Die angestrebten Synergieeffekte beginnen schon beim Netz

Die angestrebten Synergieeffekte beginnen schon beim Netz BMW nimmt Sorgenkind Rover auf sein Extranet

19.03.1999
CW-Bericht, Karin Quack Die BMW AG, München, hat ihre Tochter Rover an die kurze Leine genommen. Auch im DV-Bereich will sie Systeme vereinheitlichen und Synergiepotentiale ausschöpfen. Unter anderem hat der Automobilhersteller jetzt sein Extranet für die Händler der britischen Traditionsmarke geöffnet.

Die Showrooms von BMW und Rover sind streng getrennt. Auch zur Kommunikation mit dem Herstellerkonzern nutzen die jeweiligen Händler bislang zwei unterschiedliche Netze: Die deutsche Rover GmbH in Neuss setzt noch auf ein geschlossenes Btx-Netz, während BMW den konzernfremden Vertrieb mit Hilfe eines TCP/IP-Netzes anbindet. Doch die Systeme im Hintegrund wachsen mehr und mehr zusammen. So soll spätestens im Juni dieses Jahres auch die Handelsorganisation von Rover in das BMW-Extranet integriert werden.

Die "Killerapplikation" für das virtuelle private Netz ist das Online-Ordering-System. Es ermöglicht dem Händler, gemeinsam mit dem Kunden ein Fahrzeug zu konfigurieren, dessen Baubarkeit zu prüfen und die Lieferzeit festzulegen. "Mit Hilfe des Online- Verfahrens lassen sich je nach Ausstattung bis zwei Wochen vor dem Produktionstermin noch Änderungen am bestellten Fahrzeug vornehmen", erläutert Arno Kinigadner, zuständig für das Extranet der BMW AG.

Der Händler gibt die Daten in eine Web-Oberfläche ein, schickt sie online zu BMW, wo sie - auf dem Weg über einen Server - mit der Produktionsdatenbank abgeglichen werden. So kann der Verkäufer mit dem Kunden den Bestellprozeß verfolgen und im Zweifelsfall ermitteln, ob beispielsweise eine Farb- oder Ausstattungsänderung noch möglich ist und wie sie sich auf den Liefertermin auswirkt. Mit dem früher üblichen Austausch von Telefaxen dauerte das zwei Tage. Rechnungsstellung und Bezahlung erfolgen allerdings auf dem konventionellen Weg.

Aber nicht nur die Bestellung von Neuwagen läuft über das Extranet. Zu den ersten Extranet-Applikationen zählen auch der Vertrieb von Ersatzteilen sowie die Abwicklungen von Krediten bei der BMW-Bank. Der konzerneigene Finanzdienstleister richtet sein Angebot auch an Rover-Fahrer. Da liegt es nahe, daß die Händler des Tochterunternehmens künftig für die Bankapplikationen dasselbe Netz nutzen wie die BMW-Verkäufer.

So können die Verkäufer dem Kunden gleichzeitig mit der Konfiguration des gewünschten Autos auch einen Finanzierungsvorschlag unterbreiten, den sie dann gegebenenfalls online zur Bank schicken. Die Bank prüft die Bonität des künftigen Rover-Fahres und schickt innerhalb einer Viertelstunde, also noch während der Kunde die Einzelheiten mit dem Händler bespricht, eine Bestätigung über das Netz.

Laut Kinigadner ist ein Extranet einem unternehmenseigenen Netz durchaus ebenbürtig. Im Gegensatz zum weiten, unstrukturierten Internet bietet ein virtuelles privates Netz (VPN) auf Grundlage einer Shared-Backbone-Architektur (siehe Kasten) eine definierte Servicequalität und ausgefeilte Sicherheitsmechanismen. Selbstverständlich ist das Extranet sowohl gegenüber dem BMW- eigenen Intranet als auch gegenüber dem Internet sorgfältig abgeschottet. Der Automobilhersteller hat eine Reihe von Sicherheitsmechanismen implementiert, die von unabhängigen Experten regelmäßig überprüft werden. Sie sorgen auch dafür, daß der Zugriff auf die händlereigenen Daten für BMW gesperrt ist.

Die gemeinsame Internet-Page von BMW und Rover (www. bmw.de) dient hauptsächlich Image-Zwecken. Der Kunde kann sich zwar ein Auto konfigurieren, muß damit aber zum Händler gehen, der dann die Bestellung aufgibt. Wirklicher E-Commerce ist für die deutschen Automobilhersteller derzeit noch ein Tabuthema, obschon angeblich zehn Prozent ihrer Kunden bereit wären, ihr nächstes Auto über das Internet zu kaufen (siehe CW 9/99, Seite 36). Einer der Gründe dafür ist, daß die Produzenten ihre Vertriebspartner nicht verprellen wollen, die auf absehbare Zeit den Löwenanteil des Umsatzes hereinbringen werden.

Das Extranet hingegen bedeutet für die Händler keine Konkurrenz, sondern eine Arbeitserleichterung. BMW stellt den Handelspartnern selbstentwickelte Administrationswerkzeuge zur Verfügung, von ihren PCs aus die Netzzugänge und Mail-Accounts verwalten lassen. Die händlereigenen Firmennetze bleiben unangetastet. Sie erhalten lediglich einen zentralen Zugang zum Extranet.

