Rechnereinsatz in der Konstruktion:

Die Haupfprobleme liegen im organisatorischen Bereich

08.07.1977

Der Einsatz elektronischer Datenverarbeitungsanlagen im Konstruktionsbereich verfolgt im wesentlichen die Ziele: Verkürzung der Durchlaufzeit, Erhöhung der Produktivität sowie Verbesserung der Produktqualität. Damit diese Ziele im Rahmen einer befriedigenden Wirtschaftlichkeit erreicht werden können, ist eine systematische Vorausplanung der Einführung und Anwendung des Rechners unbedingt notwendig.

Welche Auswirkungen der Rechnereinsatz auf die im Laufe der Vergangenheit gewachsenen Strukturen bei der Konstruktionsabwicklung hat, läßt sich wegen der Vielschichtigkeit der Beziehungen auf direktem Wege nicht ermitteln. Man muß die Gesamtproblematik auf Einzelprobleme zurück ihren, die zum einen besser untersucht werden können und für die zum anderen teilweise Lösungen bekannt sind. Durch diese Vorgehensweise reduziert sich die Problematik auf zwei Bereiche: Der Problembereich "Mensch - Rechner" spricht im wesentlichen psychologische, medizinische und arbeitswissenschaftliche Aspekte an, wie Motivation, Erholzeit(...)elung und Arbeitsplatzgestaltung. Demgegenüber umfaßt der Problembereich "Konstruktionsablauf - Rechner" solche Probleme, die durch ingenieurwissenschaftliche Maßnahmen gelöst werden können. Hierzu gehören unter anderem die Kapazitätsverteilung, Raumgestaltung und Rechnerauslastung.

Problembereich "Mensch - Rechner"

Von zentraler Bedeutung für die Lösung der Gesamtproblematik und aller Einzelprobleme ist die Motivation der Mitarbeiter. Die Motivation zur Arbeit mit dem Rechner ist deshalb notwendig, weil neben der allgemeinen Abneigung gegenüber allen Neuerungen der Rechner immer noch vom Konstrukteur als potentieller Konkurrent angesehen wird. Der wirksamste Motivationsfaktor - das Erfolgserlebnis - läßt sich direkt ansprechen, wenn der Konstrukteur die vom Rechner erstellten Unterlagen kontrolliert und ihm somit sein Anteil am Fortschritt der Konstruktion sichtbar wird.

Die Bedeutung der Motivation zeigt sich zunächst bei der Erstellung der Software für das rechnergestützte Konstruieren. Nur die Anerkennung des Rechners als Hilfsmittel zur Erhöhung der eigenen Leistungsbereitschaft kann den Konstrukteur bewegen, das betriebsspezifische Know-how in die Software einfließen zu lassen (siehe Grafik 1). Der Know-how-Transfer ist jedoch nicht nur in der angesprochenen Richtung zu sehen, sondern es werden auch Erfahrungen, die beim rechnerunterstützten Konstruieren gewonnen werden, bei der konventionellen Bearbeitung von Konstruktionsproblemen genutzt. Gleichzeitig findet beim rechnerunterstützten Konstruieren eine Rückkopplung statt die zu einer Verbesserung bestehender Programmsysteme führt.

Während die Motivation und die Lösung der damit zusammenhängenden Probleme auf psychologischem Gebiet liegen, müssen bei der Integration des Rechners in den Konstruktionsprozeß auch medizinische Aspekte beachtet werden. Durch den Einsatz des Rechners wird der Anteil schematischer Tätigkeiten verringert und dementsprechend der geistig-schöpferische Anteil erhöht. Diese Tätigkeitsverschiebung verlangt vom Konstrukteur eine wesentlich höhere Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit als beim konventionellen Konstruieren. Diese Tatsache erfordert die Ermittlung der maximalen Arbeitszeit am Rechner. Hierzu wurde ein Testprogramm entwickelt, mit dem der Konstruktionsprozeß anhand von Fragen, Befehlen und Entscheidungen simuliert werden kann. Das Ergebnis mehrerer Testläufe ließ erkennen, daß zunächst über einen längeren Zeitraum periodische Fehlerschwankungen auftraten, die dann nach zwei Stunden erheblich anstiegen. Ebenfalls konnte eine allmähliche Abnahme der Schnelligkeit bei der Ausführung des Testzyklus festgestellt werden.

Dies zeigt die Notwendigkeit einer exakten arbeitswissenschaftlichen Untersuchung über die zulässige Beanspruchungsdauer beim rechnerunterstützten Konstruieren. Erst wenn die Untersuchungen alle Beanspruchungsarten, die bei diesem Test in ihrer Gesamtheit nicht erfaßt werden konnten, berücksichtigen, können Aussagen über die maximale Konstruktionszeit mit dem Rechner gemacht werden.

Problembereich "Konstruktionsablauf - Rechner"

Hierbei werden zunächst die Auswirkungen des Rechnereinsatzes auf das Kapazitätsprofil im Konstruktionsbereich betrachtet (siehe Grafik 2). Dieses Profil zeigt die notwendige und die vorhandene Kapazität für die einzelnen Arbeitsschritte beim Konstruieren auf.

Zur Zeit ist eine Unterstützung des Konstruktionsprozesses durch den Rechner nur bei bestimmten Tätigkeiten möglich. Durch den Einsatz eines Rechners ergibt sich für diese

Abschnitte eine Kapazitätserweiterung, die in Grafik 2 in Mannkapazität umgerechnet ist. Die vorhandene Gesamtkapazität der Arbeitsschritte 8 und 9 führt, verglichen mit ihrem Kapazitätsbedarf, zu einem Kapazitätsüberhang. Es ist jedoch nicht möglich, diesen vollständig zur Deckung des restlichen Kapazitätsbedarfs der anderen Arbeitsschritte zu nutzen. Denn das freigesetzte Personal wird zu einem Teil für Tätigkeiten benötigt die erst durch den Rechnereinsatz notwendig wurden. Hierzu zählen Dokumentation, Programmpflege und ähnliche Arbeiten. Die verbleibende Personalkapazität steht zur Übernahme anderer Tätigkeiten zur Verfügung. Sie läßt sich jedoch nicht beliebig verlagern, da andere Arbeitsschritte unterschiedliche Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter stellen. Für diese Problematik, die Verteilung der durch den Rechner freigesetzten Mitarbeiter auf andere Arbeitsschritte, lassen sich im wesentlichen zwei Lösungsprinzipien erkennen: Arbeitsbereicherung (Job-Enrichment) und Arbeitserweiterung (Job-Enlargement). Welche dieser Varianten des Personaleinsatzes vorgesehen bzw. einzuführen ist, hängt von innerbetrieblichen Faktoren wie Kapazitätsbedarf für die einzelnen Arbeitsschritte, Ausbildungsstand der Mitarbeiter sowie den vorliegenden Konstruktionsproblemen ab.

- Die Autoren sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) an der RWTH Aachen.