Die Guten kommen nicht von allein

23.01.2008
Personal-Manager auf einem CW-Roundtable waren sich einig: Nur mit überdurchschnittlichem Engagement werden Arbeitgeber die Computerfachleute bekommen, die sie suchen.

Selbst für Hersteller von Nobelkarossen wie Audi ist es schwieriger geworden, die richtigen IT-Spezialisten zu finden. Davon berichtet Matthias Keil, der als Personalreferent für den Automobilhersteller tätig ist: "Wir bekommen durchaus Bewerbungen von hoch qualifizierten IT-Spezialisten, aber die Zahl hat abgenommen." In diesem Jahr sucht Audi mindestens 30 neue Mitarbeiter für den IT-Bereich - vor allem IT-Profis mit Berater- und Projektleiter-Know-how. Keil legt Wert auf aussagekräftige Bewerbungen, die ihm auch ein Bild von der Persönlichkeit des Kandidaten vermitteln. Die Auswahl beschränkt sich keineswegs auf Bilderbuchbewerber mit glattem beruflichen und privaten Werdegang.

Überall weniger Bewerber

Besonders interessant sind Profile, die neben fachlichen auch individuelle Kompetenzen wie Selbstvertrauen, Entscheidungsstärke und Wertorientierung beinhalten sowie unternehmerisches Denken und Handeln und eine hohe Kundenorientierung. Meistens findet vor der Einladung zum persönlichen Vorstellungsgespräch ein Telefoninterview statt, in dem das Unternehmen die IT-Kenntnisse des Bewerbers genauer überprüft. Der Personaler betont: "Im Recruiting ist es sehr wichtig, die Guten nicht zu lange warten zu lassen. Denn der Markt ist hart umkämpft."

Anja Grothausmann war vergangenes Jahr bei Bearingpoint gut beschäftigt, denn sie stellte mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Personalbereich rund 400 Mitarbeiter ein. Dieses Jahr sollen es wieder so viele werden. Für IT-Projekte sind laut Grothausmann Einsteiger geeignet, die eine Mischung aus Betriebswirtschafts- und Informatikabschluss nachweisen können. Natürlich sucht das Unternehmen nicht nur IT-Mitarbeiter, sondern auch Experten für das sonstige Beratungsgeschäft.

Bearingpoint erwartet von den IT-Spezialisten zum Beispiel Java-Kenntnisse, Know-how über Softwarearchitekturen, Business Intelligence, IT-Strategien, Sicherheit oder auch SAP-Software. Ähnlich wie Audi-Personaler Keil beobachtet Grothausmann, dass die Bewerberzahl in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Aber nicht nur das: Ärgerlich findet die Bearingpoint-Managerin, dass Bewerber nach Zusagen noch kurz vor Jobantritt absagen, was die Planung nicht gerade vereinfacht.

Rund 280 offene Stellen hat Thomas Leibfried von Computacenter zu vergeben. Der IT-Dienstleister beschäftigt 4000 Mitarbeiter in Deutschland, europaweit sind es 10 000. Personaler Leibfried sucht sowohl Nachwuchskräfte als auch erfahrene Mitarbeiter. "Das kann auch der 55-jährige Projektleiter sein", so der Personalchef. Er möchte "Technologiespezialisten" und "kundenorientierte Berater". Damit meint er IT-Experten, die unterschiedliche Themen abdecken können. Chancen können sich also etwa RZ-, SAP-, Netz-, Sicherheits- oder Unified-Messaging-Fachleute ausrechnen. Forcieren möchte Leibfried die Trainee-Ausbildung. Pro Jahr besuchen 70 junge Mitarbeiter das Einarbeitungsprogramm. "Das sind Leute, die durch diese Ausbildung Unternehmen und Mitarbeiter gut kennen lernen und sich obendrein sehr loyal verhalten."

