Zweierteam aus Wirtschaft und Regierung geleitet. Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Innenministerium, hat in den bisherigen Sitzungen die Erfahrung gemacht, daß hier konstruktiv diskutiert und nicht um Maximalforderungen gefeilscht wird. Zypries arbeitet an den Ordnungsrahmen mit und leitet mit einem Chef der Allgemeinen Ortskrankenkasse Baden-Württemberg die Gruppe für die Vorreiterrolle des Staates. Aus ihrer Sicht liegt der große Wert der Initiative D21 im gegenseitigen Know-how-Transfer und im Abbau von Vorurteilen. Das hier entstehende Vertrauen beschleunige zudem massiv die Entscheidungsprozesse, weil um die in den Arbeitsgruppen gemeinsam erarbeiteten Positionen nicht mehr gestritten werden müsse.

In einigen Bereichen liegen die Grundhaltungen der D21-Mitglieder allerdings weit auseinander. So sprach Staatssekretär Alfred Tacke, zusammen mit IBM-Chef Staudt Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ordnungsrahmen, von einem globalen Wettbewerb der Rahmenbedingungen, in dem Deutschland und Europa realistische Chancen hätten, sich gegen etwa amerikanische Ansprüche zu behaupten, wenn man sich mit der Wirtschaft einig sei. Ihm antwortete Debis-Chef und D21-Vorstandsmitglied Klaus Mangold, indem er seiner Hoffnung Ausdruck gab, daß auf dem Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle der Handel nicht durch neue Regelungen eingeschränkt werde. Man solle sich hüten, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durch europäische oder gar nationale Vorgaben zu gefährden. Vielmehr solle man sich an der Grundstimmung in den USA ein Vorbild nehmen, wo erfolgreiche IT-Unternehmer als nationale Helden gefeiert werden.

Trotz vieler noch ungelöster Probleme gibt sich Staudt zuversichtlich, die jetzt angekündigten Ziele in zwei Jahren erreichen zu können. Dazu brauche es jedoch "den gebündelten Willen in Deutschland, als Wirtschaft Trendsetter zu sein". In diesem Sinne forderte er seine in Berlin zahlreich erschienenen Manager-Kollegen auf, sich dem Projekt anzuschließen. Auch sie dürften nicht immer auf den Staat warten, denn "der Staat sind wir alle". Die Initiative D21 sei auch angetreten, um zu zeigen, daß die bislang rund 100 Mitgliedsfirmen bereit seien, die Zukunft der Gesellschaft als Partner der Regierung selbst in die Hand zu nehmen.

Ergebnisse der Arbeitsgruppen

Ordnungsrahmen: Einig sind sich die Mitglieder, daß freiwillige Selbstregulierung der Wirtschaft die Gesetzgebung ergänzen soll. Der Ordnungsrahmen soll international tragfähig gestaltet werden. Zu den konkreten Ergebnissen, auf die diese Gruppe Einfluß hatte, gehört der Gesetzentwurf, mit dem die digitale Signatur rechtlich der manuellen Unterschrift gleichgestellt wird.

Vorreiterrolle des Staates: Hier ist das Bundesministerium des Inneren besonders aktiv. Zu dessen Vorhaben gehört eine Website für die Bundesverwaltung, die zum zentralen Portal für die Beschaffung etwa von Büromaterial ausgebaut werden soll. Aufgrund des Umzugs der Regierung nach Berlin wurde schon früher ein netzgestützter Informationsverbund Bonn-Berlin geschaffen. Informationszentren und Foren für Diskussionen zwischen Bürgern und Politikern werden eingerichtet. Außerdem soll ein Informationszentrum die Kommunen über die Internet-Angebote in anderen Städten auf dem laufenden halten.

Bildung und Qualifikation: In diesen Bereich fällt die Ausstattung möglichst aller Schulklassen mit Internet-fähigen PCs. Dafür ist im Internet ein Marktplatz eröffnet worden, auf dem Sponsoren mit den Schulen in Kontakt treten können. Ziel ist, binnen zwei Jahren 20 000 Schulen mit ebenso vielen Sponsoren in Verbindung zu bringen. Außerdem haben die Mitgliedsunternehmen beschlossen, aus ihren Reihen 20000 "D21-Botschafter" zu rekrutieren, die in Bildungseinrichtungen aller Art für IT-Berufe werben sollen.

Frauen und IT: Das Ziel ist hier, den Frauenanteil in den Ausbildungsberufen und Studiengängen der Branche deutlich zu erhöhen. Um die Technikbegeisterung der Mädchen zu wecken, wird erwogen, eigene Computerklassen für sie einzurichten und intensiv über Chancen für Frauen in der IT-Branche aufzuklären, in der beispielsweise Teilzeit- oder Telearbeit einfacher zur realisieren sei als in anderen Berufsfeldern. Von den Vorbehalten männlicher Chefs, Frauen insbesondere für technische Berufe einzustellen, war in Berlin nicht die Rede.

Gründungsoffensive: Hier geht es vor allem darum, jungen Menschen Mut zur Unternehmensgründung zu machen. Dazu soll ab dem ersten Quartal 2000 bundesweit Unterrichts- und Projektmaterial zum Thema Unternehmenskultur verbreitet werden. Bestehende Gründerwettbewerbe sollen ausgebaut und Partnerschaften zwischen Gründern und Großunternehmen gefördert werden. Zusammengebracht werden sie auf der für Herbst kommenden Jahres geplanten Messe D21 Com 2000. Außerdem ist der Vorschlag dieser Arbeitsgruppe, einen Gründungsbeauftragten in die Bundesregierung aufzunehmen, vom Bundeskanzler aufgegriffen worden.