BMW hatte sein in Zusammenarbeit mit dem Service-Provider Deutsche Telekom Systemlösungen (DeTe System) aufgebautes VPN weder auf ein spezifisches Projekt noch auf einen engen Teilnehmerkreis beschränkt. "Wir wollten ein General-Purpose-Netz; je mehr Teilnehmer und Applikationen, desto größer der Synergieeffekt", faßt Kinigadner die Strategie des Automobilherstellers zusammen.

Rover auf der anderen Seite benötigte für bestimmte Anwendungen ohnehin eine neue Art von Netzverbindung. "Als Kommunikationsschnittstelle zwischen der Niederlassung in Neuss und den Händlern nutzen wir derzeit noch eine geschlossene Btx- User-Group", berichtet Martin Megerle, DV-Verantwortlicher der Rover Deutschland GmbH. "Für moderne Anwendungen ist Btx aber nicht geeignet." Mitte des vergangenen Jahres habe das Mutterhaus der Deutschland-Zentrale ein neues Teilebestellsystem inklusive elektronischem Katalog zur Verfügung gestellt, das ein Web- basiertes Netz voraussetze. Megerle: "Hier müssen via File Transfer Protocol Daten zwischen den Händlern und dem Teilelieferanten versendet werden. Das läßt sich mit Btx zwar irgendwie hinbasteln, aber es funktioniert nicht vernünftig."

Überdies wollte das britische Unternehmen Unipart, das bis auf weiteres das Teilegeschäft für Rover betreibt, ab Juli 1999 die Kommunikation über Btx abschalten. "Wir sind quasi gezwungen, auf einen Web-Zugang umzustellen und diesem Prozeß eine gewisse Dynamik zu geben", lautet das Fazit des Rover-Informatikers.

Abgesehen davon ist das proprietäre, nicht einmal europaweit standardisierte Btx dem Extranet in vielerlei Hinsicht unterlegen. Beispielsweise ermöglicht das Extranet allen Beteiligten, einen Kommunikationsvorgang zu starten und Standard-E-Mails zu verschicken. Zudem verzichtet es auf lokale Anpassungen. Vor allem aber erfordert es keine spezifische Anwendungen, die zu schreiben immer weniger Programmierer in der Lage sind. Das fällt um so mehr ins Gewicht, als viele Btx-Anwendungen, so Megerle, nicht Jahr- 2000-fähig sind.

Für ein eigenes Netz hat die deutsche Rover-Niederlassung mit ihren 140 Mitarbeitern längst nicht die kritische Größe. Die Alternative, selbst einen Internet-Provider zu beauftragen, hätte unnötig Geld gekostet - zumal Backbone und Bandbreite des BMW- Netzes reichlich Reserven bereitstellen. Laut Kinigadner wird das Extranet heute auch schon von den BMW-Motorradhändlern genutzt. Neben den rund 1000 BMW-Händlern hängen derzeit bereits mehr als fünf Dutzend Rover-Verkaufsstellen an diesem VPN. Bis Mitte des laufenden Jahres sollen die restlichen der insgesamt 300 deutschen Rover-Händler folgen.

Wie Kinigadner einräumt, bedeutet die Online-Anbindung für die Vertriebspartner zunächst einmal eine Investition in Netz- und Arbeitsplatz-Infrastruktur. Allerdings sei es nicht schwer, sie von den Vorzügen des Netzes zu überzeugen - zumal BMW immer mehr Geschäftsprozesse auf dieser Struktur abbilden will. "Der Extranet-Anschluß liegt auch im eigenen Interesse des Händlers", resümiert der Informatiker.

Das virtuelle Privatnetz

Die BMW AG, München, hat bereits Anfang 1997 damit begonnen, ein TCP/IP-basiertes Netz für ihre Handelsorganisation aufzubauen. Das Ende 1996 ausgeschriebene Projekt zog die Telekom-Tochter DeTe System an Land. Sie stellt das Backbone zur Verfügung, auf dessen Grundlage BMW - wie auch eine Reihe anderer Unternehmen - ein virtuelles privates Netz (VPN) eingerichtet hat.

DeTe System und der BMW-Bereich Extranet arbeiteten etwa ein Jahr lang an der Feinkonzeption und der Implementierung des VPN, das den damals rund 800 BMW-Händlern zur Verfügung gestellt werden sollte.

Im April 1998 war der gesamte externe Automobilvertrieb angeschlossen, gefolgt von den Motorradhändlern. Die 300 Rover- Verkaufsstellen werden voraussichtlich im Juni dieses Jahres online sein.

Derzeit laufen die Bestellung von Neufahrzeugen und Ersatzteilen sowie die Abwicklung von Anschaffungskrediten über das Extranet. Andere Applikationen, beispielsweise eine Jahreswagen-Börse, sind in Arbeit. Die Händler zahlen für den Service eine monatliche Grundgebühr sowie ein verbrauchsabhängiges Entgelt, das sich nach der jeweiligen Online-Zeit richtet.