Um sicherzugehen, dass er die gewünschten Nachwuchskräfte auch bekommt, engagiert sich Michael May mit seinem Unternehmen Syngenio aus München deutschlandweit stark im Hochschulumfeld. Gemeinsam mit einem Kunden und der Fachhochschule Rhein-Sieg hat Syngenio eine Ausbildungsinitiative ins Leben gerufen. Neben dem Studium kommen die Studenten in den Genuss einer praktischen Ausbildung in Projekten beim Kunden, und bei Syngenio erfolgt eine berufsbegleitende Beraterausbildung.

Damit die Teilnehmer nicht zusätzlich Geld verdienen müssen, wird die Arbeit mit bis zu 1000 Euro im Monat entlohnt. Zurzeit besuchen zehn junge Leute dieses Programm, alles Talente, "die wir und unser Kunde langfristig binden wollen". Später sollen es 60 werden. Aus jahrelanger Einstellpraxis weiß May, warum sich ein Bewerber für einen bestimmten Arbeitgeber entscheidet. Er nennt drei Kriterien: Zum einen das soziale Umfeld: "Wenn sich der Bewerber nicht wohlfühlt, bleibt er nicht lange." Zum anderen geht es um Weiterbildungs- und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten sowie um die Frage, wie Leistung honoriert wird.

Vorteile für den Mittelstand

Sebastian Amtage von b.telligent betont die Vorteile kleinerer Unternehmensberatungen für junge Bewerber. Hier sammeln sie schneller Projekterfahrung und kommen frühzeitig in verantwortungsvolle Positionen. Zudem können Berater in den vorwiegend überschaubaren Projekten unterschiedliche Rollen übernehmen und dadurch rascher lernen. "b.telligent ermöglicht gerade ehrgeizigen und leistungsorientierten Charakteren damit eine schnellere persönliche und fachliche Entwicklung. Das wiederum erhöht die Zufriedenheit unserer Berater, die ihre individuellen Ziele besser erreichen", so der Geschäftsführer. Gutes Englisch in Wort und Schrift ist in vielen Projekten Voraussetzung.

Mit Blick auf seine internationalen Aktivitäten rekrutiert b.telligent gerne europaweit. "Neue Berater sollten sich nicht nur wegen der guten Konditionen für b.telligent entscheiden, sondern wegen der inhaltlichen Herausforderungen bei unseren Kunden und der netten Kollegen." Mit 40 Mitarbeitern nach nur drei Jahren setzt b.telligent weiter auf Wachstum und plant zusätzliche Einstellungen.

Mitarbeiter werben Mitarbeiter

Ebenfalls mittelständisch, in München ansässig und als Arbeitgeber bisher nicht besonders in Erscheinung getreten ist Loyalty Partner. Dafür ist das Produkt der Firma, die Bonuspunkte-Sammelkarte "Payback", verbreitet und bekannt. Loyalty Partner wuchs im vorigen Jahr von 350 auf 500 Mitarbeiter, und auch 2008 sollen weitere Beschäftigte an Bord kommen. Das Unternehmen setzt sehr stark auf Nachwuchsförderung. Aus- und Weiterbildungsleiter Birk Alwes weist darauf hin, dass Loyalty Partner im vergangenen Jahr rund 100 Praktikanten beschäftigte: "Wir rekrutieren die Studenten bereits vor dem Vordiplom", also schon ab dem zweiten Semester. "Wir holen sie aber nicht zum Kaffeekochen", so Alwes weiter.

Die jungen Leute werden in Projekten eingesetzt, und wenn sie einen guten Eindruck machen, steigen sie zum Teilprojektleiter auf, schreiben ihre Diplomarbeit im Unternehmen und fangen nach dem Studium regulär zu arbeiten an. "Diese Bindung während der Hochschulzeit ist enorm wichtig", kommentiert Alwes. Das Unternehmen zahlt den Praktikanten monatlich zwischen 600 und 800 Euro. Als wichtiges Rekrutierungsinstrument setzt Loyalty auf die Aktion "Mitarbeiter werben Mitarbeiter".

