Von Software- und Operator-Kosten die Nase voll

Die AS/400 als interessante Option für das 43xx-Downsizing

14.06.1991

Eine steigende Zahl von Anwandern aus dem unteren /370-Bereich verabschiedet sich von der traditionellen Zentral-DV. Hohe Systemkosten belasten das DV-Budget, ein Ende des Anwendungsstaus ist nicht abzusehen. Mit dem Midrange-Rechner AS/400 bietet sich - besonders nach Ankündigung der leistungsstarken D-Modelle - innerhalb der IBM-Welt eine kostengünstige Alternative zur VSE-Umgebung an.

Der Midrange-Rechner, der ursprünglich als Nachfolgemodell für die /36- und /38-Linie konzipiert wurde, stellt sich zunehmend als Umsteigebahnhof für 43xx-Anwender heraus. Mit dem Systemwechsel befreien sich die VSE-Benutzer von den Plagegeistern der Großrechnerwelt - von hohen Kosten, DV-Overhead und Anwendungsstau. Die niedrigere Performance, von /370-Protagonisten gern als Argument gegen die AS/400 verwendet, stellt speziell seit Ankündigung der D-Modelle kein Problem mehr dar. Mit der N-Wege-Architektur dringen die Rechner in den Leistungsbereich der ES/9000 ein. Der neuen /390-Serie erwächst damit Konkurrenz aus dem eigenen Haus. Selbst langjährige DV-Zentralisten wenden sich deswegen von der bisherigen Mainframe-Lösung ab und schwenken auf die AS/400-Schiene um - für Big Blue mit Blick auf den Großrechner-Umsatz sicher eine bittere Pille. Rund fünf Prozent aller Umsätze des Midrange-Systems kommen einer Dataquest-Studie zufolge mittlerweile aus dem Mainframe-Downsizing. Auch in der 30xx-Gemeinde liebäugeln manche mit den niedrigeren Software- und Wartungskosten einer dialogorientierten verteilten DV.

Trend zur verteilten Datenverarbeitung

Beispielsweise kann die Übernahme von Betrieben das Management dazu veranlassen, die Rentabilität einer Datenverarbeitung alter Form zu überdenken. "Die Idee kam von Beratern und von der Unternehmensleitung selbst, im Zuge einer Dezentralisierung der DV-Aktivitäten in die Werke und in die Vertriebsorganisationen", berichtet Hans Dieter Gerteis, DV/Org.-Leiter bei der Carrera Optic AG, Haar. Der MVS-Anwender ist derzeit damit beschäftigt, die in den Vertriebs- und Fertigungsstätten installierten Unisys-, Nixdorf- und IBM-/34-, /36-, /38-Anlagen sowie die zentrale 3081-Maschine abzulösen und durch eine dezentrale AS/400-Umgebung zu ersetzen - ein in der 30xx-Welt in Anbetracht der Komplexität noch ungewöhnlicher Schritt.

Der Trend vom /370-basierten Rechenzentrum zur verteilten DV wirkt sich auf die gesamte Organisationsstruktur eines Unternehmens aus. Ehedem zum Beispiel mit /38- und /36-Rechnern ausgestattete, zentral betreute Betriebs- und Fertigungsstätten agieren dann innerhalb einer einheitlichen Hard- und Softwarelandschaft als selbständige DV-Bereiche mit eigenem AS/400-System. Damit erfolgt eine Umschichtung der Verantwortung und des Personals, das in der zentralen Abteilung vermindert und in den dezentralen Stätten aufgebaut wird.

Meist geben anstehende Software-Investitionen den Ausschlag für einen Wechsel zur MDT Ó la IBM. Die Programme der /370-Welt, nicht selten noch in Assembler programmiert, wurden über Jahre hinweg immer wieder angepaßt und beim Hardware-Austausch mitgeschleppt - "von der 1401 über die /360 bis zu den /370er Systemen", erzählt Willi Wittstadt, DV-Org.-Leiter bei der Hengstenberg GmbH & Co., Esslingen.

