"Die CIOs dieser Welt raufen sich die Haare"

19.04.2005
Über den TK-Markt, Regulierung und Voice over IP sprach Wolfgang Essig, Chef der Colt Telecom GmbH, mit CW-Redakteur Peter Gruber.

CW: Die europäische Colt Group hat 2004 ihren Umsatz zwar gesteigert, der Bruttogewinn ist im Vergleich zum Vorjahr prozentual aber gesunken. Warum?

Essig: Wenn wir uns die Ergebnisse unserer Wettbewerber ansehen, dann sind wir mit einem Wachstum von acht Prozent in der Gruppe sowie 15 Prozent in Deutschland sehr zufrieden. Trotzdem müssen wir noch stärker auf ein profitables Wachstum achten, das heißt den Angebotsmix verbessern. Wir haben den Anteil unseres Sprachdienstgeschäfts mit Carriern bereits deutlich reduziert, erfreulicherweise ohne insgesamt einen Umsatzverlust zu erleiden. Mit der Leistung von Colt Deutschland sind wir sehr zufrieden, mit dem Gesamtergebnis der Colt Gruppe noch nicht.

CW: Wo haben Sie die größten Probleme?

Essig: Colt hat ein großes und teures Netz gebaut, auf dem wir so genannte On-Net-Produkte - also Bandbreiten - anbieten. Weil im Markt eine Konsolidierung stattfindet, geraten die Bandbreitenprodukte stark unter Preisdruck. Wer in diesem Marktsegment seinen Umsatz halten will, muss 50 Prozent Neugeschäft machen. Das ist bei diesem starken Wettbewerb nicht immer möglich.

CW: Wie fangen Sie die Einbußen dann auf?

Essig: Wir engagieren uns noch stärker bei den Off-Net-Produkten wie zum Beispiel DSL. Da betreibt Colt in 27 Städten sein eigenes Netz und versucht, beispielsweise über IP-VPN-Produkte mehr Einnahmen zu erwirtschaften.

CW: Die Anbieter beklagen aber doch immer wieder, dass mit DSL wenig zu verdienen ist.

Essig: Wir haben in Deutschland tatsächlich einen klaren Preisnachteil, weil der Zugang zum Endkunden immer noch unbefriedigend reguliert ist. Es ist äußerst problematisch, dass die Wettbewerber von der Telekom nur ein gebündeltes Angebot als Vorleistung beziehen können, sprich eine ISDN- und DSL-Verbindung im Paket. In Summe ist das zu teuer.

CW: Die Regulierungsbehörde überprüft momentan auf Geheiß aus Brüssel aber alle Marktsegmente, auch den DSL-Wettbewerb.

Essig: Ja, es scheint so, als würde bei der Regulierungsbehörde unter dem Druck Brüssels die Erkenntnis reifen, dass die Telekom den DSL-Markt doch beherrscht. Da kommt jetzt Bewegung rein. Ich kann aber weder beim Gesetzgeber noch beim Regulierer den letzten Willen erkennen, schnell ein adäquates Wettbewerbsumfeld zu definieren.

CW: Wo tun sich im TK-Geschäft Wachstumsfelder auf?

Essig: Im Bereich der Managed Services, den wir als das am stärksten wachsende Segment überhaupt betrachten. In diesem Sektor sind wir im Vergleich zum Vorjahr um 34 Prozent gewachsen. Das Datengeschäft wirft zum Beispiel mit Angeboten in den Bereichen Backup-Services, Storage und Sicherheit höhere Margen ab.

CW: Sie bieten mit "Colt IP Voice" jetzt einen Dienst für Geschäftskunden mit Flatrate für 24,50 Euro pro Nutzer an, die in allen 13 Colt-Ländern gilt. Außerdem übernehmen Sie für eine zusätzliche Monatspauschale von 20 Euro den Sprachbetrieb samt Hardware. Sehen Sie darin ein Alleinstellungsmerkmal?

Essig: Absolut. Außer Colt besitzt keiner der Wettbewerber ein europaweites Netz. Das ist ein Vorteil, vor allem, wenn man die Not der Kunden betrachtet. Die sind zwischen traditionellen Telefonanlagen, IP-PBX- und Centrex-Systemen sowie unterschiedlichen Tarifen hin und her gerissen. Bei diesem Durcheinander raufen sich die CIOs dieser Welt doch die Haare. Wir unterscheiden uns vom Wettbewerb deutlich durch unser europäisches Netz, die Flatrate und die Option, den TK-Betrieb zu managen. In Summe ergibt sich für den Kunden daraus der Vorteil, dass die Kommunikationskosten kalkulierbarer werden und er außerdem nicht mehr in Hardware und Wartung investieren muss. Das führt zu einer Reduzierung der Betriebskosten von mindestens 20 Prozent.

CW: 44,50 Euro pro Kunde in Summe hört sich aber auch nicht billig an.

Essig: Unser Zielsegment sind Kunden mit 50 Nebenstellen. Für kleinere Betriebe wird sich die Flatrate wohl nicht rechnen.

CW: Die Telefonkosten werden mit Ihrer Flatrate aber nur teilweise überschaubarer, weil Telefonate in Mobilfunknetze und Länder, die nicht zum Colt-Verbund gehören, nicht enthalten sind.

Essig: In sechs bis 18 Monaten werden wir auch den Mobilfunk integrieren. Außerdem wollen wir weitere Länder einbinden.

CW: Sind die Mobilfunktelefonate deshalb nicht in der Flatrate inbegriffen, weil die Terminierungsentgelte, die Sie an die Mobilfunker bezahlen müssen, sehr hoch sind?

Essig: Exakt.

CW: Dann käme Ihnen eine Regulierung des Mobilfunks in Deutschland, wie sie Brüssel fordert, sehr gelegen?

Essig: Der Mobilfunk führt in Deutschland bislang regulatorisch ein sorgenfreies Dasein. Daran scheint der Regulierer nichts ändern zu wollen. Hier wirken noch die UMTS-Lizenzen nach.