Die Berichterstattung der Medien über die Datenverarbeitung

14.11.1980

Die Berichterstattung der Medien über die Datenverarbeitung zeichnete sich nach Ansicht von Heidemarie Röhle jahrelang dadurch aus, daß sie überhaupt nicht stattfand. Die Org/DV-Chefin ärgert sich jedoch vor allem, daß heute inzwischen nur einseitig über negative Aspekte oder Gefahren der EDV, nicht aber auf die "enormen Möglichkeiten" hingewiesen werde, die der Computer der Gesellschaft biete.

Aus den meisten Artikeln der Boulevard-Zeitungen, stichelt Abteilungsleiter Org/DV Günter Schieren, spreche das gleiche Mißtrauen und auch die gleiche Unkenntnis, wie sie oft in den Fachabteilungen zu finden sei. Mit Vorliebe würde die Presse Einzelbegebenheiten als symptomatisch für die EDV hochstilisieren und damit "ahnungslose Mitbürger" schließlich nur noch mehr verunsichern.

Franz Lehner

Leiter Organisation und EDV,Herberts GmbH, Wuppertal

(Univac 1100/12, OS 1100)

Die Frage nach der Beurteilung der Berichterstattung seitens der Medien über den Computer verleitet den engagierten Datenverarbeiter sehr leicht in die Pauschalierung zu verfallen, der er sich selbst ständig und wiederkehrend ausgesetzt sieht. Man vergißt dabei schnell die Tatsache, daß sich manche Medien intensiv um eine große Breitenbildung auf dem Gebiet der Computertechnologie bemüht haben, wie zum Beispiel das Fernsehen (3. Programm). Eine Reihe von Fachzeitschriften machen dem interessierten Leser - vermutlich aber nur dem Fachmann - die hektische Entwicklung in diesem Markt und Metier transparent.

Der Normal-Medienverbraucher jedoch wird mit einer Informationspolitik konfrontiert, die eine "George-Orwell-Zukunftsvision 1984" als Trägerfrequenz und Drohgebärde zum Hintergrund hat; und es dauert nicht einmal mehr eine Computergeneration bis dorthin.

Mit vereinzelt aufgetauchten Musterbeispielen des Computer-Mißbrauchs oder der Computer-Kriminalität wird die Angst vor einem solchen "Teufelszeug der Macht" geschürt - subtil, nicht überzeichnend und gehässig, nein geradezu vorsorglich und verantwortungsbewußt gegenüber dem wehrlosen Individuum. Zur Erhärtung der wissenschaftlichen Objektivität solcher Darstellungen werden in geschickter Weise Kapazitäten einzelner Fachgebiete zitiert und beigeblendet. Man darf jedoch unterstellen, daß die berichtenden Journalisten aufgrund ihrer beruflichen Distanz zu solcher Spezial-Thematik weder von derartigen Grundtendenzen geleitet sind noch immer richtig erkennen können, daß sie als Werkzeug für bestimmte Interessengruppen zur Erreichung bestimmter Ziele (etwa Tarifpolitik) dienen.

Die wenigen bekannt gewordenen Beispiele der Computer-Kriminalität - und hier müssen sich die Medien schon der weltweiten (Kommunikation bedienen - bestätigen die Tatsache, daß es mit Computern nicht mehr so leicht ist, "Unterschleif" zu betreiben. Für jeden DV-Mann an verantwortlicher Stelle war und ist die Vertraulichkeit und Sicherheit der Personaldaten genauso selbstverständlich wie die der. Unternehmensdaten. Es ist gut, hier gesetzliche Rückendeckung erhalten zu haben: Aber man warne vor der Bürokratisierung .

Die punktuelle Berichterstatzung über Negativbeispiele trifft die DV nicht allein. Andere Beispiele zeigen, daß auch andere Berufs- und Wirtschaftszweige, die dem Nutzen und Wohlergehen der Menschheit dienen und noch länger dienen müssen, in Mißkredit geraten.