Ständige Anpassungen führten zum Entwicklungsstau, meist zurückzuführen auf eine zu dünne Personaldecke. Auch bei der Vergölst GmbH, Bad Nauheim, ist die Mainframe-Software zehn bis 15 Jahre alt. Die Host-Programmierer brachten mangels Maintenance am Altsystem kaum neue Lösungen zustande. Dazu DV/Org.-Bereichsleiter Manfred Kese: "Ein desolater Softwarestand."

Oftmals stoppen jüngere DV/Org.-Leiter, die noch nicht mit /370-Scheuklappen herumlaufen, das Anwendungs-Tohuwabohu. Standardpakete werden dabei bevorzugt. Wie Kese bemängeln viele DV-Verantwortliche die hohen Preise, die für Standardprogramme unter VSE zu zahlen sind.

Für die 43xx-Anwender, meist klassischer Mittelstand, bietet sich hier das umfangreiche Software-Angebot der AS/400 an, das zu deutlich günstigeren Lizenzgebühren erhältlich ist. Pluspunkte sammelt die Modellreihe zudem durch die integrierte relationale Datenbank und durch die SNA-Kompatibilität. Wittstadt: "In erster Linie ging es bei uns um das Datenbanksystem, das installiert werden sollte. Auf dem 4381-Rechner wäre SQL/DS in Frage gekommen, doch der Preis ist zu hoch. Auch VTAM, das für SNA notwendig ist, kostet Hunderttausende."

Gefräßigkeit der alten Batch-Programme

Ein weiteres Manko, das die DV-Profis der Mainframe-Welt ankreiden, ist die Gefräßigkeit der alten Batch-Programme, was die Rechnerkapazität betrifft. Die Software wird dem Hengstenberg-Mann zufolge als Stapelprogramm gestartet, täuscht aber einen Dialog vor und erweckt damit den Eindruck einer ausgelasteten Maschine. Zusätzliche Programminstallationen ziehen folglich weitere Hardware-Investitionen nach sich - in manchen Fällen erfolgt sogar ein Systemwechsel hin zu MVS. Mit der AS/400 wechseln die Unternehmen in der Regel von der Stapel- zur Dialogverarbeitung und verabschieden sich damit vom softwarebegründeten System-Overhead. Für den Informatiker Wittstadt eine klare Sache: "Wird die gleiche Anwendung mit vernünftigen Dialogprogrammen geschrieben, dann ist unsere 4381-Maschine im Prinzip viel zu groß."

Für das Vorhaben müssen die DV-Erneuerer trotz alledem tief in die Tasche greifen - selbst beim Verzicht auf neue Standardpakete. Daten und Anwendungen von /370-Umgebungen können nicht auf die AS/400 migriert werden. "Wir erstellen alle Programme neu", berichtet der Esslinger DV-Manager, "für die Software-Entwicklung wurden 25 Mannjahren geschätzt, das sind 2,5 Millionen Mark für die Software-Umstellung."

Doch allein die Einsparungen im Operatorbereich fangen nach Schätzungen der Beratungsgesellschaft Computer Technology Research die Umstiegskosten innerhalb von drei Jahren auf. Bis zu 75 Prozent des Personalaufwands nehmen bei der mittleren Großrechner-Kategorie - wie IBM die 43xx-Systeme klassifiziert - Maintenance und Fehlerkorrektur in Anspruch. Das operatorlose AS/400-System zehrt beträchtlich weniger am DV-Budget. Durch die einheitliche Hard- und Software bis auf die zusätzlich verwendeten DOS- und PS/2-Rechner, ist die verteilte Umgebung pflegeleichter. "Wir rechnen mit einer Kostenreduzierung von zirka 25 Prozent, vorwiegend im administrativen Bereich", erklärt auch der MVS-Insider Gerteis, dessen Ausgaben im Vergleich zu VSE-Anwendern nochmals deutlich höher sind.