Ein umfangreiches Nachwuchsprogramm hat auch SAP initiiert: Der Softwareriese aus Walldorf betreut 600 bis 800 Praktikanten, über 300 Werkstudenten und 150 bis 200 Diplomarbeiten. Und auch hier versucht man die Besten zu halten. Der direkte Vorgesetzte hat in einem Zeugnis auszufüllen, ob der Student zu den besten zehn Prozent gehört und ob ihn der Manager für das Praktikanten-Nachbetreuungsprogramm empfiehlt.

Insgesamt plant SAP rund 4000 Neueinstellungen weltweit in diesem Jahr. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Mittelstand, Beratung und Vertrieb, wie Personal-Manager Steffen Laick erläutert. Auch Entwickler stehen auf der Wunschliste. Und zwar solche, die sich im Netweaver-Umfeld auskennen und mit Branchenlösungen vertraut sind. Man erwarte aber auch Verständnis für betriebswirtschaftliche Prozesse und Standardsoftware. Zwar beschäftigt SAP zu 80 Prozent Akademiker, doch ein Informatikstudium ist keine zwingende Voraussetzung. Laick erwähnt, dass SAP gegenüber Quereinsteigern aufgeschlossen ist, selbst Theologen stehen auf der Gehaltsliste. Allerdings hätten sich solche Kandidaten bereits in ihrer Studentenzeit im Praktikantenprogramm bewährt.

Nicht unbedingt Informatiker

Mehr auf die Vermittlung von Freiberuflern und von Mitarbeitern auf Zeit sind die Unternehmen Pass und Hays spezialisiert, obwohl beide auch Festangestellte rekrutieren.

Das Aschaffenburger IT-Beratungs- und Softwarehaus Pass Consulting Group setzt auf den Nachwuchs, um von der guten technologischen Kompetenz der Absolventen zu profitieren und immer wieder aktuelles IT-Know-how ins Unternehmen zu holen. Die Neulinge müssten aber nicht unbedingt Informatiker sein, wie Peter Ecker-Pulz betont. "Wir haben keine Berührungsängste", versichert der Personal-Manager. Eine starke IT-Affinität werde allerdings erwartet. In seiner eigenen Ausbildungsakademie bietet Pass Seminare auf den Feldern Informatik, Management, Methodik, BWL und Sozialkompetenz an.

Jeder sei aufgefordert, sein eigenes Weiterbildungsprogramm zusammenzustellen - ein Argument, das bei Bewerbern gut ankommt. Was Ecker-Pulz auf gar keinen Fall machen werde, seien "Nobel-Incentive-Career-Days", also Veranstaltungen, wie sie bei großen, internationalen Unternehmensberatungen wieder in Mode kommen. Pass konzentriere sich vorwiegend auf das Rhein-Main-Gebiet. "Die größten Rekrutierungserfolge haben wir sowieso meist über Empfehlungen", schildert Ecker-Pulz.

Mehr Hochschul-Marketing

Teilnehmer am Roundtable Hays betreut weit über 3000 Freiberufler in Projekten, wie Kommunikations- und Marketing-Chef Frank Schabel, versichert. Die Kunden, die aus allen Branchen kommen - von Pharma über Finanzdienstleistung bis hin zu Automotive -verlangen in erster Linie IT-Experten mit SAP- und Java-Kenntnissen. Hays bevorzugt ausgebildete Wirtschaftsinformatiker und Informatiker. Das Unternehmen geht mittlerweile verstärkt an Hochschulen, auch im Auftrag von anderen Unternehmen.

Schabel ist überzeugt, dass das Thema Hochschul-Marketing an Bedeutung gewinnen wird. Die Arbeitgeber müssten so früh wie möglich an Hochschulen präsent sein, um ein gutes Image aufzubauen. Er forderte die Wirtschaft auf, sich ein Beispiel an Firmen zu nehmen, die Quereinsteigern eine Chance geben. Ansonsten werde man den Fachkräftemangel auf einem hohen Niveau weiterverwalten. (Eine längere Fassung des Beitrags können Sie im Internet unter www.computerwoche.de/1853988 nachlesen.)