Der hier geschilderten tendenziösen Meinungsbildung wächst jedoch in zunehmendem Maße eine Generation entgegen, die sich bereits in jungen Jahren an den höheren Schulen und Universitäten mit großer Breitenwirkung mit dem "unintelligenten Werkzeug Computer" auseinandersetzt, das Nützliche dieses Werkzeuges erkennt und es auch anzuwenden beginnt. Für diese junge Generation ist es bereits selbstverständlich, daß unser wirtschaftlicher Erfolg sowie die wirtschaftliche Produktivität in großem Maße durch Rationalisierung und durch Einsatz solcher Werkzeuge erreicht worden ist und weiter zu verbessern ist. Viele wissen, daß die berufliche Lebensqualität durch Delegieren von geisttötenden Aufgaben an das Werkzeug Computer erhöht wird, daß die Fähigkeiten des Computers Voraussetzung sind, den menschlichen Horizont- bis in den Weltraum - zu erweitern und daß der Computer nicht letztlich als "Job-Killer" auftritt, sondern eine Vielzahl von Arbeitsplätzen mit sehr hoher Berufsqualität geschaffen hat.

Ja, es ist wahr, der Computer hat sowohl die berufliche wie auch die private Lebenssphäre beträchlich verändert. Das ist zwar schwer zu verstehen, aber noch schwerer ist es, sich mit dieser Entwicklung zu ändern. Auch die Journalisten werden dies eines Tages verstehen und der jungen Generation nacheifern.

Claus Christian Müller

EDV-Leiter, Biotest-Serum-lnstitut GmbH, Dreieich (Siemens 7.531, BS2000)

Schillers Wort über Wallenstein "Von der Parteien Haß und Gunst verzerrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte" kann fast unverändert auf die Darstellung des Computers in Fernsehen, Film, Rundfunk, Literatur und Presse angewandt werden. Vom seelenlosen Jobkiller über den die Bürgerfreiheit bedrohenden Datenmoloch bis zum obersten Entwicklungshelfer, der die Menschheitsrevolution nach vorn treibt - vom Heizelmännchen, das überall unsichtbar hilft, bis zum Kobold, der Gehalts- und Stromabrechnungen durcheinanderbringt, ist das Spektrum weit und beliebig erweiterbar.

Euphorie oder Dämonisierung aber gehen an der Realität vorbei. Denn natürlich ist das elektronische Werkzeug, das allgemein Computer genannt wird, aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Vom Showgeschäft der Wahlhochrechnungen bis zur Raumfahrt - vieles ist eben nur mit Hilfe von Rechnern möglich.

Es ist verständlich, daß ein Gerät, das offenbar das "Denken" übernehmen kann, die Phantasie der Menschen stärker anregt als eine bullige Maschine, die "nur" die Körperkraft ersetzt. Die Geschwindigkeit, mit der Computer arbeiten, tut ein übriges, um die Spekulation zu fördern. Es kommt hinzu, daß EDV-Leute und auch "unsere" Fachzeitschriften sehr zurückhaltend im Bemühen sind, sich einem Publikum der Nichtfachleute verständlich zu machen. Betreiben wir denn eine okkulte Geheimwissenschaft?

Sachkundige Darstellungen in den Medien sind rar. Vielleicht, weil Journalisten und Literaten keine Zeit haben, sich ausgiebig über das Problem zu informieren? Oder ist der rasante technologische Fortschritt, der von EDV-Leuten die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen abfordert, letztlich das entscheidende Kommunikationshemmnis?

Die Auswirkungen der verzerrenden Darstellung sind vordergründig als Sorge um den Arbeitsplatz erkennbar, vor allem dann, wenn ein Unternehmen auf EDV umsteigt oder aber gar Bildschirme eingeführt werden sollen. In erster Linie wird die Diskussion darüber geführt, ob und wie viel Arbeitsplätze durch die EDV oder durch Bildschirme wegradiert werden sollen.

EDV und Bildschirme werden also nicht unter dem Gesichtspunkt der schnelleren Informationsgewinnung und -verarbeitung betrachtet, sondern als Konkurrenten um Arbeitsplätze.

