Auf der Suche nach einem Migrationspfad

Die Comet-Anwender stehen vor einer ungewissen Zukunft

08.06.1990

MÜNCHEN (gfh) - Nixdorfs 8870-Rechner haben keine Zukunft mehr. Das wissen auch die Anwender und suchen daher nach einem neuen Zielssystem für ihre Comet-Software. Die Paderborner haben zwar eine Targon-Variante ihrer Erfolgssoftware "Comet" angekündigt, in Sicht ist sie jedoch noch nicht.

Verschärft wird diese Situation durch die derzeitigen Verhandlungen zwischen den Fusionspartnern Siemens-DI und Nixdorf über die künftige Produktpalette. Die Anwender wissen nicht, wie lange es die bisher von Nixdorf für Comet empfohlenen Targon-Rechner noch geben wird. Als Ausweg aus diesem Dilemma verweist Klaus Adena, Leiter Anwendungssoftware bei Nixdorf, auf "Cross-Basic", ein seit Anfang des Jahres vertriebenes Tool, mit dessen Hilfe Comet als Runtime-System auch unter MS-DOS und Unix läuft.

Sven Köpfe, Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung der IMN GmbH, Paderborn, läßt dieses Tool allerdings nicht als Alternative zu einer richtigen Unix-Migration gelten. Sein Unternehmen lebt vom Vertrieb Nixdorf-kompatibler Hard- und Software. Köpfes Argument: "Cross-Basic hat den großen Nachteil, daß es keine Netzwerkumgebungen unterstützt". Deshalb werde es von den Nixdorf-Kunden auch kaum akzeptiert.

Diesem Vorwurf setzt Adena 850 Cross-Basic-Installationen entgegen, 150 davon für den Unix-Bereich. Die Unterstützung von Novell-Netzen für MS-DOS-Umgebungen sei zwar geplant, werde aber frühestens 1991 realisiert.

Unter dem Blickwinkel, daß Cross-Basic seit weniger als einem halben Jahr vermarktet wird und keine Netze unterstützt, belegen die Installationszahlen das gesteigerte Bedürfnis der Anwender, sich von der 8870-Architektur zu trennen. Diese Zahlen werden noch größer, da inzwischen auch Mitbewerber wie Hewlett-Packard, IBM und Digital Equipment solche Werkzeuge anbieten.

Solange allerdings nicht geklärt ist, ob das zukünftige Zielsystem für Comet Targon oder MX heißt, wissen die Benutzer nicht, wohin sie ihre Software übertragen sollen - wenn sie nicht auf Fremdhersteller ausweichen. Die unklare Produkt-Situation bei Nixdorf gibt den Mitbewerbern daher die Chance, aus dem Kundenteich der Paderborner zu fischen.

Zu Hilfe kommt den Nixdorf-Konkurrenten, daß die Kundentreue laut Köpfe nicht der Hardware, sondern der Software, und hier besonders dem Paradepferd Comet gilt.

Anwender wollten vor allem Comet-Software

"Die Entscheidung für Nixdorf ist meistens nur aufgrund der Anwendungslösung Comet gefallen", so Winfried Bauer, Geschäftsführer der DV-Beratung Proteam GmbH, Bickenbach. Den Anwendern kann es daher egal sein, auf welcher Hardware ihre Software läuft, zumal die angebotenen Werkzeuge laut Bauer so ausgelegt sind, daß sich die Comet-Anwender in keiner Weise umstellen müssen.

Doch mit der Übertragung von Comet auf Systeme anderer Hersteller sind die User noch keineswegs aus dem Schneider. Wie Nixdorfs Softwarespezialist Adena einräumt, steht nach wie vor eine rechtliche Klärung darüber aus, ob und inwieweit Software aus seinem Unternehmen auf Fremdsystemen laufen darf.

Um möglichen Trittbrettfahrern das Handwerk zu legen, haben die Konzernjuristen nämlich Passagen in die "Bedingungen für Überlassung von Systemsoftware" aufgenommen, in denen eindeutig die Weitergabe von Programmen und Programmunterlagen an Dritte untersagt wurde. Zwar suchten einige Hersteller laut Adena bereits um Comet-Lizenzen nach, doch entschieden sei hier bisher nichts. Anwendern, die innerhalb der Nixdorf-Siemens-Welt migrieren möchten, werde man, so der Paderborner Softwarespezialist, keine Steine in den Weg legen. Bei einem Wechsel zu anderen Herstellern sehe die Sache allerdings anders aus.