AS/400-Spezialisten schwer zu bekommen

Bei den Mitarbeitern stößt ein weniger personalintensives System daher meist auf keine Gegenliebe. "Man kann Mainframe-Protagonisten schwer davon überzeugen, sich mit diesen Systemen anzufreunden und das zu lernen", beschreibt Gerteis die Personalproblematik. Befürchtungen, daß mit dem Downsizing das Gehaltsniveau sinkt, können für die mangelnde Akzeptanz von seiten der /370-Fachleute der Grund sein. Dies bestätigt die Kienbaum-Studie "EDV-Gehälter 1991". Darin legen die Martkforscher dar, daß die Vergütungshöhe maßgeblich von der Größe der DV-Anlage abhängt.

Oft bleiben daher in den Unternehmen Schwierigkeiten im Großrechner-Bereich, der während der Umstellungsphase parallel von der alten Mannschaft weiterbetrieben werden muß, nicht aus. Den bereits knapp kalkulierten Personalstamm mindern Umschulungsmaßnahmen auf der einen Seite und Kündigungen andererseits. Neue Leute sind schwer zu bekommen.

Der Stellenteil von Zeitschriften ist gefüllt mit Suchanzeigen für RPGIII-Programmierer und AS/400-Spezialisten. Wittstadt sucht seit Sommer 1990 nach geeigneten Organisationsprogrammierern. "Wir sind im Prinzip unterbelegt", erzählt der Informatiker, "insofern ist es wichtig, die jetzt überlasteten Mitarbeiter zu entlasten, damit eine Umstellung überhaupt möglich ist."

Kompromisse auf der technischen Seite

Fehleinschätzungen über den Entwicklungsaufwand bei Standardsoftware sind für Hagen Fihn, Geschäftsführer der Siegburger Drei S - Spezialisten für Software & Systemberatung, der Auslöser für den steigenden Personalbedarf: "Die Unternehmen hoffen, daß damit die Probleme gelöst werden. Das passiert in der Regel nicht, und die Erweiterungen kommen. Softwarehäuser können diesen Mehraufwand oft nicht abdekken, und so entsteht die Mitarbeiterknappheit." Das geringe Angebot an Ausbildungsplätzen für die AS/400-spezifische Programmiersprache tue ein übriges dazu, daß auf dem Markt wenig RPG-Programmierer zu bekommen seien. Nur Unternehmen mit genügend Mitarbeitern aus der /38-Welt sind dem AS/400-Profi zufolge vor diesem Umstellungsproblem gefeit. Den Rest treffe diese Situation meist überraschend.

Überwiegend werde die Wahl nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis bei Hardware und Software getroffen. Speziell beim Personal denke der Anwender nach Ansicht von Fihn zuwenig an die Folgen. Wittstadt: "Durch den Personalmangel sind wir mittlerweile von Spezialisten abhängig."

Kompromisse sind auch auf der technischen Seite nötig. So stört den MDT-Einsteiger Gerteis die geringe Ausfallsicherheit der AS/400. "Besonders die Plattentypen der Erstausstattung machten Probleme", erinnert sich der MVS-Fachmann, "wir haben sie teilweise durch Platten eines Mitbewerbers ersetzt, die zudem im Preis-Leistungs-Verhältnis besser sind." Mit der Datensicherheit ist der DV-Manager ebenfalls unzufrieden. Hier zeigen sich die Unterschiede zur Groß-DV deutlich. "Das ist eine echte Schwachstelle", bemängelt der Carrera-Mitarbeiter, "wir suchen nach einem RACF-ähnlichen Produkt, wie es in der 30xx-Welt erhältlich ist." Ähnliches gelte unter anderem für Spool- und Bandverwaltungs- und Netzwerkverwaltungs-Systeme.

Ernsthafte Vergleiche mit offenen Systemen finden jedoch offensichtlich bei den Anwendern nicht statt. "Nachdem wir schon immer bei IBM waren, wäre ein Wechsel auf die Anlage eines anderen Herstellers eine zu große Umstellung gewesen", meint Wittstadt. Für Gerteis wäre zwar die RS/6000 aus heutiger Sicht ebenso eine Alternative zum Mainframe-Downsizing, doch zur Planungszeit 1988 sei Unix/AIX noch kein Thema gewesen.