Die häufig falsche Darstellung des Computers hat jedoch zwei wesentlich wichtigere Folgeerscheinungen mit denen die EDV-Leute leider leben müssen:

- Das Verständnis in Fachabteilungen und Management für EDV-Probleme greift wegen fehlender allgemeinverständlicher Darstellung nur mühsam um sich, und es ist die EDV, die den "Bildungsaufwand" treiben muß, den die Medien nicht bieten.

- Die Nachwuchsförderung- beginnend in den allgemeinbildenden Schulen - erfolgt nur sporadisch. Interesse für EDV-Berufe wird vielleicht durch Gehaltsangaben in Annoncen geweckt, aber nicht durch systematische Information.

Es wäre zu wünschen, daß in den Medien die Datenverarbeitungsberufe mit ihren hohen Zuwachsraten und Zukunftschancen und "unser" Werkzeug - der Computer - vorurteilsfrei und sachlich dargestellt würden.

Günter Schieren

Abteilungsdirektor EDV, DKB - Deutsche Kreditbank für Baufinanzierung AG, Köln

(IBM 370/138, DOS/VS)

Eigentlich wäre es ein Wunder, wenn der Computer und seine "Bediener" in den Medien besser wegkämen als zum Beispiel in den Häusern, wo sie installiert sind. Noch immer ist die Akzeptanz in den Fachabteilungen sehr gering; eher ist eine "gesunde" Skepsis zu vermerken. Da der Journalist in zunehmendem Maße ebenfalls betroffene Fachabteilung ist, ist der Gleichklang der Meinungen hier wie da eigentlich erklärlich. Meines Erachtens sind die Verantwortlichen der DV-Abteilungen weitgehend mitschuldig an dieser Entwicklung. Wenn man die lieben Mitmenschen jahrzehntelang darüber im unklaren ließ, was mit der EDV geht und was nicht geht und zugleich glaubte, das ganze Computerdrumherum mystifizieren zu müssen, dann darf man sich nicht wundern, wenn heute "unsere" Presse nicht stimmt.

Aus den meisten Artikeln der Boulevardzeitungen sowie der Periodika und des Funks spricht das gleiche Mißtrauen, aber auch die gleiche Unkenntnis, wie sie oft in den Fachabteilungen vorzufinden ist. Hier liegt ein breites Betätigungsfeld für die Verantwortlichen der Computerbranche.

Diese "Kollegenschelte" zielt in erster Linie auf Artikel oder Sendungen, in denen Pannen in irgendwelchen Rechenzentren als Tumbheit des Computers glossiert werden, frei nach dem Motto: "Computer spinnt", weil er Mahnungen über 0,00 Mark ausgespuckt hat.

Neben dieser Art von Computerberichterstattung gibt es noch eine weitaus gefährlichere; die Beiträge der sogenannten Halbgebildeten. Hier handelt es sich um Journalisten, Redakteure und Referenten, die lediglich ein gewisses Basiswissen besitzen, aber leider nicht wissen, was sie eben nicht wissen. Diese Leute haben ein breites Betätigungsfeld im Dunstkreis des BDSG gefunden.

Mit Vorliebe werden dann Einzelbegebenheiten als symptomatisch für die Branche hochstilisiert.

Da in diesen Beiträgen zumeist Wahrheit, Mutmaßung und Unterstellung geschickt gemischt werden, ist der ahnungslose Mitbürger nach dem "Genuß" derartiger Beiträge in der Regel stark verunsichert.

Im Zusammenhang mit der Einführung von Datex-P haben sich einige "Fachredakteure" über das Thema Datenmißbrauch, Datensicherheit und Haftung der Bundespost ausgelassen. Da diese Dinge vor Einführung von Datex-P eigentlich wesentlich gravierender tangiert waren (Versand von Magnetbändern, HfD-Leitungen, Wählleitungen), drängt sich der Eindruck auf, daß diese Autoren sich vor Datex-P überhaupt nicht mit dieser Problematik befaßt haben, oder es macht sich eine Art von Sensationsjournalismus breit.

