IDC-Studie über "Small Business Systems":

Deutschlands Klein- und Mittelbetriebe, - eine Herausforderung für die Marktgiganten und ihre nationale Konkurrenz?

04.02.1977

In Rahmen ihres "Corporate Planning Service" hat die IDC Deutschland GmbH den Markt für "Small Business Systems untersucht. Wichtigste Ergebnisse: Die deutschen MDT-Anwender nehmen eine Sonderstellung ein, sind viel weniger als ihre US-Kollegen bereit, der Groß-EDV, dem intelligenten Terminal, dem Service-Rechenzentrum eine Chance zu geben. Liegt's an der cleveren Marketingpolitik der einheimischen Hersteller? Dazu der folgende Bericht:

Die jüngste "IDC-Untersuchung über den Bereich der "kleinen kommerziellen Systeme" hat wieder einmal deutlich bewiesen: Deutschlands Anwender sind die "Größten" in Europa. Im Laufe -der Untersuchung konnten 8578 der artige Systeme in Europa identifiziert werden - der Hauptanteil entfiel auf bundesdeutsche Anwender. Bei der anschließenden Hochrechnung zeigte sich dann, daß die Markterfolge der Hersteller in der BRD auf einer außerordentlich breiten Basis zustande gekommen sind. Und das ist das eigentlich erstaunliche: Denn "Small Business Systems" stehen nicht nur in Konkurrenz zur Groß-EDV, sondern auch zur Datenverarbeitung außer ,Haus und zu intelligenten Terminals. Gleichzeitig findet eine - auch publizistisch ausgetragene - Fehde zwischen der Gilde der Steuerberater und den MDT-Anbietern statt.

In USA: mehr "außer Haus"

Es ist jedoch müßig, ein weiteres Mal darüber zu rechten, daß bei uns Tarife der Deutschen Bundespost potentielle Interessenten für den Einsatz von Online-Terminals lange Jahre vergrault haben. Andererseits ist es interessant, daß in den USA einem vergleichbaren Klein- und Mittelbetrieb der Weg zur Vergabe seiner Datenverarbeitungsprobleme "außer Haus" leichter gemacht wird als bei uns. Die Gründe dafür liegen allerdings nicht nur bei den Anbietern und deren Preisgestaltung oder Angebotspalette, sondern auch bei den, vielfach individualistischer orientierten, europäischen Anwendern selbst, die meistens das, was Ihnen von außen angeboten wird, mit Skepsis beäugen und ihre eigene Art die Probleme zu lösen, für besser halten.

Zwei Sieger: MDT und Terminals

In der Bundesrepublik waren es beispielsweise 1970/71 noch mehr als 50 Prozent der Arbeitsstätten, mit über 10 Beschäftigten, die ihre Probleme rein manuell lösten. Nahezu 45 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe hatten zu diesem Zeitpunkt noch zum Teil archaische elektromechanische Buchungs- und Fakturiermaschinen im Einsatz, die zuverlässig ihren Dienst verrichteten. Der Anteil der mittleren Datentechnik betrug damals nur bescheidene 6 bis 7 Prozent und der Einsatz von Terminals mit Online-Anschluß war kaum erwähnenswert. Auch die Groß-EDV war vergleichsweise - gemessen am Volumen der gesamten Anwender außerordentlich bescheiden vertreten. Nur rund 3 Prozent der Betriebe über 10 Beschäftigte hatte damals einen entsprechenden Computer installiert.

Die Groß-EDV war jedoch schon immer aus finanziellen Gründen einseitig auf finanzkräftige Einzelanwender angewiesen und konnte sich erst mit Hilfe der Datenverarbeitung außer Haus zu einem konkurrenzfähigen Angebot auch für kleinere Anwender emanzipieren. Anders dagegen der "Bürocomputer", der schon immer gerade die kleineren Unternehmen ansprechen sollte. Deshalb gab es in der BRD auch zum damaligen Zeitpunkt bereits rund 30 000 derartige Systeme.

Heute nun sieht es bereits so aus, daß zwei Verfahren die großen Sieger der Vergangenheit und Zukunft sein werden: Die "allein-stehenden" MDT-Systeme und ihre Verwandten, die "Intelligenten Terminals". Dies vor allem auf Kosten der rein manuellen Datenverarbeitung (es gibt also in der BRD eine große Zahl von EDV-Erstanwendern) und der elektromechanischen Systeme. Federn mußten allerdings auch einige Service-Rechenzentren lassen.

Verlängert man nun den Vergangenheitstrend in die Zukunft und berücksichtigt gleichzeitig das noch vorhandene und noch nicht erschlossene Potential, so zeigt sich, daß man durchaus eine optimistische Zukunft für die Anbieter der bundesdeutschen Marktszene prognostizieren kann. Und dies um so mehr, als auch den Anwendern "rosige" Zeiten bevorstehen, weil durch das zunehmende Engagement der Hersteller - nun auch kommerziell orientierter - Minicomputer, der Einsatz kleiner EDV-Systeme immer interessanter wird. Die Vergangenheit hat bewiesen, daß die -bundesdeutschen Anwender sich von den "Sirenengesängen" der Nixdorf- oder Kienzleoder Philips- oder Ollvetti-Verkäufer, ganz zu schweigen von denen der IBM-Profis, viel bereitwilliger verführen ließen als von den Verlockungen, überhaupt keine Datenverarbeitungssorgen mehr zu haben, also alles außer Haus zu geben.

Minis ante portas

Eine neue Generation von Anbietern ist mittlerweile hinzugekommen: Die Minihersteller, aber auch die von ihnen profitierenden Systemhäuser, die mit zielgerichtetem Marketing sich ihre Anteile am zukünftigen Business sichern wollen. Und hier scheint überhaupt die einzige Gefahr für alle zu liegen, daß nämlich die Anbieterseite übervölkert wird und deshalb einige Konkurrenten über kurz oder lang auf der Strecke bleiben werden. Ganz im Sinne der Anwender kann das im übrigen auch nicht sein, da zwar eine überaus starke Konkurrenz günstige Angebote verspricht, andererseits jedoch das Risiko einer zusammenbrechenden Serviceorganisation auch dem kleineren Anwender - vielleicht sogar gerade ihm - erheblichen Schaden zufügen kann.

Rainer Kolshorn ist Leiter der Frankfurter Niederlassung der IDC Deutschland GmbH