Wahrscheinlich hilft aber alles Lamentieren über diesen Sachverhalt wenig. Da auch EDV-Journalisten eben in erster Linie Journalisten sind, gilt für diese Zunft eben auch die Weisheit "Hund beißt Mann" ist keine Schlagzeile, wohl aber "Mann beißt Hund".

Heidemarie Röhlke

Org/DV-Leiterin, Gretsch-Unitas GmbH, Ditzingen (IBM 4341, DOS/VS)

Die Berichterstattung in den Medien Presse, Funk und Fernsehen über die Datenverarbeitung zeichnete sich über lange Jahre dadurch aus, daß sie überhaupt nicht stattfand. Abgesehen von der Fachpresse, deren Leserpotential naturgemäß nicht das breite Publikum ist, bestand keine Möglichkeit, sich über die bei der Einführung der Datenverarbeitung auftretenden Probleme zu informieren. Für den Nichtfachmann waren die Publikationen absolut ungeeignet, um Wissen über die tiefgreifenden Veränderungen zu vermitteln, die die Informationsverarbeitung innerhalb der Gesellschaft mit sich bringt.

So vollzog sich das Eindringen der Datenverarbeitung in immer mehr Bereiche unseres Lebens unbeachtet von den Medien. Diese Situation änderte sich erst, als eines dieser Medien, nämlich die Presse, direkt betroffen wurde: Mit dem Einsatz neuer Computer-Techniken wurde die Arbeit aller im Druckgewerbe tätigen Menschen drastisch verändert. Erst durch den daraus resultierenden Druckerstreik wurden diese Auswirkungen einer breiten Öffentlichkeit auch bewußt gemacht.

Das bisherige Wissen über die Datenverarbeitung

- publikumswirksam aufgezogene Hochrechnungen zu Wahlergebnissen,

- sich in Fernseh-Krimis spektakulär drehende Bandeinheiten,

- die Lochkarte, mit der man in der Werkstatt konfrontiert wurde,

- die so schlecht zu lesenden Strom- und Gasrechnungen,

- die Witze, die man darüber machte,

war einfach zu wenig.

Plötzlich füllte die Datenverarbeitung Seiten. Es wurde täglich in Funk und Fernsehen über sie berichtet. Schließlich wurden Arbeitsplätze gefährdet, und der "Buhmann" Computer war der große "Job-Killer". Dieses Image ist die Datenverarbeitung in den Medien bis heute nicht losgeworden.

So lobenswert es ist, daß die Berichterstattung sich inzwischen bemüht, den Computer aus seinem Getto herauszuholen und die Probleme der Informationsverarbeitung für den Laien verständlich darzustellen, so falsch ist es, immer nur auf die Gefahren der Datenverarbeitung hinzuweisen. Sicher führt sie zu einer Revolution in unserer Arbeits-, Denk- und Lebensweise, die in ihrer ganzen Komplexität heute noch nicht zu übersehen ist. Die Verarbeitung von immer mehr Informationen mit Hilfe immer perfekter werdender Technik ist aus unserem heutigen Leben nicht wegzudenken. Wir leben im Zeitalter der Informationen! Damit, daß die Datenverarbeitung und damit auch die in ihr beschäftigten Menschen in den Medien als die großen "Buhmänner" verteufelt werden, ist das Problem nicht zu lösen!

Sachliche Informationen, von den Journalisten so aufbereitet, daß auch der Laie etwas damit anfangen kann, ist das, was not tut. So verständlich die Angst vor der totalen Überwachung, wie Orwell sie in seinem Buch "1984" heraufbeschwört, auch ist, nicht die Datenverarbeitung als solche ist das Problem, sondern das, was der Mensch daraus macht.

Es ist Aufgabe der Medien, durch sachliche Informationen über alle Aspekte der Datenverarbeitung zu berichten. Sie sollten jedoch nicht nur die Gefahren, sondern auch die enormen Möglichkeiten aufzeigen.